Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Ablösung der Reallasten (Sachsen — Württemberg) 43 
mittelt; der hundertste Teil wird dann als Betrag 
der vom Verpflichteten zu übernehmenden Rente 
angenommen. Bei A. von Natural-Zehn- 
ten bildet deren jährlicher Reinertrag, 
nach dem Durchschnittsbetrage der in den letzten 
12 Jahren erzielten Zehnterträge und nach Na- 
turalienpreisen berechnet, die im Mangel gütlicher 
Vereinigung durch Sachverständige aus den Mit- 
telpreisen der letzten 14 Jahre ermittelt werden, 
den Maßstab der Entschädigung. Bei Zinsgetreide 
findet an den Preisen ein Abzug von 50 statt. 
Zum Zwecke der Berechnung der Entschädigung 
für abzulösende Servituten ist vor allem 
deren rechtlich begründeter Umfang festzustellen. 
Ist bei Hutungsgerechtigkeiten die 
Zahl des aufzutreibenden Viehes nicht nachzu- 
weisen, so wird sie nach dem zwölfjährigen durch- 
schnittlichen Besitzstande oder Auftriebe, bei dafür 
fehlenden Anhalten aber nach der Auswinterungs- 
zahl berechnet. Der Betrag der Entschädigung 
bestimmt sich, wenn der Belastete provoziert, le- 
diglich nach dem Nutzen, welchen der Berechtigte 
bei ordnungsmäßiger, wirtschaftlicher Benutzung 
davon zu ziehen befugt war. Im anderen Falle hat 
der Belastete dic Wahl, ob die von ihm zu gewäh- 
rende Entschädigung nach dem vorher erwähnten 
Maßstabe oder nach dem Vorteile berechnet wer- 
den soll, welchen er aus der durch die A. erlangten 
Freiheit seines Grundstücks erwarten kann. Bei 
Aufhebung von Koppelhuten ist als Ge- 
genstand der Entschädigung nur dasjenige zu be- 
trachten, um wieviel der Wert der Dienstbarkeit 
auf der einen Seite größer ist als auf der anderen; 
gleiche Wertbeträge werden gegeneinander ohne 
weiteres aufgehoben. 
55. Kosten. Die im A.Verfahren entstandenen 
Kosten [UuAuseinandersetzungen 321 
werden bei Dien st ablösungen von den Berech- 
tigten und Verpflichteten zu gleichen Teilen, bei 
Servituts ablösungen zur Hälfte von dem 
oder den Besitzern des belasteten Grundstücks, zur 
anderen Hälfte von dem Berechtigten und wenn 
je mehrere Beteiligte vorhanden sind, von diesen 
nach Verhältnis der Anteile getragen. 2 
z 6. Lanudreutenbank. Zur Uebernahme der 
nach §# 4 auf die verpflichteten Grundstücke über- 
nommenen A. Renten wurde eine Landrenten- 
bank errichtet und unter Garantie des Staates 
gestellt [ULandeskulturrentenbankh. 
Diese Bank hat in Gesamthöhe des 25fachen Be- 
trags der ihr für jeden Rentenberechtigten über- 
wiesenen Jahresrenten Rentenbriefe auf Kapital- 
summen von 1000, 500, 100, 50, 25, 12 ½ Taler 
ausgefertigt und solche der Generalkommission 
zur Befriedigung der Berechtigten zur Verfügung 
gestellt. Diese Rentenbriefe sind auf den Inhaber 
gestellte Obligationen der Rentenbank, in denen 
neben der Angabe des Kapitalbetrags das Ver- 
sprechen, solchen ½ Jahr nach künftiger Auslo- 
sung zu bezahlen und bis dahin mit 3½% jährlich 
in 2 halbjährigen Terminen zu verzinsen, ausge- 
drückt ist; auch sind sie in rechtlicher Beziehung 
den Staatspapieren gleichgestellt. Der Renten- 
pflichtige hat die volle Rente, die gleich den 
Steuern erhoben oder beigetrieben wird, mit 4% 
des Kapitalbetrags in 4 Terminen an die Land- 
rentenbank zu bezahlen; doch ist ihm freigestellt, 
nach vorausgegangener halbjähriger Kündigung 
sein Rentenkapital ganz oder teilweise durch Bar- 
  
  
–—. — — — — — — — — 
zahlung oder Einlieferung von Landrentenbriefen 
nach Nennwert zu tilgen oder zu mindern. Mit 
dem Ueberschusse von 290 bestreitet die Bank 
zunächst die Kosten und die Deckung von Verlusten; 
der Rest wird zur Bildung eines Rententilgungs- 
fonds verwendet und damit, bezw. auf dem Wege 
der Auslosung, die allmähliche Entlastung des 
verpflichteten Grundstücks von den darauf haften- 
den Renten herbeige führt. 
Als Schlußtermin für die Ueberweisung der 
Renten auf die Bank war anfänglich der 1. 4. 1851 
bestimmt; er ist aber durch Gv. 20. 9. 55 auf 
den 1. 4. 59 hinausgeschoben worden. Der Ren- 
tenlauf der zuletzt ausgegebenen Rentenbriefe 
beginnt mit dem 1. 10. 59. Die Tilgungsfrist 
dieser Renten wurde anfänglich auf 55, durch G 
v. 25. 2. 88 aber auf 54 ¼ Jahre (— 217 viertel- 
jährige Termine) festgesetzt, sodaß die letzten 
Landrenten mit 31. 12. 1913 getilgt sein werden. 
Im Königreich Sachsen ist der mit der A.Ge- 
setzgebung verfolgte Zweck der Befreiung des 
Grund und Bodens von den dinglichen Lasten usw. 
nahezu in vollem Umfange erreicht worden. Ge- 
genwärtig kommt nur noch die A. barer Geld- 
gefälle gegen Kapitalzahlung, sowie die A. sol- 
cher Grundlasten und Dienstbarkeiten in Frage, 
auf deren A. vor dem 1. 1. 54 (s. § 1) zwar provo- 
ziert worden, deren A. aber aus irgend welchen 
Gründen bis jetzt unterblieben ist. A. durch Ka- 
pitalzahlung bedürfen nicht mehr der Bestätigung 
der Gencralkommission. 
DQuellen: G über A. und Gemeinheitsteilungen v. 
17. 8. 32; Abänderungs GGv. 21. 7. 64, v. 24. 1. 50, v. 
11. 11. 50, v. 20. 3. 51, v. 15. 5. 51 und v. 5. 3. 79; G# die 
A. von Naturolleistungen an Geistliche und Schullehrer 
betr. v. 14. 7. 40, 10. 2. 51; G, die Schutzuntertänigkeit und 
die A. der darauf bezüglichen Abentrichtungen betr., v. 
21. 7. 46; G über die Errichtung der Landrentenbank v. 
17. 3. 322; G, den Schluß der Landrentenbank betr. v. 21. 
7. 46, v. 20. 9. 55; G, die Dauer der Landrenten--Entrichtung 
und die Löschung der durch Amortisation erloschenen Land- 
renten usw. betr. v. 25. 2. 88. 
Literatur: Reuning, Entwicklung der s. Land- 
wirtschaft 1845—1854; Die Landrentenbank im Königreich 
Sachsen, 1883; Klössel, Sächs. Agrargesetzgebung, 1902; 
Kloß, Sächs. Landesprivatrecht, 1904 (Agrarrecht, Dienst- 
borkeiten, Roeallasten). Kraft. 
IV. Württemberg 
## 1. Beseitigung der gutsherrlich-bäuerlichen 
Verhältnisse. Ein GenRestr v. 4. 7. 1809 
verbot die Neubegründung von Lchensrechten 
irgend welcher Art, das II. Ed. v. 18. 11. 1817 
verbot die Neuauferlegung von dauernden Grund- 
lasten und hob die „Leibeigenschaft“ sowie den 
Erblehensverband als solche ohne Entschädigung 
in der Weise auf, daß die Lehensgüter in Zins- 
güter, die leibeigenschaftlichen Leistungen und die 
Abgaben aus dem Lehensverband von persönlichen 
Lasten in Reallasten umgewandelt wurden. Da- 
mit ergab sich zunächst eine große Vermehrung 
der Reallasten zu Anfang des 19. Jahrhunderts: 
der Herstellung der versönlichen Freiheit der 
Bauern stand gegenüber die Aufrechterhaltung 
und Steigerung der wirtschaftlichen Gebunden- 
heit des Grundbesitzes, die um so drückender emp-
	        
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