Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
temberg, sofern die Ordnungsstrafe von einer 
unteren Gerichts- oder Verwaltungsstelle oder 
deren Vorstand verfügt war; gegen die Strafver- 
fügungen höherer Behörden ist der Beschwerde- 
weg besonders geregelt. In Bayern und Ba- 
den sind die näheren Bestimmungen über das 
Beschwerdeverfahren dem Verordnungswege vor- 
behalten (RBo # 83, Preußen §5 21, Bayern 
a 117 Abs 4, Sachsen § 18 Abs 4, Württemberg 
a 79, Hessen a 15). Gegen Strafverfü- 
gungen der Gerichte (s. o. & 17) steht in 
Sachsen den beteiligten Richtern binnen ein- 
wöchiger Frist die Beschwerde an das Justizmini- 
sterium zu (Richter G v. 20. 3. 86 §+ 24 Abs 3). 
In Hessen hat gegen Ordnungsstrafverfügun- 
gen der Gerichte, sowohl der Staatsanwalt 
wie der beteiligte Richter das Rechtomittel der 
Beschwerde (Richter G v. 31. 5. 79 a 19, 50). 
Die Beschwerde ist in Württemberg und 
Hessen binnen acht Tagen in der Beschwerde- 
instanz schriftlich auszuführen und hat aufschie- 
bende Wirkung. 
Disziplin (Verfahren) 
  
In Preußen und Sach- 
sen sowie im Reicke ist eine Frist in bezug auf 
die Einlegung der Beschwerde nicht vorgesehen; 
es gilt aber als zulässig, eine Ordnungsstrafc auch 
vor Erledigung einer dagegen erhobenen Be- 
schwerde zu vollstrecken, wenn Gründe der D. 
dies erfordern. Dagegen wird in Bayern 
nach den Materialien zu dem dortigen Be der 
Beschwerde aufschiebende Wirkung beigemessen. 
Für die Bder Selbstverwaltung ist in 
Preußen gegen die Verhängung von Ord- 
nungsstrafen neben dem unter Fristbestimmungen 
zugelassenen Beschwerdeversahren die Klage 
im Verwaltungsstreitverfahren 
eingeführt. Die Vollstreckbarkeit der Ordnungs- 
strafen beginnt erst mit dem Ablaufe der Rechts- 
mittelfristen. In betreff der nicht richterlichen 
Justizbeamten iic der Beschwerdeweg durch 
besondere gesetzliche Vorschriften geregelt. 
B. Bei den eigentlichen Disziplinarstrafen 
(Sog. förmliches Disziplinarverfahren) 
# 19. Voraussetzungen des förmlichen Dis- 
ziplinarverfahrens. Das förmliche Disziplinar- 
verfahren bezweckt die Entfernung des B aus 
seinem Amte und ist daher nur dann einzuleiten, 
wenn der B eines so schweren Dienstvergehens 
verdächtig ist, daß sich nach den vorläufigen Ver- 
handlungen annehmen läßk, der Disziplinar- 
richter werde auf diese Strafe erkennen. In der 
Zusammensetzung der Disziplinargerichte und in 
den streng geregelten Formen des Verfahrens ist 
die Bürgschaft für eine gerechte Anwendung jener 
von den weittragendsten Folgen für die Ehre und 
die wirtschaftliche Existenz des B begleiteten 
Strafe zu erblicken. 
Es greifen jedoch folgende Ausnahmen Platz: 
a) In Baden (88 Nr. 2, 109) entscheidet 
über die Strafversetzung oder Dienstentlassung 
eines behördlich angestellten B nicht 
das Disziplinargericht, sondern das vorgesetzte 
Ministerium in kollegialer Beschlußfassung, 
vorbehaltlich des Rekurses an das Staatsministe- 
rium. In bezug auf die Förmlichkeiten ist nur 
vorgeschrieben, daß der Entscheidung eine förm- 
liche Voruntersuchung vorauszugehen hat, in 
der, soweit erforderlich, die Zeugen eidlich ver- 
  
  
nommen werden; das Ergebnis der Vorunter- 
suchung ist dem B zu eröffnen. 
b) Auch ohne daß ein Dienstvergehen vorliegt, 
kann in Bayern, Württemberg und 
Baden die Entfernung vom Amte im förmlichen 
Disziplinarverfahren wegen Handlungen verhängt 
werden, die der B vor dem Eintritt in den 
Staatsdienst begangen hat (s. o. § 5 a). Ferner 
kann in Sachsen (17 Abs 2) die Dienstent- 
lassung durch Erkenntnis des Disziplinargerichts 
auch dann ausgesprochen werden, wenn ein 
Staatsdicner in Konkurs verfallen ist oder sich in 
ungeordneter Vermögenslage befindet, durch die 
sein dienstliches Anschen beeinträchtigt wird. 
c) Nicht immer ist das förmliche Disziplinar- 
verfahren auf Entfernung aus dem 
Amte gerichtet. Nach Reichsrecht und 
Preußischem Recht ist auch über die 
Tatsache der Dienstunfähigkeit 
eines Beamten im förmlichen Diszipli- 
narverfahren zu entscheiden, sobald ein B vor dem 
Zeitpunkte, mit dem die Pensionsberechtigung 
für ihn eingetreten sein würde, gegen seinen Willen 
pensioniert werden soll (RB # 68 Abs 1, Preuß. 
Disz &93 Abs 1). Ferner findet in Preußen, 
wenn einem B, der sich ohne Urlaub von seinem 
Amte fernhält, für die Zeit der unerlaubten Ent- 
fernung das Diensteinkommen ent- 
zogen werden soll, im Falle des Wider- 
spruchs das förmliche Disziplinarverfahren statt. 
Ueber Richter vgl. oben § 9 am Scklusse. In 
Preußen stehbt einem Richter, dem eine Rüge, 
Ermahnung oder Mahnung an die Amtspflicht 
erteilt worden ist, auch die Befugnis zu, die Ein- 
leitung des förmlichen Disziplinarverfahrens ge- 
gen sich zu beantragen, in dem darüber entschie- 
den wird, ob die im Ausfsichtswege getrofsene 
Maßregel aufrecht zu erhalten oder aufzuheben 
ist (§§8 23, 24 G v. 9. 4. 79, G 345). 
§20. Dieziplinarbehörden. Die Disziplinar- 
behörden zersallen in leitende und entscheidende: 
a) Leitende Disziplinarbehörden sind die- 
jenigen, denen die Leitung des Verfahrens bis 
zur Urteilsfällung obliegt. Sie haben als solche 
nicht bloß die ihnen in den Gesetzen ausdrücklich 
übertragenen Verrichtungen — wie: Einleitung 
des Verfahrens, Ernennung des die Untersuchung 
führenden B und des Staatsanwalts, Verwei- 
sung der Sache zur Hauptverhandlung — zu ver- 
sehen, sondern es gehen von ihnen auch die sonsti- 
gen Verfügungen und Beschlüsse aus, die erfor- 
derlich sind, um die Entscheidung vorzubereiten. 
Diese gesetzlich vorgesehenen Verrichtungen 
werden wahrgenommen: im Reiche durch die 
oberste Reichsbehörde; in Preußen, Sach- 
sen, Württemberg, Baden, Hes- 
sen, Elsaß-Lothringen durch das 
vorgesetzte Ministerium (jedoch bei B, die von 
einer dem Ministerium untergeordneten Behörde 
angestellt sind, in Prcußen von dem Vor- 
steher der dem Ressort des B angehörigen Pro- 
vinzialbehörde oder dem Minister, in Elsaß- 
Lothringen von der Anstellungsbehörde; 
in Sachsen wird der Untersuchungsrichter von 
dem Vorsitzenden der Disziplinarkammer be- 
stellt in Württemberg kann das Mini- 
sterium nach alVdes Go. 23. 7. 10 — RegBl!l 313 
— gewisse Befugnisse der Anstellungsbehörde 
übertragen). In Bayern erfolgt die Einlei-
	        
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