Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Donauschiffahrt 
  
schließen hatten) hatte die Schiffahrtsordnung, 
das Flußpolizei-Reglement vorzubereiten, das 
Nötige für die Durchführbarkeit der Grundsätze 
des Wiener Kongresses zu veranlassen und die 
erforderlichen Arbeiten in der Ausdehnung des 
Flußlaufs durchführen zu lassen; nach der Auf- 
lösung der europäischen Kommission sollte die 
Uferstaatenkommission an deren Stelle bezüglich 
der Donaumündungen und der angrenzenden 
Meeresteile treten. Die Uferstaatenkommission 
schuf in ihrer Versammlung zu Wien eine Schiff- 
fahrtsordnung (7. 11. 57), die jedoch die Geneh- 
migung der Signatarmächte des Pariser Vertrags 
nicht erhielt, weil die Binnenschiffahrt nur den 
Uferstaaten zustehen sollte und einige Maßregeln 
beschlossen worden waren, die der Freiheit des 
Transithandels widersprachen. 
3. Da die Aufgabe der europäischen Donau- 
kommission noch nicht gelöst war, wurden deren 
Vollmachten verlängert, die Arbeiten fortgesetzt 
und am 2. 11. 65 die Akte betreffend die Schiff- 
fahrt von den Mündungen der Donau 
bis Galatz unterzeichnet. Am 28. 5. 66 
wurden die Vollmachten der europäischen Donau- 
kommission neuerlich auf fünf Jahre, sodann durch 
den Londoner Vt v. 13. 3. 71 (sog. Pontusvertrag) 
auf zwölf Jahre (bis zum 24. 4. 83) verlängert. 
4. Der Berliner Vt vom Jahre 1878 betonte vor 
allem, daß die Freiheit der Schiffahrt auf der 
Donau ein europäisches Interesse 
bildet; zur Verstärkung der Garantien dieser 
Freiheit wurde die Beseitigung aller Festungen 
auf der Strecke vom eisernen Tor bis zu den 
Mündungen, sowie das Verbot neuer Befestigun- 
gen beschlossen; ferner wurde bestimmt, daß mit 
Ausnahme der für die Stiompolizei und den 
Zolldienst bestimmten Schiffe, keine Kriegsschiffe 
die Donau auf den bezeichneten Strecken befahren. 
dürfen (a 52). Die Kompetenz der europäischen 
Kommission (der nunmehr auch Rumänien ange- 
hörte) wurde erweitert, indem ihr die Ausarbei- 
tung der Reglements für die Schiffahrt, Strom- 
polizei und Oberaufsicht für die Stromstrecke Ga- 
latz bis zum eisernen Tor übertragen wurde 
(a 55). Die den Uferstaaten durch den Londoner 
Vt von 1871 zur Aufgabe gesetzte Beseitigung der 
Schiffahrtshindernisse (am eisernen Tor und an 
den Katarakten) wurde Oesterreich-Ungarn an- 
vertraut; den Uferstaaten wurde die Förderung 
der betreffenden Arbeiten (die mit der feierlichen 
Eröffnung des Verkehrs am 27. 9. 96 ihren Ab- 
schluß gefunden haben) zur Pflicht gemacht (a 57). 
Mit den zur Ausführung des à 63 bestimmten 
Vorarbeiten wurde von der europäischen Kom- 
mission ein Komitee betraut, dessen Avant-projet 
für die Ueberwachung der Ausführung des Schiff- 
fahrtsreglements eine gemischte Kommission in 
Vorschlag brachte, zusammengesetzt aus Bevoll- 
mächtigten der Uferstaaten Serbien, Rumänien, 
Bulgarien und einem Bevollmächtigten Oester- 
reich-Ungarns, dem der Vorsitz und bei Stimmen- 
gleichheit die entscheidende Stimme zukommen 
sollte. Infolge Protests der Uferstaaten wurde 
dieses Projekt fallen gelassen; auf Vorschlag des 
französischen Bevollmächtigten Barreère fand 
eine neuc Verhandlung statt, deren Ergebnisse 
(Zusammensetzung der Kommission wie in dem 
eben angeführten Projekt unter Zuziehung eines 
Delegierten der europäischen Kommission, Oester- 
  
reich-Ungarn führt den Vorsitz, die Beschluß- 
fassung erfolgt mit Stimmenmehrheit) von allen 
Mächten mit Ausnahme Rumäniens angenommen 
wurden. Rumänien protestierte gegen die Teil- 
nahme Oesterreich--Ungarns an der Kommission 
aus eigenem Rechte, da diese Macht an der un- 
teren Donau nicht Uferstaat sei. 
5. Die am 8. 2. 83 zu London zusammen- 
getretene Konferenz hielt an dem vom 
Berliner Vertrag ausgesprochenen Gedanken fest, 
daß es sich um eine europäische Angele- 
genheit handle, bei deren Ordnung Rumänien 
als beteiligter Staat nur mit beratender Stimme 
teilnehmen könne. Rumänien protestierte gegen 
diesen Vorgang (im Hinblick auf das Aachener 
Protokoll v. 15. 11. 1818 — siehe dagegen Jel- 
linek, Oesterreich-Ungarn und Rumänien in 
der Donaufrage 9 ff), verweigerte die Teilnahme 
an der Konferenz und den Beitritt zu den Be- 
schlüssen. In dem Vt v. 10. 3. 83 beschloß die 
Konferenz die Ausdehnung der Kompetenz der 
europäischen Kommission auf die Strecke Ga- 
latz bis Bralla und die Verlängerung der Voll- 
machten bis zum 24. 4. 04; von 1904 ab gelten 
die Vollmachten je für 3 Jahre in vollem Umfang 
als stillschweigend erneuert, wobei es den Kontra- 
henten freisteht, ein Jahr vor Ablauf der bezeich- 
neten Fristen, Aenderungen in der Zusammen- 
setzung der Kommission oder der Ausdehnung 
ihrer Vollmachten in Vorschlag zu bringen. Die 
Kiliamündung, soweit deren Ufer demselben 
Staate gehören, ist der Kontrolle der europäischen 
Kommission entzogen und jener der beiden Ufer- 
staaten Rußland und Rumänien unterstellt, die 
gemischten Teile der Stromstrecke stehen unter der 
Kontrolle des russischen und rumänischen Dele- 
Herten in der europäischen Kommission. Die 
ufsicht über die Strecke vom eisernen Tor bis 
Bralla wurde einer gemischten Kommission (im 
Sinne des Barrereschen Antrags) übertragen. 
Diese Kommission ist keine definitive Institution, 
wie denn überhaupt durch den Londoner Vertrag 
die politisch komplizierte Donaufrage nicht end- 
gültig gelöst werden sollte. Gleichwohl beharrte 
Rumänien in seiner ablehnenden Haltung auch 
gegenüber diesem Vertrage, und zwar wegen an- 
geblicher Verletzungen der Beschlüsse des Wiener 
Kongresses und des seither in Geltung getretenen 
Flußschiffahrtsrechts. 
II. Die Donaufrage. 
Die Ausdehnung der Kompetenz der euro- 
päischen Kommission und der Umstand, daß diese 
Kommission seit ihrer Errichtung durch den Pa- 
riser Vt von 1856 durch nachfolgende internatio- 
nale Akte zu einer dauernden Institution gewor- 
den ist, wurde die Quelle der Schwierigkeiten, die 
sich aus dem Verhalten der Uferstaaten ergeben 
haben, denn diese wollten einer europäischen 
Kommission für die Angelegenheiten internatio- 
naler Flüsse nur die Bedeutung einer exzeptio- 
nellen Einrichtung einräumen. Daß das inter- 
nationale Flußschiffahrtsrecht im Sinne absoluter 
Gleichheit aller Flaggen auf internationalen Flüs- 
sen und der gleichen Behandlung der Angehöri- 
gen der Uferstaaten und der Nichtuferstaaten sich 
weiterbilden muß, — diese Konsequenz der heuti- 
gen Auffassung des Völkerrechts und der Stellung 
der Mitglieder der internationalen Gemeinschaft 
gegenüber einem praktisch so wichtigen Problem
	        
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