Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
der geleiteten neutralen Handelsschiffe. 1 6. Vorgang bei 
der Durchsuchung. 1 7. Durchsuchung gegenüber militäri- 
schen und anderen Lazarettschiffen. 
# 1. Rechtliche Grundlagen. Dem heute an- 
erkannten Grundsatz der Freiheit der offenen See 
entspricht es, daß kein Staat auf offener See 
fremden Schiffen gegenüber Akte der Jurisdiktion 
oder Verwaltung vornehmen darf. Modifikatio- 
nen dieses Grundsatzes können a) durch Einzel- 
verträge und Kollektivakte der Mächte in der 
Richtung geschaffen werden, daß den kontrahieren- 
den Mächten gegenseitig bezüglich der Privat- 
schiffe ihrer Nationalität zu bestimmten Zwecken 
das Recht der Anhaltung, das Recht, die Schiffs- 
papiere zu prüfen, das Durchsuchungs- 
recht und das Recht der Beschlagnahme einge- 
räumt wird. Ferner b) bringt der mit dem Aus- 
bruch eines Seekrieges gegebene Ausnahme- 
zustand gewisse Modifikationen der Meeresfreiheit 
mit sich, die in dem gewohnheitsrechtlich und durch 
Verträge anerkannten Rechte der Durchsuchung 
neutraler Privatschiffe bestehen. 
haltung und Durchsuchung feindlicher Pri- 
vatschiffe steht in engster Beziehung zu dem im 
heutigen Seekrieg noch grübten Scebeuterecht. 
c) Die Anhaltung und Durchsuchung von Privat- 
schiffen, die des Seeraubs verdächtig sind, ist ein 
Ausfluß des Rechts und der Pflicht der zivilisier- 
ten Mächte, den Seeraub zu bekämpfen. Die an- 
erkannte Rechtswidrigkeit des Seeraubs legiti- 
miert jeden an der Sicherheit des Verkehrs 
auf hoher See interessierten Staat, durch be- 
treffende innerstaatliche Normen seine Organe zur 
Verfolgung von Seeräubern zu ermächtigen; mit 
der Rechtmäßigkeit des Zwecks ist auch die Recht- 
mäßigkeit der entsprechenden Mittel: der Ver- 
folgung, Anhaltung und Durchsuchung von 
Seeräuberschiffen auf hoher See gegeben. Diese 
Ausnahme von dem Prinzip der Meeresfreiheit ist 
infolge des absoluten Charakters des völkerrechtli- 
chen Verbots des Seeraubs räumlich in keiner Weise 
beschränkt. Was insbesondere die Fälle ad a) be- 
trifft, so kommen vor allem die Staatsverträge in 
Betracht, welche von den zivilisierten Mächten 
zum Zwecke der Bekämpfung des Sklavenhan- 
dels abgeschlossen wurden, nämlich der (sog. Quin- 
tupel--) Vertrag zwischen England, Oesterreich, 
Preußen (Deutsches Reich nach dem Ueberein- 
kommen v. 29. 3. 79 — Rul 1880 S 1980), 
Rußland und Frankreich (von Frankreich nicht 
ratifiziert) v. 20. 12. 44, die Berliner Generalakte 
v. 26. 2. 85 und neuestens die Brüsseler Anti- 
sklavereiakte v. 2.7.90, durch die eine abschließende 
Kodifikation der völkerrechtlichen Bestimmungen 
Über die Bekämpfung des Sklavenhandels zu Lan- 
de und zur See vollzogen wurde (ogl. bezüglich 
des D. a 22, 42 ff der Antiftl.-Akte). Die Aus- 
übung des D. beschränkt sich auf die in der Anti- 
sklavereiakte normierte Zone (a 20, 21). — Dem 
Bedürfnisse einer polizeilichen Ordnung der Hoch- 
seefischerei in der Nordsee dient der am 6. 5.82 
im Haag zwischen den Uferstaaten der Nordsee 
abgeschlossene Vertrag. Die Befolgung der zum 
Schutze ungestörter Ausübung der Fischerei 
durch die Angehörigen dieser Staaten gegebenen 
Vorschriften wird durch die Kreuzer der kontrahie- 
renden Staaten überwacht; zu diesem Zwecke 
sind letztere ermächtigt, bei begründetem Ver- 
Durchsuchungsrecht (Völkerrecht) 
Die An- 
  
  
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dacht einer Uebertretung der Vorschriften obigen 
Vertrags auch ihrer Nationalität nicht angehörige 
Fischerfahrzeuge zu besuchen und zu durchsuchen. 
Das gleiche Recht haben sich diese Mächte zum 
Zwecke der Einschränkung der fahrenden Brannt- 
weinschenken für die Fischer der Nordsee in dem 
Haager Vt v. 16. 11. 87 eingeräumt. Fischereil. 
2. Partikularrechtliche Beschränkungen. 
Die Ausübung des D. in Eigengewässern (zum 
Zwecke der Verfolgung von Verbrechern oder der 
Zollrevision) kann partikularrechtlich durch Einzel- 
verträge beschränkt sein, so z. B. wenn in dem 
Konsular Vt zwischen dem Deutschen Reich und 
den Vereinigten Staaten von Nordamerika v. 
11. 12. 71, a 12 Abs 2 bestimmt ist, daß die Ge- 
richtsbechörden und Zollbeamten in keinem Falle 
zur Besichtigung oder Durchsuchung von Handels- 
schiffen schreiten dürfen, ohne den Konsularbeam= 
ten der Nation, welcher die gedachten Schiffe an- 
gehören, behufs ihrer etwaigen Gegenwart vor- 
her Nachricht gegeben zu haben. FE 
8 3. Das Durchsuchungsrecht im Kriege. Im 
Kriege fungiert das D. als Mittel der Ausübung 
des Seebenterechts gegenüber feindlichen Privat- 
schiffen und des Repressivrechts gegenüber neutra- 
len Handelsschiffen, die durch Blockadebruch oder 
Zufuhr von Kriegskontrebande oder sonstige Un- 
terstützung einer Kriegspartei einer Verletzung 
der Neutralitätspflichten verdächtig oder schuldig 
sind. Soweit nicht das nationale Recht oder 
Staatsverträge etwas anderes normieren, kann 
dieses Recht von denjenigen Staaten, die der Pa- 
riser Scerechtsdeklaration v. J. 1866 bezüglich 
der Abschaffung der Kaperei nicht beigetreten 
sind, auch durch autorisierte Kaper ausgeübt 
werden; derzeit auf Grund des Abkommens VII 
der Haager Konferenz v. 18. 10. 07 auch von 
Kauffahrteischiffen, die nach den Vorschriften 
dieses Abkommens in Kriegsschiffe umgewandelt 
sind und sonach (a 1 des Abk.) die mit dieser 
Eigenschaft verbundenen Rechte und Pflichten 
haben, wenn die Voraussetzungen des Abkom- 
mens (al ff) erfüllt sind. 
Das D. kann nur während des Krieges, nicht 
während des Waffenstillstandes (streitig) und nur 
innerhalb des Scekriegsfelds (Eigengewässer der 
Kriegsparteien und offene See) ausgeübt werden. 
In Seegebieten, die dem Kriegsfeld fern liegen, 
sollte das D. nur in Fällen dringenden Verdachts 
einer Neutralitätsverletzung ausgeübt werden. 
Die Anhaltung und Durchsuchung eines Privat- 
schiffes in neutralen Gewässern ist eine Verletzung 
des Neutralitätsrechts, die den neutralen Staat 
zur Verhinderung der kriegerischen Aktion (a 5 
Abs 2 Abkommen V, a 1, 2 Abk. XIII der Haager 
Konferenz 1907) und zur Aufhebung der Wirkung 
der Aktion (Pflicht zur Befreiung der Prise) ver- 
pflichten. 
§s 4. Regeln der Ausübung. Die Ausübung 
des D. erfolgt nach bestimmten Regeln. Zum 
Zwecke der Feststellung der Nationalität eines 
Privatschiffes ist dieses unter Beobachtung ge- 
wisser Förmlichkeiten an zuhalten. Zeigt 
das Schiff die feindliche Flagge, sucht es zu ent- 
weichen oder widersetzt es sich, so kann es sofort 
genommen werden; andernfalls sendet der Kapi- 
tän des Kriegsschiffes einen Offizier und einige 
Mann an Bord des Privatschiffes, um die 
Schiffspapiere zu unter suchen.
	        
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