Ebenbürtigkeit (Mißheirat)
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werden kann, wie das z. B. im Hause Leiningen
eschehen ist, ohne daß im Zweifel für die E. von
Heiningen gegenüber Dritten hieraus nachteilige
Folgen abgeleitet werden könnten.
Aus unseren bisherigen Ausführungen ergibt
sich schon, daß das E. Prinzip nur noch für den
hohen Adel besteht, daß also, wie schon im
Mittelalter, für Ehen des niederen Adels Eben-
burt grundsätzlich nicht gefordert werden kann.
Das preußische Allgemeine Landrecht (§ 30 II 1)
verlangte zwar auch für den niederen Adel E.
und erklärte Ehen einer „Mannsperson von Adel“
mit „Weibspersonen aus dem Bauern= oder ge-
ringeren Bürgerstande“ wegen Ungleichheit des
Standes für nichtig (§5 940 II 1). Diese Vorschrif-
ten sind aber durch Gv. 22. 2. 69 aufgehoben
worden. Jedoch kann natürlich auch heute noch
im niederen Adel das Erfordernis der E. stiftungs-
gemäß aufgestellt werden, wie denn vielfach die
E. Voraussetzung ist für die Vollwirksamkeit der
Ehen in Bezug auf Sukzession der Kinder in Fidei-
kommisse, Stiftungen, Ordensinstitute u. dergl. m.
s 3. Die Mißheirat und ihre Folgen. Die
Ehe eines Mitgliedes des hohen Adels mit einem
unebenbürtigen Ehegatten ist zwar eine bürgerlich
und kirchlich gültige Ehe, sie hat jedoch nicht die
vollen Wirkungen einer Ehe: sie ist, wie die alten
Juristen sagten, ein matrimonium ratum, non
legitimum, sie ist eine Mißheirat. Die Besonder-
heiten der Mißheirat zeigen sich an ihrer Wirkung
1. für die Ehegatten: a) wenn die Frau, b) wenn
der Mann unebenbürtig ist; 2. für die Kinder.
1) a) Die unebenbürtige Frau tritt nicht in den
Stand des Mannes ein, sie teilt nicht seinen Rang
und seinen Namen; vielmehr behält sie ihren bis-
herigen Stand (falls ihr nicht ein Adelstitel ver-
liehen wird) und ihren Familiennamen, erwirbt
aber das Prädikat „Frau“z; sie hat keinen Anspruch
auf die standesrechtlichen und hausgcsetzlichen Ver-
mögensvorteile während und nach der Ehe, jedoch
stehen ihr gegenüber dem freien Vermögen des
Mannes Alimentationsansprüche und gesetzliches
Erbrecht nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts
u. Für den Mann selbst, der eine Mißheirat
schüesl, hat diese gemeinrechtlich keine nachteili-
gen Folgen; das Hausgesetz kann aber solche Fol-
gen bestimmen und insbesondere dem Mißheira-
tenden die Fähigkeit zur Erbfolge in das Haus-
vermögen absprechen. — b) Bei der Mißheirat
einer hochadeligen Dame bleibt der unebenbürtige
Mann selbstverständlich von jeder Beziehung zu
Rang, Stand und Hausgut der hochadeligen Fa-
milie ausgeschlossen. Für die unebenbürtig heira-
tende Frau gilt im allgemeinen dasselbe, wie für
den unebenbürtig heiratenden Mann, Besonder-
heiten bestehen jedoch für ihren Namen und Stand.
Schon im 17. und 18. Jahrhundert bestand Streit
darüber, ob die Frau durch unebenbürtige Ver-
heiratung ihren Stand verliere, oder ob sie ihn
beibehalte, oder ob sie ihn nur für die Dauer der
Ehe verliere, oder ob sie ihn über die Beendigung
der Ehe hinaus solange verliere, bis er durch eine
spätere ebenbürtige Ehe wieder auflebe (letztere
Auffassung ist im preuß. Allg. Landrecht als
Rechtssatz für den niederen Adel (§N 685 II 2,
83 II 9]1 anerkannt worden). Im älteren Recht
galt zweifellos für den Hochadel der stärkere Satz,
daß mit Beendigung der Ehe schon der hohe Adel
der Frau wieder auflebe. Dieser hat sich jedoch
allmählich zu dem noch stärkeren ausgebildet, daß
die unebenbürtig verheiratete hochadelige Dame
ihren Namen und Stand, ganz unberührt von der
Eheschließung, beibehält. — 2) Für die Kinder aus
einer unebenbürtigen Ehe gilt noch heute dasselbe
wie nach altem deutschem Recht: sie folgen der
ärgeren Hand. Das zuweilen behauptete Her-
kommen, daß die Kinder eines hochadeligen Va-
ters und einer bürgerlichen Mutter wenigstens
niederen Adel erlangen, ist nicht nachweisbar und
wird daher von der herrschenden Lehre verneint.
Die Kinder aus unebenbürtigen Ehen sind niemals
Mitglieder des hochadligen Hauses ihres höher-
geborenen Parens und sind daher von allem
Anteil an den Rechten und Vermögen dieses Hau-
ses ausgeschlossen, insbesondere fehlt ihnen das
Sukzessionsrecht in alle Güter, welche an die hoch-
adlige Familie gebunden sind. Hingegen haben
sic selbstverständlich (ebenso wie der unebenbürtige
Ehegatte) Alimentations= und Sukzessionsan=
sprüche gegenüber dem freien Vermögen des
höhergeborenen Parens.
Dies sind die Folgen der Mißheirat nach ge-
meinem Privatfürstenrecht. Sie ktreten entspre-
chend der allgemeinen Natur dieses Rechtes als
eines subsidiären nur dann ein, wenn nicht eine
spezielle hausgesetzliche Regelung vorliegt. Sie
können aber auch weiterhin noch durch Ver-
trag ausgesprochen werden. In diesem Falle
sprechen wir von einer morganatischen
Ehe. Der Vertrag, der die morganatische Ehe
begründet, kann die vom Privatfürstenrecht an
die Mißheirat geknüpften Folgen hinsichtlich des
Ausschlusses der Frau und der Kinder vom Stan-
desrecht des hohen Adels weder mindern noch
mehren, sondern lediglich im einzelnen feststellen.
Dagegen kann er gleichzeitig die der Frau und
den Kindern zum Ersatz eingeräumten persönlichen
Rechte und Vermögensvorteile im Rahmen der
allgemeinen Rechtsordnung beliebig regeln. Früher
bestand Streit darüber, ob die morganatische Ehe
nur bei unebenbürtigen oder auch bei ebenbürti-
gen Ehen zulässig sei. Die durchaus herrschende
Lehre der jetzigen Wissenschaft beschränkt sie auf
die unebenbürtige Ehe, u. E. mit Recht, denn der
Staat gestattet im Privatfürstenrecht nur eine
Disposition über die Erfordernisse der E. und die
Wirkungen der Unebenbürtigkeit. Ist eine Ehe
aber nach Hausrecht oder gemeinem Privatfürsten-
recht einmal ebenbürtig, so ist sie ein matrimonium
legitimum und hat dessen Wirkung, zu deren ver-
tragsmäßiger Abänderung keine rechtliche Mög-
lichkeit gegeben ist.
Während der die morganatische Ehe begrün-
dende Vertrag das Wesen und die Wirkung der
Mißheirat nicht verändert, führt eine andere
Institution des Privatfürstenrechtes eine Aufhe-
bung der Mißheiratswirkung herbci. Es ist dies
die „Heilung“ der Mißheirat, durch die die be-
treffende Ehe nachträglich zu einer der ebenbürti-
gen an Wirkung gleichen umgewandelt wird.
Diese Umwandlung vorzunehmen sind rechtlich
imstande die jeweiligen zur Rechtssetzung auf dem
Gebiete des E.Rechts befugten Faktoren. Bei den
regierenden Familien kann deshalb die Autonomie
in diesem Punkte beschränkt sein durch die Ver-
fassungsgesetzgebung; für die standesherrlichen
Familien wird sich die Umwandlung regelmäßig
durch einen Akt der Hausgesetzgebung vollziehen,
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