Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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in Württemberg (Justizminister), Braun- 4 
schweig (Oberlandesgecricht), Bremen (zu- das Verfahren zu dem Ende fortführen zu lassen, 
ständiges Gericht). In Württemberg scheint der um durch Gerichtsbeschluß ein Amtszeugnis über 
König auch sachlich an das Gutachten gebunden 
zu sein, wenigstens, wenn es Gründe für eine A. 
verneint. Von einem Gesetze (nicht genau Meyer- 
Anschütz) ist die A. in Preußen abhängig, so- 
bald die Sache an das erkennende Gericht gediehen 
war; das Gesetz ersetzt den A. Akt nicht, sondern 
bedingt ihn; übrigens wäre auch eine Notverord- 
nung nicht ausgeschlossen (a. M. v. Rönne). 
2. Die wichtigste Schranke besteht für die Mi- 
nisteranklage [UMinisters. Sie ist oft für die 
A. ausdrücklich gesetzt (Sachsen 150, Würt- 
temberg 205, Hessen 50, Braun- 
schweig 11I, Koburg-Gotha 176, un- 
vollständig v. Frisch, Verantwortlichkeit der Mo- 
narchen 1904 S 313), würde sich aber auch sonst 
aus dem Wesen der Ministerverantwortlichkeit 
ergeben (Frisch 311). Hervorgehoben wird in 
Oldenburg (203), daß der Landtag „auf sein 
Klagerecht verzichten und eine bereits erhobene 
Anklage jederzeit fallen lassen kann"“. Die Aus- 
nahme erweitert sich, wo, wie in Württemberg 
(199) oder Oldenburg (202), Braunschweig (108) 
die Anklage vor dem Staatsgerichtshof auch gegen 
andre Personen zugelassen ist. — In Hessen 
ist die A. bei Dienstverbrechen der Beamten aus- 
geschlossen. 
3. Zeitlich ist die A. mit Erlaß des Urteils 
in all den Fällen ausgeschlossen, wo die Verfassung 
von einem A. Rechte spricht, bevor auf Bestrafung 
„erkannt“" worden ist (WWürttemberg 97, 
Koburg-Gotha 140). Auch für Preu- 
ßen läßt sich in gewissem Sinne von einer zeit- 
lichen Grenze sprechen. 
4. Eine Amnestic kann in Hamburg (62) 
nur als Gesetz ergehen. 
§ 6. Tragweite der Abolition. I. Die A. steht 
dem Landesherrn für jedes Verfahren zu, das 
mit einer Straffolge verknüpft sein kann, also auch 
im Disziplinarverfahren, wo dies nicht (wie im 
Reiche) grundsätzlich versagt ist. Wo für die A. 
eine gesetzliche Schranke besteht, gilt dies im Zwei- 
fel nur für das Verfahren vor den mit der Straf- 
verfolgung insgemein betrauten Organen; dahin 
gehören auch die Organe der Militärgerichtsbar- 
keit [7 dies; bei der polizeilichen Strafverfü- 
gung und dem Strafbescheid der Steuerbehörden 
also bis zur Vorlegung der Akten beim Amtsgericht 
(454, 460 St PO). Ob das Verfahren nur auf An- 
trag stattfinden konnte oder ob es eine Privatklage 
war, macht keinen Unterschied (anders Binding), 
wiewohl das Unbefriedigende der A. sich hier be- 
sonders fühlbar macht. Einen Ausgleich der In- 
teressen könnte hier die beizubringende Zustim- 
mung des Verletzten treffen (so bei der Amnestie 
des Kaisers Friedrich 1888). Ueberhaupt ist eine 
A. unter ausfschiebender Bedingung — z. B. in 
Sachsen die Leistung eines „Bezeigungsquantums“ 
(Heimberger 74) — oder für den Fall guter Füh- 
rung, wie es in Sachsen als Form der bedingten B 
gewählt ist (V 25. 3. 95, v. Liszt, Vergleichende 
Darstellung des Strafrechts V 46) weder unzu- 
lässig noch unratsam, wenn nicht die Bedingung 
selbst, wie früher z. B. als Auswanderung, anstößig 
ist. Von einer Zustimmung des Verdächtigten ist 
die A. nicht abhängig; der Beschuldigte hat auch 
keine Möglichkeit, wie sie ihm zweckmäßig die 
  
  
  
Abolition 
österreichische St PO v. 1853 §# 180 einräumte, 
seine Schuldlosigkeit zu erwirken. 
II. Grundsätzlich wirkt die A. das Aufhören der 
Verfolgung unmittelbar und dauernd (Ausnah- 
me bei nicht genehmigter Notverordnung in 
Preußen) mit dem Eingange der A.Erklärung bei 
der verfolgenden Behörde. Ein Einstellungs- 
beschluß — so formuliert RG 33 S204 — könnte 
nur noch deklaratorische Bedeutung haben. 
Die Wirkung ist auf die nach dem Inhalte des 
A.Aktes begünstigte Person beschränkt. Wenn auch 
nicht mehr rechtlich wirksam, so doch von rechts- 
politischer Bedeutung ist aber die Vorschrift der 
prcußischen Kriminal O 5 91, daß die A. eines Ver- 
brechers die U zugunsten sämtlicher Teilnehmer 
niederschlage. Die A. betrifft die einzelne Tat, 
gleichgiltig, wie sie zu qualifizieren ist (Ideal- 
konkurrenz). Die Kosten des Verfahrens fallen 
der Staatskasse zur Last; auch bei Privatklagen, 
da § 503 Abs 2 St POschon formell nicht paßt 
und sich sonst eine nicht beabsichtigte Unbilligkeit 
ergeben würde. Die Wirkung reicht nicht weiter, 
als daß sie den Fortgang des Verfahrens unmöglich 
macht und alle unmittelbaren Folgen des Ver- 
fahrens beseitigt (Haft, Suspension vom Amte). 
Sie löscht nicht die Tat aus, wohl aber soll sie die 
Tatsache der Verfolgung ungeschehen machen. 
Darnach ist die Wirkung in Fällen wie Preu- 
hen V über die Bildung der I. Kammer 12. 10. 
54 J+9 oder Hessen Vl 60 einerseits, § 190 
Satz 2 StGB andrerseits zu beurteilen. Doch 
wird man annehmen dürfen, daß die A. eines 
Beamten zugleich ein Hemmnis für die disziplinare 
Verfolgung wegen derselben Tat bilden soll. 
III. Die räumliche und potentielle Tragweite 
der A. ist zweifelhaft. Zur A. berufen ist jeder 
Landesherr, dessen Behörden mit dem Straffalle 
befaßt sind oder befaßt werden können, d. i. der- 
jenige, in dessen Gebiet sich die Grundlage für 
einen Gerichtsstand aus §#§# 2, 7—1I, 13 St O 
findet. Sein Befehl begrenzt sich aber mit seiner 
Gebietshoheit, sodaß u. U. die Verfolgung nur 
für einen Staat niedergeschlagen, für einen andern 
aber noch möglich ist. & 5 Ziff 2 StohB (wenn. 
man darin unter „Erlaß der Strafc"“ die A. mit- 
begreift) ist in seinen Motiven nicht bestimmt ge- 
nug, um für diese Frage in Betracht zu kommen. 
Nach dem Sinne des &Kl 12 St PO wird man an- 
nehmen müssen, daß sich in diesem Falle fortan 
wie das Recht zur Verfolgung auch das Recht zur 
A. auf den Gewalthaber dieses Staates konzen- 
triert hat. Dabei ist es gleichgiltig, ob der Landes- 
herr allein die Gerichtsgewalt über das erken- 
nende Gericht innehat oder ob er sie mit andern 
Staaten teilt, wie dies durch Staatsverträge 
mehrfach bestimmt ist, so für das Fürstentum Bir- 
kenfeld das preußische Landgericht Saarbrücken, 
für das Fürstentum Sondershausen das Land- 
gericht Erfurt, für Lippe das preußische Amts- 
gericht Lippstadt, für das Fürstentum Lübeck das 
Landgericht Lübeck (das BRecht steht dem Landes- 
herrn zu, aus dessen Gebiet die Strafsache er- 
wachsen ist). In diesen einzelnen Vereinbarungen 
drückt sich aber ferner noch unausgesprochen ein 
Grundsatz aus, der allgemeinere Geltung bean- 
sprucht: es ist nämlich in keinem Falle dann eine 
Vereinbarung über die B getroffen, wenn die
	        
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