Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

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Eisenbahnen 
  
— — 
vorzog, zur Beseitigung jeder Unklarheiten und 
zur Sicherung des Rechtszustandes eine allgemein 
gültige Grundlage zu schaffen. In den übrigen 
großen deutschen Bundesstaaten begann, wie im 82 
bemerkt, der Staat gleichzeitig mit oder bald nach 
Entstehung der ersten Privatbahnen den Bau 
eigener Bahnen auf Staatsrechnung, für deren 
Anlage und Betrieb zunächst die Bestimmungen 
des gemeinen Rechts ausreichten. Für die Reichs- 
lande Elsaß-Lothringen sind gleichfalls 
landesrechtliche Bestimmungen nicht ergangen. 
Das dortige E.Netz — die „Reichsbahnen in Elsaß- 
Lothringen“ — ist Eigentum des Reichs und wird 
für Rechnung des Reichs durch eine vermittelst 
Erl v. 9. 12. 71 (Röhl 480) eingesetzte Kaiserl. 
Generaldirektion der E. in Elsaß-Lothringen ver- 
waltet, die dem durch Erl v. 27.5.78 (RG#Bl 1879, 
193) errichteten Reichsamt für die Verwaltung 
der Reichs E. unterstellt ist. In Bayern sind 
durch eine Kal V v. 20. 6. 55 Bestimmungen über 
die Erbauung von Eisenbahnen ge- 
troffen. In Baden gilt das G v. 23. 6. 00 
betr. das Genehmigungsverfahren bei E.Anlagen 
(GV#BI XXIX, Archiv für E.Wesen 1902, 215). 
Es enthält in 12 Paragraphen ausschließlich Be- 
stimmungen über die Genehmigung des Baues 
und Betriebes von E., die für den öffentlichen 
Verkehr bestimmt sind und nicht vom Staate 
unternommen werden, wobei es unterscheidet (&3) 
zwischen Hauptbahnen, Nebenbahnen und Klein- 
bahnen. Der Inhalt und die Form der Genehmi- 
gungsurkunden werden festgesetzt. In Olden- 
burg ist unter dem 7. 1.02 ein Bahngesetz 
für das Herzogtum Oldenburg erlassen, (abge- 
druckt im Archiv für E.Wesen 1902, 694 ff). Es 
zerfällt in 4 Abschnitte. I. E. für den öffentlichen. 
Verkehr; II. Privatanschlußbahnen; III. Bahn- 
verbände; IV. Schlußbestimmungen. In dem 
I. Abschnitt sind Bestimmungen getroffen über 
die Genehmigung der E. — wobei gleichfalls 
Hauptbahnen, Nebenbahnen und Kleinbahnen 
unterschieden werden —, über die Einzelausfüh- 
rung, die Planfeststellung, Betriebseröffnung, 
Aufsichtsführung und Erneuerungsfonds, Erlöschen 
der Genehmigung. Entsprechende Bestimmungen 
für Privatanschlußbahnen enthält Abschnitt II. — 
Bahnverbände (a 31) sind Vereinigungen von 
Amtsverbänden, Gemeinden und Ortsgenossen- 
schaften, die sich durch Vereinbarung eines Bahn- 
verbandsstatutes zum Bau und Betriebe von E. 
zusammenschließen. In den übrigen Artikeln sind 
Festsetzungen über die rechtliche Stellung dieser 
Verbände, den Inhalt des Bahnverbandsstatutes, 
die Auflösung der Verbände enthalten. 
2. Systematische Zusammenfassung 
5l 5. a) Entstehung (Konzession, Gesetz); Ban 
der Eisenbahnen. Die Eigenschaft der E. als 
öffentliche, monopolistisch betriebene Verkehrs- 
mittel erfordert, daß ihre Entstehung nicht ohne 
die Mitwirkung der Staatsgewalt, in Deutschland 
in der Regel der Einzol staaten, erfolgen kann. 
Das Reich als solches hat nach a 41 RV das Recht 
der Anlage und Konzessionierung nur solcher E., 
die für die Verteidigung oder im Interesse des 
allgemeinen Verkehrs für notwendig erachtet 
werden. Von diesem Rechte ist bisher kein Ge- 
brauch gemacht worden. Dagegen hat das Reich 
  
häufig den Bau neuer oder die Erweiterung be- 
stehender Bahnen finanziell unterstützt, wenn die 
neuen Anlagen wesentlich für die Landesverteidi- 
gung von Bedeutung waren. In Elsaß-Lothringen 
erfolgt der Bau von Michs bahnen auf Grund 
eines Reichs gesetzes, Privatbahnen werden von 
der Landesregierung konzessioniert. Der Bau von 
Staatsbahnen erfolgt nach besonderen, von Fall 
zu Fall erlassenen Gesetzen. Die Erlaubnis 
zur Anlage von Privatbahnen wird von dem 
Landesherrn erteilt. Anträge sind an die oberste 
Verwaltungsbehörde zu richten, in Preußen er- 
folgt die Entscheidung darüber unter der Mit- 
wirkung des Staatsministeriums. Die Privat- 
bahnen erhalten durch die Konzession die Rechte 
der juristischen Person. In ihrer Eigenschaft als 
Aktiengesellschaften sind sie den Bestimmungen des 
Handelsgesetzbuchs unterworfen (vgl. unten # 7, 
im übrigen den Art. Eisenbahnkonzes- 
sionen S 661). 
Für den Bau der E. wird — bei Staatsbahnen 
in der Regel durch besonderen landesherrlichen 
Erlaß, bei den Privatbahnen in der Konzessions- 
urkunde — das Enteignungsrecht ver- 
liehen; auch sind für die Privatbahnen konzessions- 
mäßig Fristen vorgesehen, innerhalb deren die 
Bahn betriebsfähig fertig zu stellen ist. Ebenso 
enthalten die Konzessionen Bestimmungen über 
die Höhe des Baukapitals, die Art seiner Auf- 
bringung und die Beschaffung der Geldmittel. 
Der Bau der Staatsbahnen erfolgt nach den- 
selben allgemeinen Grundsätzen, nach denen son- 
stige Staatsbauten ausgeführt werden, durch die 
E. Verwaltungsbehörden, die der Landesherr da- 
für bestimmt, in der Regel die Behörden, inner- 
halb deren Gebiete die neu zu bauende Bahn- 
strecke belegen ist. Die Beschaffung der Geldmittel 
geschieht, soweit nicht Fonds zur Verfügung stehen 
— wie dies beispielsweise in Preußen die Reserve- 
und Erneuerungsfonds der vom Staate seit 1879 
erworbenen Privatbahnen waren — im Wege der 
Anleihe. Seitdem die überwiegende Mehrzahl der 
vom Staate neu gebauten Bahnen Nebenbahnen 
sind, erfolgt ihr Bau vielfach — insbesondere in 
Preußen — nur unter der Bedingung, daß der 
zum Bau der Bahn erforderliche Grund und Boden 
von den Anliegern unentgeltlich hergegeben oder 
ein dem Wert des Grund und Bodens entspre- 
chender Geldbeitrag gezahlt, auch die Mitbenutzung 
der Chausseen und der öffentlichen Wege ohne 
besondere Entschädigung gestattet wird. Eine 
dahingehende Bestimmung wird regelmäßig in die 
preußischen Gesetze, betr. die Erweiterung des 
Staats E.Netzes, ausgenommen (vgl. den Aufsatz: 
Das Sekundärbahnwesen in Preußen seit dem 
Jahre 1879 im Archiv für E. 1884, 115 ff). Ueber 
die Ausführung und den Stand der Staats E. 
Bauten wird in Preußen dem Landtage alljähr- 
lich ein besonderer Bericht (der sogen. Baubericht) 
erstattet, in dem insbesondere auch über die Ver- 
wendung der gesetzlich zugewiesenen Mittel Rechen- 
schaft abgelegt wird. Die verausgabten Gelder 
werden der Staats-E. Kapitalschuld zugeschrieben. 
86 b) Verwaltung und Betrieb. Fimanzielles. 
Aufsicht. 
I. Die Staatsbahnen werden durch 
staatlich eingesetzte, aus Staatsbeamten bestehende. 
Behörden (E. Direktionen, Generaldirektionen der 
E.) verwaltet, die den Ministerien (im Reich dem
	        
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