Eisenbahnen (IV. Tarife)
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Verhandlungen durch eine „ständige Ta—
rifkommission“" unter Mitwirkung eines
est ändigen Ausschusses der Ver-
kehrsinteressenten“ vorbereitet werden
(Ulrich, ETWesen 281). Wichtigere Aenderungen
sind in Preußen vom Landeseisenbahn-
rat zu begutachten, wie ihm auch alljährlich die
dem Staatshaushalts-Etat beizufügende Ueber-
sicht der Normaltransportgebühren vorzulegen ist
814 Gv. 1. 6. 82 Ge 313 und E. WBl 239).
Neben dem Normaltarif mußten bei seiner Ein-
führung zur Schonung bestehender Verhältnisse
von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung für
einzelne Güter oder Gütergruppen allgemein
oder für bestimmte Verkehrsrichtungen Aus-
nahmetarife beibehalten und auch später
— angesichts der großen Mannigfaltigkeit der
Wechselbeziehungen im wirtschaftlichen Leben —
neu eingeführt werden. Man war dabei bestrebt,
ungerechtfertigte oder unnötige oder dem Ge-
meinwohl nachteilige Sondertarife zu beseitigen
und neue Ausnahmetarife nur da zu gewähren,
wo wichtige öffentliche Interessen eine Aus-
nahme von der normalen Tarifbildung erheisch-
ten. In Preußen waren folgende Gesichtspunkte
hierfür leitend: 1. die Förderung der
einheimischen Produktion — der
gewerblichen und der landwirtschaftlichen —
durch Erleichterung der Zufuhr
ihrer Roh= und Hilfsstoffe; 2. die
örderung des Absatzes einhei-
ischer Erzeugnisse goegenüber frem-
em Wettbewerb — namentlich auch durch Er-
eichterung der Ausfuhr; 3. die
örderung des Handels deutscher
Handelsplätze — besonders der deutschen
Seehäfen gegenüber dem Wettbewerb fremder
Häfen; 4. die Unterstützung deutscher
Verkehrsanstalten, namentlich der Staats-
bahnen, gegen den Wettbewerb fremder E. und
Wasserstraßen. (Die Entwickelung der Güter-
tarife der preußisch-hessischen Staatsbahnen, Arch
für E. Wesen 1905 S 86; Nr. 47 der Drucksachen
des Landeseisenbahnrates von 1884 in den Drucks.
des Abg.-Hauses von 1885; Fleck, Betriebs-Ral.
200). Anordnungen wegen Zulassung und Ver-
sagung von Ausnahmetarifen sind — abgesehen
von dem Falle der Dringlichkeit — in Preußen
dem Landeseisenbahnrat zur Aeußerung vorzu-
legen (5 14, 16 G v. 1. 6. 822, GS 313 und E. Bl
S 239).
Ebenso wie für den Güterverkehr ist für die
Beförderung von Leichen, Fahrzeugen
und lebenden Tieren von den deut-
schen E. ein einheitliches Tarifschema vereinbart,
das in gleicher Weise fortgebildet wird.
2. Auch für den Personen= und Gepäck-
verkehr haben sich 1905 die deutschen Staats-
E. über ein einheitliches Tarisschema mit überein-
stimmenden Tarifsätzen verständigt. Danach wur-
den die Einheitssätze für 4 Wagenklassen auf 7,
4½, 3 und 2 Pfg. für das km festgesetzt. In
Bayern und Baden wurde indessen eine 4. Klasse
nicht eingeführt, vielmehr der niedrigste Satz
(2 Pfg.) für die 3. Klasse in Personenzügen be-
rechnet. In Württemberg ist 1909 der Satz der
4. Klasse auf 2,3 Pfg. erhöht. Für Schnellzüge
wird allgemein ein bestimmter Zuschlag er-
hoben. Auch die Gepäckfracht wird überall nach
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übereinstimmenden Sätzen berechnet (s.
d. Pr. Denkschrift über die Personentarifreform
v. 10. 10. 05, Drucks. des LER. 1905 Nr. 13,
Vhdl des LER. v. 15. 12. 05 Ziff. 1. Drucks. des
Abg.-Hauses 1905/06 Nr. 25). Der neue Ein-
heitstarif ist am 1. 5. 07 in Kraft getreten. Die
Privatbahnern haben nur z. T. die gleichen
Sätze angenommen und erheben vielfach noch
ihrè alten, meist höheren, Tarife.
Quellen sind im Texte angegeben; serner im allge-
meinen: Arch für E.Wesen, herausgegeben im Min der
öffentlichen Arbeiten; Jährliche Betriebsberichte der Preuß.
Staats E. bes. 1878/79 und 1880/81; Vhdl des Preuß.
Landeseisenbahnrats; Gesetze und Verordnungen über das
E.Wesen in dem „HB der Gesetzgebung in Preußen und dem
Deutschen Reich“ (von Graf Hue de Grais, 1906) in dem
Teil „Die Eisenbahnen“ von Fritsch.
Literatur: Ulrich, Das E Wesen, 1886; Staf-
feltarise und Wasserstraßen, 1894; „Gütertarise“ in Rölls
Enzyklopädie des gesamten E.Wesens, 4. Bd.; Die fort-
schreitende Ermäßigung des Gütertarifs in Jahrbüchern
Nat Oek 1891 S 64 f; Perrot, Die Differentialtarife
der E., 1874; Reitzenstein, Die Gütertarise der E.,
1874; Krönig, Die Differentialtarife der E. 1877;
Michaelis, Volkswirtschaftliche Schriften, 1873; Sax,
Die Verkehrsmittel in Volks= und Staatswirtschaft, 1878;
Transport= und Kommunikationswesen in Schönberg I;
Schreiber, Das Tarifwesen der E., 1889; Die E. als
öffentliche Berkehrseinrichtungen und ihre Tarifpolitik,
1889: Wagner, Lehrbuch der politischen Oekonomie
5. Bd. Finanzwissenschaft. — Die Entwicklung des Güter-
tariswesens der deutschen E., herausgegeben von dem Ver-
ein der Privateisenbahnen im Deutschen
Reich, 1879; Von demselben: Der Gesetzentwurf
betr. das Gütertarifwesen der deutschen E., 1879; Engel,
Der Zonentarif, 1891; Ulrich, Personentarifreform und
Zonentarif, 1892; Archiv für Eisenbahnwesen,
insbesondere die Aufsätze von Todt, Personenverkehr,
Jahrg. 1886 S12 ff, Ulrich, Zur Geschichte des deutschen
Ec Wesens, 1885 S 162, 280; Heinsius, Beilagenheft
zu Jahrg. 1885. Die Entwickelung der Gül-
tertarife der preußisch-hessisch en Staats-
Eisenhahnen, Jahrg. 1905 S 80 ff (aus dem Rünz
v. 30. 11. 04). — Lehmann, Erläuterungen zum deut-
schen E. Gütertarif, 1888; Bräsicke, Die Reform der
E.Gütertarife mit besond. Rücksicht auf die Hebung der ost-
deutschen Landwirtschaft, 1890ö; Festschrift Ber-
lin und seine Eisenbahnen, 1846/1896, heraus-
gegeben im Auftrage des Ministers der öffentlichen Arbeiten,
1896 Bd. 1, Einleitung S 14, Bd. 2 S 75 ff (Personen=
tarise) und S 151 ff (Gütertarise); Rank, Das Es Wesen
in seiner Beziehung zu Volkswirtschaft und Verwaltung,
1895; Die EcTechnik, 1902; Launhardt, Theorie der
Tarifbildung der E,, 1890; Cauer, Betricb und Verkehr
der Preuß. Staatsbahnen. Zweiter Teil. Personen= und
Güterverkehr der vereinigten Preuß. und Hess. Staatsbahnen,
1903. Herrmann, Eisenbahntarifwesen im HWStaats Wt
1909, III 884. Fleck.
V. Eisenbahnabgaben
#5# 1. Einleitung. # 2. Abgaben der Eisenbahnen an den
Staat. § 3. Abgaben an Kommunalverbände. 4 4. Reichs-
bestenerung des Eisenbahnverkehrs.
[Abg = Abgabe; St = Steuerl.
s 1. Einleitung. Der E.Unternehmer besitzt
Grundeigentum, betreibt ein Gewerbe und hat