Eisenbahnwesen (VI. Bahnpfand — VII.
Schutzgebiete
treiben, er kann auch mit Zustimmung des Aus-
schusses der Bahnpfandgläubiger und des Eigen-
tümers oder Konkursverwalters die noch vorhan-
denen Bestandteile an einen Unternehmer, dem
die Genehmigung zum Betrieb der Bahn erteilt
ist, veräußern. Er verteilt schließlich die jedesmal
vorhandene bare Masse (§ 46 ff des G). — Die
Beendigung der Zwangsliquidation erfolgt ent-
weder nach der letzten Verteilung und Rechnungs-
legung auf den Antrag des Liquidators und des
Ausschusses der Gläubiger oder vorher mit Zustim-
mung der Gläubiger, d. h. aller Gläubiger, wobei
jedoch für die Inhaber von Teilschuldverschrei-
bungen die Justimmung durch einen besonderen
Beschluß dieser Gläubiger erfolgen kann. Die
Versammlung findet auf Berufung und unter
Leitung des Grundbuchgerichtes statt. Antrags-
berechtigt sind: Gläubiger, deren Teilschuldver-
schreibungen mindestens den 25. Teil der Bahn-
pfandschuld darstellen, der Eigentümer, der Kon-
kursverwalter, die Bahnaufssichtsbehörde. Stim-
menmehrheit entscheidet; der Beschluß bedarf der
Bestätigung des Gerichtes und Zustimmung der
Bahnaufsichtsbehörde (IS§ 51—53 des G).
Literatur: Eger, Gesetz betreffend das Pfandrecht an
Privateisenbahnen und Kleinbahnen, 1895, und 2. Aufl.
unter dem Titel: Das Gesetz über die Bahneinheiten, 1905
(hier S 10 weitere Literatur); Gleim, Das Gesetz be-
resfend das Pfandrecht uiw., 1896. Vgl. ferner die größe-
sren Kommentare zur Reichsgrundbuchordnung und zum
Zwangsversteigerungsgesetz. Eger.
VII. Schutzgebiete
&1 Entwicklung und Stand; #2 Gesetzliche Grundlagen;
* 3 Bau und Betrieb. Verwaltung: 5 4 Rentabilität.
Fin anzielles.
&1. Entwicklung und Stand.
I. Obgleich die erschließende Wirkung der Eisen-
bahnen in überseeischen Schutzgebieten durch die
Erfolge der Engländer, Franzosen und Belgier
erwiesen war, dauerte es geraume Zeit, bis der
erste Bahnbetrieb in den deutschen Schutzgebie-
⅝ten in Afrika zur Eröffnung kam: am 16.
10. 94, zehn Jahre nach Beginn des kolonialen
Zeitalters, wurden die ersten 14 Kilometer der
Usambarabahn in Ostafrika dem Betriebe
übergeben; weitere elf Jahre dauerte es, bis diese
Bahn in ihrer ganzen Ausdehnung von Tanga
bis Mombo eröffnet werden konnte. Der zweite
koloniale Bahnbau begann, durch die Rinderpest
hervorgerufen, in Südwest 1897 mit der Bahn
Swakopmund—Windhrk. Zu ihrer Voll-
endung gebrauchte sie fünf Jahre, bis Juni 1902.
Togo eröffnete seine erste E., die Küstenbahn
Lome—Anecho, am 18. 7. 05. Kamerun
hat am 1. 8. 09 seine erste E. für den öffentlichen
Verkehr mit der 89 Kilometer langen Strecke
Bonaberi—Njombe der Manenguba= oder
Nord-Kamerun-Bahn einer PrivatE.,
erhalten.
Daß im Anfang unsere Bahnbauten so lang-
same Fortschritte machten, ist außer auf den an-
fänglichen Mangel an kolonial-technischen Erfah-
rungen zurückzuführen auf das geringe Verständ-
nis gegenüber den kolonialen Aufgaben in weiten
–
Kreisen des deutschen Volkes. Erst der Aufstand
in Südwest mit seinen Opfern an Menschenleben,
an Hab und Gut hat einen erfreulichen Um-
schwung in der öffentlichen Meinung herbeige-
führt. Seitdem haben auch die Kolonialbahnen
raschere Fortschritte aufzuweisen.
Nach Vollendung der durch die beiden Kolonial-
bahnvorlagen vom Jahre 1908 und 1910 bewillig-
ten Neubaulinien (unge fähr April 1913) werden
die deutschen Schutzgebiete über folgende Be-
triebslängen von Kolonialbahnen verfügen:
Ostafrika 1219 km, Togo 323 km
Kamerun 520 km, Südwest 1932 km
im ganzen rund 4000 km (für den öffentlichen
Verkehr). Davon stehen zur Zeit (Anfang 1911)
etwa 2530 km im Betriebe.
Für Kiautschou kommt die E. in der chine-
sischen Provinz Schantung in Betracht; es ist eine
deutsche Privatbahn im Auslande. Für ihren
Bau und Betrieb ist die Schantung E. Gesell-
schaft in Berlin (54 Mill. Mk. Grundkapital)
am 14. 6. 9. errichtet. Die Konzession vom 1. 6.
99 erstreckte sich ursprünglich auf eine E. von
Tsingtau nach Tsinanfu und darüber hinaus zur
Provinzgrenze, ferner von Tsingtau nach Schow-
fu und von Tslinanfu nach Schowfu. Von dem
Liniendreieck ist nur die erste Linie sest vergeben;
die anderen beiden wurden zugesagt, falls die
Erteilung der Konzession von der Gesellschaft
bis Ende 1908 beantragt werden sollte. Die
Schantungbahn von Tsingtau über Weihsien nach
Tsinansu (Zweigstrecke Tschangtien—Popkan) ist
am 1. 6. 04 eröffnet. Seither haben aber, in-
folge der Erstarkung des chinesischen Selbstge-
fühls, die Baurechte bezüglich die übrigen Linien
cine Einschränkung erfahren (Arch. für E.Wesen
1909 S. 84).
II. Spurweite: Als normale oder Voll-
spur hat in Afrika die Meter= und die Kapspur
(= 3½ Fuß engl., d. sind 1,067 m) zu gelten, als
Schmalspurdagegen die Feldspur von 0,60 m.
Die Kapspur ist die Vollspur der Bahnen in
der südafrikanischen Union (Kapkolonie, Natal,
Transvaal, Oranje-Kolonie) und Rhodesien. Die
Kapspur ist mit Rücksicht auf die Möglichkeit eines
dereinstigen Anschlusses (Wagenübergang) unserer
Bahnen in Deutsch Südwest an das Netz der be-
nachbarten südafrikanischen Unionsbahnen ein-
geführt bei den Bahnen Lüderitzbucht —Keet-
manshoop, Seeheim—Kalkfontein und Wind-
huk—Kcetmanshoop. Die Staatsbahn Karibib—
Windhuk wird gegenwärtig in Kapspur umgebaut.
Die Feldspur von 0,60 m war bei der Bahn
Swakopmund—Windhuk ausge führt und besteht
noch, unter Verwendung eines wesentlich kräfti-
geren Oberbaus, auch bei der 580 km langen
Otavibahn und der Bahn Otavi—Grootfontein.
Bei lebhaftem Verkehr wird sie wegen der
eingeschränkten Zugeinheiten (etwa 70 Tonnen
Nutzlast) unwirtschaftlich und sollte deshalb
auf Bahnen mit zeitlich oder örtlich begrenz-
tem Verkehr beschränkt werden. Die Spurweite
von 0,75 m hat die Mängel der Schmalspur in ge-
ringerem Maße; sic ist nur ausnahmsweise ange-
wendet worden (Sigibahn im Usambarabezirk,
24 km), und hat heute keine Daseinsberechtigung
mehr.
Die Schantung-Bahn ist in europäischer Voll-
spur (1,435 m) hergestellt.