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Enteignung
usw., so sind solche Momente allerdings bei der
Entschädigungsfeststellung zu berücksichtigen.
. Umfaong der Entschädigung.
Das eigentliche Ziel der Ersatzleistung bildet die
Herstellung des Gleichgewichtes
zwischen dem Zustande des Ver-
mögens des Enteigneten vor und
dem Zustande nach der Enteig-
nung. Dieses Ausgleichsprinzip ist kein ande-
res, als dasjenige der allgemeinen zivilrechtlichen
Schadensersatzverbindlichkeit, die Verpflichtung
zur Leistung des vollen Interesses.
Zwei Wege sind zur Ermittelung des Umfanges
dieser Leistung gegeben. Entweder: man unter-
scheidet, wie im Zivilrechte, zwischen Minde-
rung des vorhandenen Vermögens — dam-
num emergens — und entgehendem Gewinn —
lucrum cessans —, oder: man trennt die Ent-
schädigung in die beiden Gruppen Wert des
enteigneten Gegenstandes für sich
betrachtet einerseits und Schade am ver-
bleibenden Vermögen dder, noch all-
gemeiner ausgedrückt, über den Sachwert
hinausgehender Vermögensschade
andrerseits. Für die Ermittelung der E. Entschä-
digung geeigneter erscheint die zweite Methode.
Denn hier handelt es sich nicht um Leistung eines
Vertragsinteresses, wobei der entgehende Ge-
winn regelmäßig seine besondere Rolle spielt,
sondern um Schadenersatz wegen Entziehung
eines Vermögensobjektes. In diesem Falle läßt
sich aber die eigentliche Vermögenseinbuße von
dem entgangenen Gewinne nicht immer so scharf
unterscheiden, daß beide Kategorien von einan-
der getrennt zur Berechnung gezogen werden kön-
nen. Vielmehr kommt oft schon in dem gemeinen
Werte einer Sache der daraus in Zukunft zu-
ziehende Gewinn zum Ausdrucke. So namentlich
bei Baustellen und allen anderen Grundstücken,
die eine über den augenlblicklichen Ertragswert
hinausgehende höhere Ertragsfähigkeit und in-
folgedessen einen höhern Verkehrswert besitzen.
Zerlegt man aber die E.Entschädigung in die bei-
den Elemente: Wert des enteigneten Gegenstandes
und sonstiger Vermögensschade, so gewinnt man
zwei Ersatzkategorien, von denen die erste unter
allen Umständen gegeben ist und getrennt von der
zweiten zur Erscheinung kommen kann. Dieses
Prinzip ist zuletzt in Sachsen mit voller Schärfe
durchgeführt worden.
2. Nur derjenige Schade ist zu vergüten, der
eine Folge des zum Ersatze verpflichtenden Ereig-
nisses ist. Dabei ist es gleichgültig, ob der Schade als
unmittelbare oder erst als durch andere Tatsachen
vermittelte Folge erscheint, ebenso, ob er mit un-
bedingter Notwendigkeit eintreten mußte oder zu
erwarten steht. Er muß nur wirkliche Folge des
Ereignisses sein. Liegt dies vor, so genügt es,
wenn der Schade tatsächlich entstanden oder sein
Eintritt nach menschlich sicherer Voraussicht an-
zunehmen ist. Hieraus ergeben sich folgende wich-
tige, besonders von der Rechtsprechung des Reichs-
gerichtes herausgebildete Sätze: a) Die Entschädi-
gungsverpflichtung erstreckt sich nicht bloß auf die
nachteiligen Folgen der E., d. h. der Eigentums-
oder Rechtsentziehung an sich, sondern auch auf
die durch die bestimmungsgemäße Verwendung
des enteigneten Gegenstandes, d. h. durch die
darauf errichteten Anlagen und deren Betrieb
verursachten Schäden. b) Die Entschädigungs-
pflicht aus der E. besteht auch dann, wenn im Zu-
sammenhange mit der E. und der durch diese ver-
mittelten Anlage einem Grundstücke wertvolle
Eigenschaften entzogen oder beeinträchtigt werden,
die ihm bisher rechtlich nicht gesichert waren, auf
deren Fortbestand aber der Enteignete rechnen
konnte. c) Die Ersatzverbindlichkeit ist insoweit
ausgeschlossen, als der betreffende Schade unab-
hängig von der E. und der hierdurch ermöglichten
Art der Rusführung der Anlage lediglich durch
das Unternehmen als solches herbeigeführt wird.
3. Anrechnung der Vorteile. Die
Frage nach der Zulässigkeit der Anrechnung der
dem Enteigneten aus der Ausführung des enteig-
nungsberechtigten Unternehmens erwachsenden
Vorteile auf die ihm an sich zukommende Ent-
schädigung ist sehr bestritten. Die deutsche Gesetz-
gebung hat sich früher zumeist ablehnend verhal-
ten. Erst neuerdings haben Württemberg,
Lübeck und Sachsen in ihren E.Gesetzen die
Berücksichtigung von Vorteilen aus dem Unter-
nehmen gegenüber den hierauf beruhenden Nach-
teilen für den Restbesitz allgemein vorgeschrieben.
Viel weiter gehen die Gesetzgebungen von Frank-
reich, Italien, Belgien, England und Nordamerika,
die die Kompensation in sehr ausgedehntem Um-
fange zugelassen haben. In der deutschen Rechts-
wissenschaft stehen die Meinungen einander sehr
schroff gegenüber. Gegen die Anrechnung ha-
ben sich hauptsächlich erklärt: Treichler, Häberlin,
Meyer, v. Rohland; dafür: Tdhiel, Wolf,
Purgold, Grünhut, Löbell, Sieber, Schelcher,
neuerdings de Weiß, besonders aber Oertmann,
(Vorteilsausgleichung beim Schadensersatzanspru-
che) und im weitesten Umfange Eger. Das deut-
sche Reichsgericht hat sich in letzter Zeit immer
mehr der beschränkten Anrechnung der Vorteile
zugeneigt. Diese entspricht auch der jetzt herrschen-
den Meinung und beruht auf folgenden Erwä-
gungen: Für den Enteigneten entfaltet vermöge
des Kausalitätsprinzipes die öffentliche Anlage
in der durch die E. vermittelten und ermöglich-
ten Art ihrer Ausführung besondere rechtliche
Wirkungen, die für Andere daraus nicht ent-
stehen können: er wird ersatzberechtigt auch hin-
sichtlich solcher Nachteile an seinem Restbesitze,
die Andere durch die öffentliche Anlage eben-
falls erleiden, ohne daß sie deswegen einen An-
spruch zu erheben berechtigt sind. Entspricht
dies der Rechtskonsequenz und der Billigkeit, so
muß man dann bei der Würdigung dieser Nach-
teile gerechterweise auch die auf der gleichen Ur-
sache beruhenden Vorteile mit berücksichtigen, und
man darf hinsichtlich der letzteren nicht einhalten,
daß Anderen, die nicht enteignet werden, solche
Vorteile aus der öffentlichen Anlage ebenfalls,
aber umsonst zuteil werden. Die Anrechnung der
Vorteile ist demnach das sich logisch von selbst
ergebende Korrelat der Entschädigung der aus der
Verwendung des enteigneten Gegenstandes zum
Unternehmen hervorgehenden Nachteile; die An-
rechnung muß aber auch dementsprechend be-
schränkt bleiben. Es muß für beide Fälle mit glei-
chen Prämissen gerechnet werden; die Nachteile
und die Vorteile, die einander gegenübergestellt
werden, müssen der gleichen Ursache, nämlich der
E., sei es direkt oder indirekt, entsprungen sein.
Damit überträgt man lediglich einen bereits für