Exterritorialität — Fabrik
gegen seinen Willen den inländischen Gerichten
unterworfen werden könne. Diese Unterschei-
dung ist abzulehnen. Nach der richtigen und auch
herrschenden Ansicht kann es, da die Gerichtsbar-
keit das Unterworfensein unter die Staatsgewalt
zur notwendigen Voraussetzung hat, grundsätzlich
keine Gerichtsbarkeit über fremde Staaten geben.
Nur ausnahmsweise kann eine solche begründet
werden, nämlich einmal durch freiwillige Unter-
werfung des fremden Staates (welche dann ge-
geben ist, wenn der fremde Staat selbst Klage
erhebt oder sich auf eine Klage einläßt), so-
dann im Falle, daß eine dingliche Klage in Be-
zug auf unbewegliches Gut erhoben wird. Eine
– —
terbuch;
Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat
ist, jedenfalls für Geldforderungen, völkerrecht-
lich ausgeschlossen und muß, wenn unzuläs-
sigerweise geschehen, ausgehoben werden. Eine
Vollstreckung gerichtlicher Urteile gegen einen
fremden Staat kann nur auf völkerrechtlichem
Wege erfolgen. Diese Rechtsfragen wurden im
Jahre 1909/1910 bei Gelegenheit eines zwischen
dem russischen Staate und dem deutschen Staats-
angehörigen v. Hellfeld ausgebrochenen Rechts-
streites aktuell und in zahlreichen Rechtsgutachten
kritisch beleuchtet (die von russischer Seite cinge-
holten sind von v. Dynovsky, Berlin 1910, heraus-
gegeben). Auch der preußische Gerichtshof zur
Entscheidung der Kompetenzkonflikte hat erneut
in dem Erkenntnis v. 25. 6. 10 (Abdruck bei Brie,
Fischer, Fleischmann S 153) zu den Fragen
Stellung genommen.
2. Exterritorial, d. h. keiner fremden Staatsge-
walt unterworfen, ist auch das fremde Staats-
oberhaupt. Dabei macht es nach herrschen-
der Lehre keinen Unterschied, ob es sich um das
Oberhaupt bezw. den Regenten eines monar-
chisch verfaßten Staates oder um den Präsidenten
einer Republik handelt, ob ferner das Oberhaupt
in seiner Eigenschaft als solches oder als Privat-
mann — es sei denn „inkognito“ — das auslän-
dische Staatsgebiet betritt. Besteht das Ober-
haupt aus mehreren Personen (Senat der Freien
Städte), so ist jede von ihnen exterritorial. An
dem Vorrecht der E. nehmen auch die Familie
und das Gefolge teil. Die E. des Staatsoberhaup-
tes umfaßt die Befreiung von der Gerichtsbarkeit
— abgesehen von Fällen der Notwehr gegen
staatsfeindliche Handlungen bezüglich letzterer —
und von der Finanzhoheit, die Unbetretbarkeit
der Wohnung und die Unverletzlichkeit des eigenen
Mobiliars, die Gestattung des ungehemmten
Verkehres mit dem eigenen Staat. In den Dienst
eines fremden Staates tretende Staatsoberhäup-
ter verlieren diesem Staat gegenüber die E. in-
soweit, als die Dienststellung es bedingt.
3. Exterritorial sind endlich die das Staats-
gewässer durchfahrenden Kriegsschiffe und
die das Staatsgebiet durchziehenden fremden
Truppen, gleichgültig, ob ihr Aufenthalt im
Einverständnis mit dem Aufenthaltsstaat statt-
findet oder nicht. Das Gleiche wird auf die den
Staatsluftraum durchfahrenden fremdstaatlichen
Luftschiffe in Anwendung zu bringen sein.
Literatur: 1Art. Gesandte, Kon fuln. —
Belinga, Die strafrechtl. Bedeutung der E., 1896; Brie,
Otto Fischer und Fleischmann, Zwangsvollstreckung
gegen fremde Staaten und Kompetenzkonflikt, 1910; Fé-
raud- Giraud, Etats, sonverains, pe#onnel diplo-
matique et consulaire derant les tribunaux étrangeres,
1895: Gefscken in v. Holtzendorsff N 3, 646 ff; Gott-
schalk, die E. der Gesandten, 1878;de Heyking,
L’Exterritorialité, 1839; Hübler, Die Magistraturen
des völkerrechtl. Verkehrs und die E., 1900, 31 ff; v. Liszt,
Völkerrecht“, 1910, S 75 ff, 112, 118 ff, 13 R; Locning,
Die Gerichtebarkeit über fremde Staaten und Souveräne,
1903; v. Martens-Bergbohm: 2, 40 ff; dier,
Pes privileges et immunités des auents diplomatiques en
Dars de chrétient6, 1890; Pietri, Etude critidue sur la
liction d’ext., 1895 Stoerk in v. Holtzendorff BR 2,
656 ff: Strisower, Art. E. im Cesterreich. Staatswör-
v. Ullmann, Bölkerrecht", 1908, S 153 ff,
1n2 ff: Bercamer, Des franchises des agents diplo-
matidues et spécialement de Texterritorialité. 1891: Wal-
ther, Das Staatshaupt in den Republiken, 1907; Zorn
in Hirihs Annalen, 1882, S 34 ff, bes. 110 ff. Jorn.
Fabrik
I. Das F.Wesen verdankt seine Entstehung
hauptsächlich den Fortschritten der Naturwissen-
schaften und der Entwickelung der Technik, die
neue Betriebsformen, das Arbeiten mit größeren
Kapitalien, eine größere Zahl der Arbeitskräfte
und ein höheres Maß von Arbeitsteilung erfor-
derten, als den zunftmäßigen Betrieben nach den
Zunftverfassungen möglich war, und es verdankt
seine Förderung der Staatsautorität des 17. und
18. Jahrhunderts, die es für nützlich erachtete,
Industrien ins Leben zu rufen, die bisher in dem
Lande nicht bestanden haben, und sic zu schützen,
indem sie sie von den beengenden Zunftvorschrif-
ten freihielt. Dementsprechend wurde dann auch
der Ausdruck „Fabrik“, der ursprünglich in der
Hauptsache jede gewerbliche Tätigkeit, auch die
des Handwerkers deckte, auf diejenigen Produk-
tionen angewendet, die neue Industrie zweige in
Deutschland darstellten und dem Zunftrechte nicht
unterlagen- (vgl. 3 407 ALR II 8: Anstalten, in
welchen die Verarbeitung oder Verfeinerung ge-
wisser Naturerzeugnisse im Großen getrieben
wird, werden Fabriken genannt. S. auch § 412
a. a. O.).
II. Eine feste Begriffsbestimmung besteht auch
heute noch nicht. Die gewerbliche Gesetzgebung
hatte stets davon abgesehen, eine erschöpfende
Bestimmung des Begriffs aufzustellen, in der
Annahme, daß die Anwendbarkeit des Begriffs
für die Praxis keine Schwierigkeiten bereiten
werde. Hiervon abzugehen wird der Gesetzgeber
jetzt um so weniger veranlaßt sein, als durch
die Nov. zur GewO v. 28. 12. 08 (RGBl 667)
die auf die F. bezüglichen Bestimmungen des
Tit. VII der GewO als solche beseitigt sind:
die Bestimmungen gelten nunmehr für solche Be-
triebe, in welchen mindestens 10 Arbeiter beschäf-
tigt werden IK Arbeiter, gewerbliche, oben S.
1501. Gleichwohl ist der F.Begriff als Unter-
scheidungsmerkmal von andern Gewerbsarten
nicht ohne Bedeutung geblieben. Die „Fabri-
kanten“ unterliegen nicht den Bestimmungen,
welche insbesondere hinsichtlich der Organisation
des Handwerkes und der Lehrlingsverhältnisse
für die Handwerker gelten, ebensowenig sind die
speziellen Vorschriften für das Handelsgewerbe