Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Fiskus (Rechtsweg) 
punkte des öffentlichen Rechts zweifellos recht- 
mäßig, vom Standpunkte des Privatrechts zwei- 
fellos rechtswidrig sein. Also beispielsweise dann, 
wenn die Polizei den Notstand selbst verursacht 
hat (arg. 5 228 BGB). Hier wird der Staat 
als F. verantwortlich sein, und zwar nach den 
Normen des Privatrechts, selbst wenn eine öffent- 
liche Entschädigung gar nicht oder nicht im zivil- 
rechtlichen Ausmaße festgestellt ist. Es kann hier 
auch der umgekehrte Fall eintreten, daß die Poli- 
zei, ohne den Notstand verschuldet zu haben, eine 
fremde Sache beschädigt oder zerstört, um eine 
drohende Gefahr vom staatlichen Eigentum abzu- 
wenden. Dann wird eine privatrechtliche Ent- 
schädigung vom Staate nicht verlangt werden 
können (arg. § 228 BGB), wohl aber eine öffent- 
liche Entschädigung, wenn solche partikularrechtlich 
zugestanden wird. 
b) Die Handlung des fiskalischen Vertreters 
kann den F. zum Schadensersatze verpflichten, 
wenn jener „gegen ein den Schutz eines anderen 
bezweckendes Gesetz verstößt"“ (5 823 Abs2 BGB). 
Die Fälle, die hier praktisch werden können, sind 
zumeist jene, wo der F. bezw. sein Vertreter gegen 
die bestehenden Pol Vorschriften verstößt, mögen 
diese auch von demselben Vertreter ausgehen. 
So haftet der Staat auch als F., wenn Eisenbahn- 
bedienstete wider die bahnpolizeilichen Vorschrif- 
ten handeln und dadurch den Brand eines Möbel- 
wagens herbeiführen (RS# 34, 46). Ebenso 
wenn der Staat als Unternehmer eines mit Ge- 
meingefahr verbundenen Unternehmens die von 
der Polizei geforderten Einrichtungen zur Sicher- 
heit verabsäumt (RE#Z# 32, 283). Hat der Staat 
in diesem Falle die PolVorschriften beobachtet, 
so kann er doch aus & 823 Abs 1 Bo zur Ent- 
schädigung herangezogen werden, wenn er voraus- 
sehen konnte, daß die von der Polizei geforderten 
Einrichtungen zum Schutze der Nachbarn nicht 
ausreichten (Jung, Delikt der Schadensverursa- 
chung 1897 S 37). 
V. Es muß eine den Vertreter des F. zum Scha- 
densersatze verpflichtende Handlung vor- 
liegen, um den F. verantwortlich zu machen. 
Damit ist nun auch die von den Gesetzgebern vor- 
gesehene (Prot S 523) Möglichkeit gegeben, daß 
nicht bloß Rechtshandlungen, sondern beispiels- 
weise auch technische Handlungen der fiskalischen 
Vertreter den F. verantwortlich machen können. 
Allerdings aus der Natur der technischen Handlung 
läßt sich nicht folgern, daß sie unbedingt als eine 
privatrechtliche Handlung des Staates bezw. 
seiner Vertreter anzusehen sei. Auch die techni- 
schen Handlungen staatlicher Vertreter sind als 
Ausfluß der Verw Hoheit des Staates zu betrach- 
ten (Laband 1, 388). Erfolgen jedoch diese auch 
zur Verwaltung staatlichen Immobiliar= oder 
Mobiliarvermögens, dann sind sie eben auch Aus- 
fluß des staatlichen dominium und fallen demnach 
unter die hier in Betracht kommenden Handlungen 
fiskalischer Vertreter (Re# Z## 34, 296; 55, 175: 
Haftung des Militär F., wofern er bei Verwah- 
rung, Untersuchung, Bei= oder Wegschaffung der 
zu fiskalischen Beständen gehörigen Materialien 
die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht 
läßt. S. auch Seuffert Bd. 49 S 1). 
Unter die hier in Betracht kommenden Rechts- 
handlungen werden auch Pol Verordnungen, nicht 
bloß polizeiliche Verfügungen fallen können, so- 
  
  
  
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fern nach dem oben ausgeführten Gesichtspunkte 
in ihnen der Staat nicht bloß als Träger der 
Staatsgewalt, sondern auch als F. zur Erscheinung 
kommt. So, wenn der Staat als Eisenbahn F. 
der Verpflichtung, bestimmte Züge in einer be- 
stimmten Station halten zu lassen durch Aende- 
rung der Fahrplanordnung nicht nachkommen 
kann (R 32, 134 ff). Hierbei kann es sich aller- 
dings ereignen, daß durch eine und dieselbe Rechts- 
handlung (Verordnung) eine öffentliche 
Entschädigungspflicht des Staates nicht erzeugt 
wird (so für Preußen s. Anschütz, Verwärch 5, 
101 f, AM Biermann 199), wohl aber eine zivil- 
rechtliche nach § 89 Abs 1 BGB. Ebenso wie bei 
den technischen Handlungen wird es hier bei den 
Rechtshandlungen staatlicher Vertreter (Verord- 
nungen, Verfügungen usw.) für die Anwendbar- 
keit des § 89 Abs 1 BGB darauf ankommen, ob 
in jenen Verwükten der Staat nicht bloß als 
Träger der Staatsgewalt, sondern auch als F. in 
Betracht kommt (Ersatzpflicht verneint von RGZB 
56, 220 in einem Falle, wo einem in einer Fabrik 
verdungenen Strafgefangenen ein Körperschaden 
durch die Maschine zustieß). 
VI. Die Handlung des fiskalischen Vertreters 
muß in Ausführung der ihm zustehen- 
den Verrichtungen erolgt sein, nicht 
bloß gelegentlich derselben. Wann jedoch ein 
excessus mandati des fiskalischen Vertreters vor- 
liegt, entscheiden die Verkehrsanschauungen. So 
wird z. B. der Staat als Eisenbahn F. entschädigen 
müssen, wenn ein Unfall durch lässige Handhabung 
des Bahnreglements entstanden ist, wenn z. B. 
das Betreten des Eisenbahnkörpers von den 
Bahnwächtern gestattet wird, trotzdem dies das 
Reglement verbietet. 
Das ist das große Anwendungsgebiet der durch 
5*89 Abs 1 Be geregelten Entschädigungs- 
funktion des F. Sie kann nur durch Gesetz (RG# 3 
57, 150 ff), niemals durch privatrechtlichen Ver- 
trag oder Verw Anordnung (z. B. Verwäükt auf 
Unterwerfung; s. über diesen O. Mayer 1, 98) 
kussisschlolen werden (RGZ 62, 266f; 68, 
364 ff). 
8 3. Die Kompetenzabgrenzungsfunktion. 
Seit dem 17. Jahrhundert wird in der deut- 
schen Theorie und Praxis der Satz aufgestellt 
(unter Berufung auf den Satz des Codex lex 
unica Titel ne quis in propria causa. Siehe 
z. B.: Mevius decis. I. Nr. 62;: dann das Gut- 
achten der Ingolstädter Juristenfakultät von 1655 
lZt. bei Struben, Rechtliche Bedenken. 1V. 
S 44 Anm. ul), daß der Staat als Fiskus, 
jedoch nicht als Träger der Staatsgewalt, vor dem 
Zivilrichter Recht geben und nehmen müsse, ein 
Grundsatz, der in Preußen zuerst 1748 auftritt 
(Löning, Verwelrch 2, 263) und sich im ALR 
5 31 f II 14 wiederfindet. Die Verfassungsurkun- 
den bis in die dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts 
nehmen diesen Satz als staatsrechtliche Kautel auf 
(Bayern VIII 9§ 5, Württ. & 94, Baden 8 14,3, 
Hessen à 102, Sachsen & 50, Braunschweig §5 198), 
und energisch betont ihn § 4 EG z. Z3 P in be- 
wußtem Gegensatze zum französischen Rechte, 
wo diese Kompetenzabgrenzungsfunktion fehlt. 
Nach 8 4 des EG z. ZP darf die Landes- 
gesetzgebung für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, 
für welche nach dem Gegenstande oder der Art des 
Anspruchs der Rechtsweg zulässig ist, aus dem
	        
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