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Flagge
den Schiffen einer Nation besondere Rechte ein-
geräumt sind. Bei der Bedeutung, die hiernach
die Staatszugehörigkeit für ein Seeschiff hat,
erscheint deren äußere Kennzeichnung als ein Ge-
bot der Rechtssicherheit. Dieses äußere Kennzei-
chen ist die F. F. wurden als Zeichen der Na-
tionalität des Seeschiffes zwar schon zu Zeiten
geführt, als von einem internationalen Rechts-
verkehr noch kaum die Rede sein konnte, aber erst
die Neuzeit hat ihnen ihre für das Rechtsleben
maßgebende Bedeutung gegeben.
#2. Gesetzliche Einführung der Flagge. Mit
der zunehmenden Bedeutung des internationalen
Seeschiffahrtsverkehrs und der wachsenden Be-
deutung der F. wurde eine immer mehr ins ein-
zelne gehende Ordnung des F. Wesens erforderlich.
Es mußten insbesondere Bestimmungen über die
Voraussetzungen für die Pflicht und das Recht der
F. Führung der Seeschiffe erlassen werden, eine
Aufgabe, die in den Rahmen staatlicher Rechts-
satzung fällt. Die Vorschriften hierüber sind öf-
fentlich-rechtlicher Natur.
Der erste Versuch, der deutschen Handelsmarine
eine einheitliche F. zu geben, wurde im Jahre
1848 gemacht; durch G v. 12. 11. 48, verkündet
von dem Reichsverweser in Ausführung eines Be-
schlusses der deutschen Nationalversammlung,
wurde angeordnet, daß alle deutschen Handels-
schiffe eine näherbezeichnete F. als National F.
ohne Unterschied führen sollten. Die Bestimmun-
gen dieses Gesetzes erlangten in Preußen zwar
durch Gv. 26. 11. 48 (GS 363) Geltung, aber
keine praktische Wirksamkeit. Es blieb dabei, daß
die Seeschiffse der deutschen Seeuferstaaten ihre
LandesF. führten. Erst die Gründung des Nord-
deutschen Bundes führt zu einer einheitlichen
Handelsmarine des Norddeutschen Bundes, dem
ja alle deutschen Seeuferstaaten angehörten, und
in Verfolg dessen zu einer einheitlichen Regelung
der Nationalität der Kauffahrteischiffe und ihrer
Befugnis zur Führung der Bundes F. Das BG
v. 25. 10. 67 (BEBl 35) wurde durch die Reichs-
verfassung, die die entsprechenden Bestimmungen
der Verf des Norddeutschen Bundes übernommen
hatte, zum Reichsgesetz erklärt (§ 2 Absf 2 Roev.
16. 4. 71 — BGBl 63 ff). Es hat im Laufe der
Zeit eine Reihe von Abänderungen erfahren und
ist unbeschadet der Vorschriften seiner && 18 und 19
ersetzt worden durch das R betr. das F.Recht
der Kauffahrteischiffe v. 22. 6. 99 (Röl 319),
mit Abänderung durch Rv. 29.5.01 (Rchll 184).
Die Zuständigkeit des Reiches zur Regelung der
Materie ergibt sich aus a 4 Nr. 7 RV, deren a 54
und 55 der Reichsgesetzgebung die Richtung für
ihre Normensetzung gegeben haben. Die Vor-
schrift des a 54 Abs 1 in Verbindung mit der des
à 55 R ist dahin auszulegen, daß die Kauffahrtei-
schiffe aller Bundesstaaten eine in rechtlicher Be-
ziehung einheitliche Handelsmarine bilden, d. h.
daß es für das Völker= wie für das Staatsrecht
nur eine, nämlich eine deutsche Handelsmarine
geben und daß dies sich äußerlich durch eine ge-
meinsame F. erkennbar machen soll. Zugleich ist
damit zum Ausdruck gebracht, daß das Reich und
nur das Rceich für die Normensetzung auf diesem
Gebiete zuständig sein soll.
§ 3. Die Führung der einzelnen Flaggen.
I. Nach §1 des R# v. 22. 6. 99 haben die zum
Erwerbe durch die Seefahrt — die Grenzen der
Seefahrt hat der Bundesrat gemäß 3s# 25 durch
Bek v. 10. 11. 99 (Rl 380) festgesetzt — be-
stimmten Schiffe (Kauffahrteischiffe) mit Ein-
schluß der Lotsen-Hochseefischerei-Bergungs= und
Schleppfahrzeuge als Nationalflagge aus-
schließlich die Reichsflagge zu führen.
Diese Reichs F. bildet nach der auf Grund 81
Abs] 2 erlassenen kaiserl. V v. 25. 10.67(B0l 39)
ein längliches Rechteck, bestehend aus drei gleich
breiten horizontalen Streifen, von welchen der
obere schwarz, der mittlere weiß und der untere
rot ist. Sie wird von den Schiffen am Heck
und am hinteren Maste geführt. Die Vor-
schriften des R# v. 22. 6. 99 finden auch An-
wendung auf seegehende Lustjachten und solche
Seefahrzeuge, welche für Rechnung von aus-
wärtigen Staaten oder deren Angehörigen im In-
lande erbaut sind (5 26) und können durch Kais.
Verordnung auch auf Binnenschiffe in Anwen-
dung gebracht werden, die ausschließlich auf aus-
ländischen Gewässern verkehren (5 26 a; V. v. 1. 3.
00 untere Donau, Sikiang, Yangtsekiang, Paiho)
Da das Gesetz sich, abgcsehen von den in den beiden
vorerwähnten 55 26 und 26a, nur an die zum
Erwerb durch Seefahrt bestimmten Schiffe
richtet, so fallen alle diejenigen Schiffe nicht
darunter, die weder zu den Ausnahmen gehören
noch zum Erwerb durch Seefahrt bestimmt sind,
also iusbesondere die Schiffe der Kaiserlichen
Marine, die Feuerschiffe (RG Z 38, 86), Ver-
messungsfahrzeuge, Zollkreuzer (Rög 32, 146)
und andere, ausschließlich der Ausübung der
Staatsverwaltung dienende Schiffe des Reiches
und der Einzelstaaten. Bestritten ist, ob Staats-
schiffe, bei deren Benutzung Gebühren erhoben
werden, wie z. B. Lotsendampfer und Schlepp-
fahrzeuge, „als zum Erwerbe durch Seefahrt be-
stimmt“ gelten. Dies ist zu verneinen, weil der
Erwerb nicht der Zweck, sondern nur eine Begleit-
erscheinung ihrer Tätigkeit ist (so im Ergebnis,
aber ohne Begründung: Mot 8; Stenglein, Note zu
&11; Perels, Anm. 2 zu § 1 gegen Schaps, Arch
14, 528 und RG v. 10. 3.94 Seuff. Arch 50 Nr.
109). In Uebereinstimmung damit wird von den
Schiffen des Reiches ohne Rücksicht darauf, ob
ihre Benutzung gebührenpflichtig ist oder nicht,
nicht die National F. der Kauffahrteischiffe, son-
dern, soweit sie nicht die Kriegs F. zu führen haben,
die Reichsdienstflagge geführt.
Die Reichsdienst F. besteht nach der auf Grund
des à55 RV erlassenen Kais. V v. 8. 11.92 (RGl
1050) aus der deutschen National F. mit einem in
der Mitte des weißen Feldes angebrachten, die
dienstliche Bestimmung und den Verw Zweig kennt-
lich machenden Abzeichen. Als solches dient 1. im
Bereiche des Auswärtigen Amts und des Reichs-
Kolonialamts (V v. 9. 10. 07) der Reichsadler mit
der Kais. Krone, 2. im Bereiche der Kais. Marine,
sofern nicht die Kriegs F. zu führen ist (siche unten),
ein gelber unklarer Anker mit der Kais. Krone
darüber, 3. im Bereiche des Reichs-Postamts ein
gelbes Posthorn mit der Kais. Krone darüber,
4. im Bereiche der übrigen Verw Zweige (z. B.
Reichsamt des Innern „Kaiser Wilhelm-Kanal")
die Kais. Krone (vgl. auch Bek betr. die Reichs-
dienst F. v. 20. 1.93 — RGBl 9). Nach den glei-
chen Grundsätzen verfahren auch die deutschen
Einzelstaaten, die für ihre Schiffe eine besondere
Dienst F. eingeführt haben.