Agrargesetzgebung (Preußen — Bayern) 71
Näheres über diese Behörde und auch darüber,
warum jene Annahme nicht eingetroffen ist
Auseinandersetzungen in Preu-
ßen.
##88. Schluß. Die Absicht des Edikts v. 9. 10.
1807, die Verwertung der Grundstücke von allen
hemmenden Fesseln zu befreien, ist nach Vor-
stehendem in umfangreichem Maße zur Durch-
führung gelangt. Hierbei ist allerdings zu unter-
scheiden zwischen denjenigen Aenderungen des
früheren Agrarrechts, welche ohne weiteres kraft
G eintraten, und denjenigen, welche den Beteilig-
ten nur die Möglichkeit gewährten, eine Aenderung
ihres bisherigen Verhältnisses herbeizuführen.
Bei letzteren ist durchgehends in den Gesetzen
daran festgehalten worden, daß solche Aenderun-
gen nur auf Antrag, nicht von Amts wegen, her-
beigeführt werden sollten. Hierauf ist zurückzu-
führen, daß, wenn auch die gutsherrlich bäuerlichen
Regulierungen inzwischen völlig beendet sind,
dann doch kulturschädliche Dienstbarkeiten und
ebenso Reallasten, trotzdem die überwiegende
Mehrzahl von ihnen beseitigt ist, noch in nicht un-
erheblichem Maße bestehen; allerdings ist wohl
anzunehmen, daß auch diese letzten Reste in ab-
sehbarer Zeit beseitigt sein werden.
Ob nicht in der Ausführung des Programms
des Ediktes v. 9. 10. 1807 zu weit gegangen ist,
kann zweifelhaft erscheinen. Jedenfalls ist, nach-
dem auch das Privatrecht die Belastung der Grund-
stücke bis zu ihrem vollen Werte mit Hypotheken
und Grundschulden und den Verkehr mit diesen
im weitesten Maße erleichtert hat, eine große
Mobilisierung des Grundbesitzes eingetreten. Die
freie Teilbarkeit der Grundstücke hat in einzelnen
Gegenden zu derartigen Zersplitterungen ge-
führt, daß schon die Einführung einer Minimal-
parzelle ernstlich erwogen worden ist. Gemein-
schaftliche Grundstücke sind in manchen Fällen
auch da geteilt und Grunddienstbarkeiten auch da
abgelöst worden, wo die Beibehaltung der be-
stehenden Verhältnisse aus sozialen Rücksichten
vielleicht besser am Platze gewesen wäre. Es ist da-
her beachtenswert, daß die Gesetzgebung in neuerer
Zeit nicht nur darauf gerichtet ist, den Erwerb
selbständiger mittlerer und kleinerer ländlicher
Stellen zu erleichtern, sondern auch im Interesse
der dauernden Erhaltung solcher Wirtschaften ihre
freie Teilbarkeit, Veräußerungsfähigkeit einzu-
schränken (uogl. die Art. Ansiedelungen in Posen u.
Westpreußen 56 und über Anerbenrecht und Ren-
tengüter den Art. Innere Kolonisation).
Liüteratur: A. Buchenberger, Agrarwesen u.
Agrarpolitik 2 Bde., 1892 u. 1893; C. J. Fuchs, Der
Untergang des Bauernstandes u. das Auskommen der
Gutsherrschaften, 1888; A. Glatzel, Die preußische A.,
1895; Th. Freiherr von der Goltz, Die ländliche
Arbeiterklasse und der preußische Staat, 1893; Derselbe,
Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 2 Bde., 1902;
Halbey, Das Gemeinde Berf. u. VerwRecht in den sieben
östlichen Provinzen, 1896; G. F. Knapp, Die Bauern-
befreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den älteren
Teilen Preußens, 1897; Derselbe, Grundherrschaft u.
Rittergut 1897; Letite u. v. Rönne, Die Landeskultur-
Gesetzgebung des preußischen Staates, 1853/54; K. Stein-
brück, Art. Agrargeschichte im HW Staats Wr, 1908.
Dönniges, Die Ld Kult GEgebung Preußens 1842/47;
Koch, Die A. des preuß. Staates, 1850: Greiff, Die
preuß. G über Ld Kult u. landwirtschaftliche Pol., 1866;
Preußens landwirtschaftl. Berw in den Jah-
ren 1875/77, 1878/80, 1881/83, 1884/87 nach den dem
Könige von dem Min Landw erstatteten Berichten 1878,
1881, 1885, 1888; Dernburg, Preuß. Privatrecht, 1893
bis 97: Beseler, Gemeines deutsches Privatrecht, 1885;
Stobbe, Deutsches Privatrecht, 1893—1900; Förster-
Eccius, Preuß. Privatrecht, 1896; Turnaun. Förster,
Das Liegenschaftsrecht, 1906; Krug, Leibeigenschaft und
Erbuntertänigkeit der Landbewohner in den preuß. Staaten,
1798; Krug, Aufhebung der Erbuntertänigkeit in Preu-
ßen, 1893; v. Kampptz, Ueber das gutsherrliche Verhältnis
in den preuß. Staaten in s. Jahrb. 24, 167; Meitzen,
Siedelung und Agrarwesen der Westgermanen und Ost-
germanen, der Kelten, Römer, Finnen und Sloven, 1895;
Hanßen, Die Aufhebung der Leibeigenschaft in den Her-
zogtümern Schleswig u. Holstein, 1861. — Zum Vergleiche
Walter Schiff, Grundrecht des (österreichischen) Agrar-
rechts, 1903. — Eine Sammlung der wichtigsten agrar-
rechtlichen Entscheidungen bietet die vom preuß. Cberd-
Kult Gerichte (vorm. Revisionskollegium für Ld Kult Sachen)
herauegegebene Z für die Landes kulturgesetz-
gebung der preußischen Staaten, deren
Bände 11, 21, 28 und 36 systematisch geordnete Inhaltsver-
zeichnisse enthalten. Peltzer.
II. Bayern
Für die Darstellung des geltenden Rechtes ist
ein Zurückgehen auf gesetzgeberische Versuche, die
vor der Verfassung liegen, entbehrlich (vgl. hier-
über v. Seydel, StR 1, S 68, 72 u. 153;
2, 345). Die Verf von 1818 hatte die guts-
herrlichen Rechte geschont und sich neben der
Sicherung adeliger Fideikommisse darauf be-
schränkt, die Grundlasten nur „nach dem Einver-
ständnisse der Beteiligten“ für ablösbar zu erklä-
ren und die Umwandlung der ungemessenen Fron-
den in gemessene ohne Entschädigung anzuordnen;
die Gutsheimfälligkeit als Strafe und das guts-
herrliche Einstandsrecht wurden beseitigt und ein-
zelne gutsherrliche Rechte beschränkt. Allmählich
erst ging die Gesetzgebung an die eingreifende Re-
gelung der landwirtschaftlichen Verhältnisse. Ne-
ben der Aufhebung der standes= und gutherrlichen
Gerichtsbarkeit brachte das Jahr 1848 auch den
Wendepunkt für die Beseitigung der Grundlasten,
welche, wie in dem Art. „Ablösung der Reallasten“
näher dargelegt, nur langsam vonstatten ging.
Erst die G v. 2. 7. 98 und 16. 8. 08 regelten end-
gültig die Ablösung, so daß die Bodenzinse im
Jahre 1940 erlöschen werden. Das Forst G v.
28. 3. 52 sicherte jedem Waldbesitzer die freie Be-
nützung und Bewirtschaftung seines Waldes, re-
gelte die Forstwirtschaft in den Wäldern des Staa-
tes, der Gemeinden und Stiftungen, nachdem die
G v. 4. 6. 48 und 30. 5. 50 das Jagdrecht auf
fremdem Grund und Boden aufsgehoben und die
Ausübung der Jagd, das G v. 15. 6. 50 den Ersatz
des Wildschadens geregelt hatten. Intensiveren
Wirtschaftsbetrieb und Verbesserung der Kultur
ermöglichte das wichtige Gv. 28. 5. 52 über die
Ausübung und Ablösung des Weiderechtes; die
Weide auf Aeckern und Wiesen während der Be-
bauung und Hegezeit ward ausnahmslos beseitigt,
die Weidedienstbarkeiten wurden für ablösbar
erklärt [w Ablösung der Reallasten .
An demselben Tag ergingen die vorzüglichen Ge-