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Forstwesen (A. Forstwirtschaft)
lung von Staatswald in landwirtschaftlich zu be-
nutzende Ländereien und der Aufforstung von
Oedflächen. Z„
In ersterer Richtung wird von vielen Sei-
ten die Aenderung dann gewünscht, wenn es sich
nicht um Schutzwaldungen handelt, und wenn
eine höhere Bodenrente bei der landwirtschaft-
lichen Benutzung dauernd zu erwarten ist.
Hierfür kommt aber nicht nur die technische Mög-
lichkeit, auf den betr. Flächen überhaupt Land-
wirtschaft zu treiben, sondern in noch höherem
Maß ihre Lage zu den Ortschaften und die so-
zialen Zustände im Allgemeinen in Betracht.
Wenn auch zugegeben werden kann, daß in
Deutschland verschiedene Waldflächen vorhanden
sind, die unzweifelhaft mit Vorteil der Landwirt-
schaft zugewendet würden, so ist doch andererseits
nicht zu verkennen, daß durch unvorsichtiges Vor-
gehen in dieser Richtung bereits ausgedehnte
Oedländereien geschaffen worden sind, deren Auf-
forstung nun wieder im allgemeinen Interesse
dringend gewünscht wird. Die östlichen Provin-
zen von Preußen bieten hierfür ebenso traurige
wie lehrreiche Beispiele.
Erweiterung des Staatswaldbesitzes durch den
Erwerb von Oedflächen erscheint dann
geboten, wenn die Aufforstung derselben erfolgen
muß, um Kulturgelände gegen Lawinen und
Ueberschwemmung (Alpen) oder Versandung
(Westpreußen und Posen) zu schützen, oder wenn-
durch die forstwirtschaftliche Benutzung eine höhere
Rente erzielt wird, als durch eine andere, wenn
auch noch so extensive Wirtschaftsmethode, z. B.
durch Weidebetrieb.
In besonders umfangreicher Weise werden
solche Ankäufe von Oedländereien durch den Staat
zum Zweck der Aufforstung seit etwa 20 Jahren
in den östlichen Provinzen von Preußen vorge-
nommen.
Im allgemeinen ist fast überall die heutige Auf-
salum der Ausdehnung des Staatswaldbesitzes
günstig.
6 9. Grundsätze für die Bewirtschaftung der
Staatswaldungen. In jenen Ländern, in denen
der Staat selbst im Besitz ausgedehnter Waldun-
gen ist, wie namentlich in Deutschland, bildet dessen
Bewirtschaftung im Interesse der Allgemeinheit
eine wichtige Aufgabe der Verwaltung. Der
Staatswald dient zwar hauptsächlich, aber doch
nicht ausschließlich, dem Erwerbe, sondern soll auch
für Verw Zwecke (Förderung der Industrie, He-
bung der Forstwirtschaft in den Nichtstaatswal-
dungen usw.) nutzbar gemacht werden. Inner-
halb gewisser Grenzen steht er dem allgemeinen
Gebrauche zur Verfügung, ohne jedoch freies
Gut zu sein. Die Bewirtschaftung der Staats-
waldungen soll in der Weise erfolgen, daß der
Gesamtheit die größtmöglichen Vorteile aus
ihnen erwachsen.
Bezüglich der Wege, auf denen dieses Ziel bei
den Waldungen, welche nicht Schutzwaldungen
sind, zu erreichen ist, stehen im wesentlichen zwei
Richtungen einander gegenüber, von denen die
eine den unbedingten Gegensatz zwischen öffent-
lichem Interesse und privatwirtschaftlichen Be-
strebungen in der Waldwirtschaft unterstellt, wäh-
rend die andere einen solchen nicht als von vorn-
herein gegeben, sondern nur als in besonderen
Fällen möglich anerkennt.
In der Praxis stehen sich auch die beiden
Richtungen bei weitem weniger feindselig gegen-
über, als in der Literatur. Es findet vielmehr,
allerdings unter Modifikation der seitherigen tech-
nischen Wirtschaftsgrundsätze, tatsächlich eine An-
näherung an die Wirtschaft des größten Boden-
reinertrages statt.
Anders liegen die Voraussetzungen für die
Schutzwaldungen, bei denen die Bewirtschaftung
sich lediglich den Verhältnissen und örtlichen Be-
dürfnissen anzupassen hat.
Unabhängig von dem Streite zwischen Wald-
reinertrag und Bodenreinertrag bildet für die
Staatswaldungen der Grundsatz der Nachhaltig-
keit stets oberstes Gesetz. Um die Schwankungen
in dem Ertrage der Staatswaldungen möglichst
zu vermeiden, wird in neuerer Zeit immer wieder
die Bildung von Reservefonds empfohlen,
welche bei einem Rückgang ausgleichend wirken
(vgl. oben §5 5).
Der Staatswald ist vom allgemein wirtschaft-
lichen und vom forstpolitischen Standpunkt nicht
allein durch die Rente, welche er liefert, von Bedeu-
tung, sondern der Staat hat hierdurch auch Ge-
legenheit, fördernd auf die Forstwirtschaft in den
übrigen Waldungen einzuwirken, durch das Bei-
spiel der guten Bewirtschaftung, billige Abgabe
von Waldpflanzen, Belehrung von seiten seiner
Forstbeamten usw.
2. Waldgenossenschaften.
5 10. Einleitung. Stand der Gesetzgebung
üüber Waldgenossenschaften. Die genossenschaft-
liche Form des Eigentums und der Bewirtschaf-
tung von Waldungen, welche in der altdeutschen
Allmende Jahrhunderte hindurch in weiten Ge-
bieten, namentlich im westlichen und südlichen
Deutschland und einzelnen Teilen von Oesterreich
außerordentlich verbreitet war, ist aus verschiede-
nen Ursachen seit dem Ende des Mittelalters
immer mehr verschwunden. Ausgedehnte Strecken
der alten Markwaldungen sind in das Eigentum
der Landesherren übergegangen, ein kleinerer
Teil wurde bei den sozialpolitischen Umwälzungen
zu Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhun-
derts Eigentum der modernen politischen Gemein-
den, der weitaus größte Teil ist entweder unter
die Besitzer geteilt, wodurch meist kleine Privat-
waldungen entstanden sind, welche häufig in
buntem Gemenge durcheinander liegen. Dane-
ben bestehen, teilweise infolge einer Jahrhunderte
weit zurückreichenden Entwicklung, noch Reste der
alten Allmende in Form von deutschrechtlichen
Wirtschaftsgenossenschaften verschiedener Art oder
von römischrechtlichen Interessentenwaldungen
(gemeinschaftlichen Privatwaldungen unter ver-
schiedenen Bezeichnungen) noch fort. Hierher ge-
hören u. a. die hauptsächlich in Württemberg vor-
kommenden Realgemeinden, die Gehöferschaften
des RegBez. Trier, die Interessentenschaften im
Reg Bez. Erfurt und in Braunschweig, Haubergs-
genossenschaften in Westfalen und die gemein-
schaftlichen Privatwaldungen im rechtsrheinischen
Bayern. Die Entstehung dieser Genossenschaften
ist aber teilweise auch auf andere Ursachen zurück-
zuführen, so auf die Teilung grundherrlicher Mark-
waldungen zwischen Grundherrn und Miteigen-
tümern, Gemeinheitsteilungen innerhalb einer