Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
  
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Forstwesen (B. Forstpolizei) 
  
das eventuelle strafrechtliche Verfahren wegen 
deren Verletzung ist eine sichere Unterlage ge- 
schaffen. So wird z. B. in Württemberg den Be- 
sitzern von Forsten Mitteilung gemacht, daß ihre 
Waldungen unter die Kategorie der Sch gerechnet 
werden. In Bayern sind lediglich allgemeine 
Merkmale im Gesetz für die Sch aufgestellt, und 
bleibt es in jedem Fall dem Eigentümer über- 
lassen, zu erkennen, ob sein Wald als Sch behan- 
delt werden muß. Allerdings sollen die Forst- 
ämter ebenfalls Sch Verzeichnisse aufstellen, allein 
diese haben keine rechtlich-verbindliche Wirkung 
und daher muß der Richter in jedem einzelnen 
Fall erst prüfen, ob der betr. Wald wirklich Sch ist 
oder nicht, was zu großen Unzuträglichkeiten führt. 
Wo solche Sch Verzeichnisse bestehen, ist deren 
periodische Revision notwendig, da einzelne Ver- 
hältnisse, welche für die Einreihung eines Waldes 
in die Kategorie der Sch maßgebend sind, z. B. 
Schutz gegen Wind, im Lauf der Zeit Verände- 
rungen erfahren. 
Die Erklärung eines Waldes als Sch kann aber 
auch nach anderen Gesetzen (Preußen und Oester- 
reich) von Fall zu Fall auf Antrag der gefährdeten 
Interessenten oder der Behörden erfolgen, ohne 
daß eine allgemeine Ausscheidung stattgefunden 
hat. Dieser Antrag kann in Preußen ausgehen: 
1. von jedem gefährdeten Interessenten, 2. von 
Gemeinde-, Amts-, Kreis= und sonstigen Kommu- 
nalverbänden in allen innerhalb ihrer Bezirke vor- 
kommenden Fällen, und von der Landespolizei- 
behörde (5 3 d. G. v. 1875). 
ie Entscheidung darüber, ob und welche Maß- 
regeln in jedem einzelnen Fall anzuwenden sind, 
sowie über Entschädigung und Kosten erfolgt in 
Preußen durch den Kreisausschuß (§ 7), welcher in 
diesen Fällen (ebenso auch, wenn es sich um die 
Bildung von Waldgenossenschaften handelt) die 
Bezeichnung „Waldschutzgericht“ führt. 
Dieses trifft seine Entscheidung auf Antrag und 
Gutachten eines von ihm an Ort und Stelle ent- 
sendeten Kommissars aus seiner Mitte oder in Per- 
son eines hierzu ernannten Sachverständigen. Das 
von dem Kommissar entworfene Regulativ, wel- 
ches die gefahrbringenden und gefährdeten Grund- 
stücke, die notwendigen Beschränkungen in der 
Benutzung, die Bestimmung über die herzustellen- 
den Kulturen und Schutzanlagen, dann die Ent- 
schädigungen und Kosten ersichtlich machen muß, 
hat zunächst in den beteiligten Gemeinden 4 Wo- 
chen aufzuliegen, wobei die Interessenten zu et- 
waigen Einwendungen aufzufordern sind. Liegen 
solche nicht vor, so kann das Waldschutzgericht das 
Regulativ sofort für vollstreckbar erklären, anderen- 
falls hat es nach vorheriger mündlicher Verhand- 
lung Entscheidung zu treffen. Auf das Verfahren 
vor den Waldschutzgerichten, auf die Berufung 
gegen die Entscheidungen derselben und auf das 
Verfahren in den Berufungsinstanzen finden die 
gelepüüchen Vorschriften, betr. die Verfassung der 
erw Gerichte und das Verwtreitverfahren An- 
wendung. 
Die Tätigkeit der Waldschutzgerichte wurde bis 
jetzt nur in verhältnismäßig wenigen Fällen an- 
gerufen. Der Erfolg des preußischen Sch Gesetzes 
ist überhaupt nur ein geringer gewesen, haupt- 
sächlich deshalb, weil dem Antragsteller in allen 
Fällen die Beweislast und die Tragung der Kosten 
des Verfahrens, der Entschädigung und der Schutz- 
  
maßregeln zufällt. Man hat eben angenommen, 
daß der Regel nach der Staat als Antragsteller 
auftreten und alsdann auch die Kosten überneh- 
men würde. 
5#21. Bewirtschaftung der Schutzwaldungen. 
Die Maßregeln, welche zur Verhütung von Ge- 
fahren angeordnet werden können, sind in einzel- 
nen Staaten mehr oder weniger genau durch das 
Gesetz festgestellt, in den meisten sind jedoch die 
betr. Vorschriften allgemein und unbestimmt 
gehalten. Ihre Absicht kann nur auf eine die Er- 
haltung des Waldes an bestimmten Oertlichkeiten 
und seine den Schutzzweck sichernde Bewirtschaf- 
tung und Behandlung gerichtet sein. 
In Württemberg, Bayern, Oesterreich und 
Frankreich (nach dem code forestier) begnügt man 
sich mit dem allgemeinen Rodungs= und Deva- 
stationsverbot nebst dem Gebot der Wiederauf- 
sorstung, während Neuaufforstungen von Lände- 
reien, welche seither nicht zum Waldgrund gehör- 
ten, nicht erzwungen werden können. In Preu- 
ßen ist letzteres nur statthaft, wo Gefahren durch 
Sandverwehungen, Wasserstürze und Ueberflu- 
tungen zu befürchten sind. 
In einigen Ländern können bloß gewisse Vor- 
schriften über Vornahme oder Unterlassung einzel- 
ner wirtschaftlicher Handlungen erteilt werden; in 
anderen sind alle Maßregeln zulässig, welche für 
Erreichung des erstrebten Zieles geboten erschei- 
nen. In Württemberg und Bayern besteht ledig- 
lich Verbot des kahlen Abtriebes, in Preußen kann 
je nach Bedarf sowohl die Art der Benutzung der 
gefahrbringenden Grundstücke, als die Ausfüh- 
rung von Waldkulturen (bei bestimmten Arten von 
Gefahren) und sonstigen Schutzanlagen, wie 
Schutzdämme, Verbauungen, Sickerkanäle an- 
geordnet werden. 
Durch weitgehende Zersplitterung werden die 
Zwecke, welchen Sch dienen sollen, gefährdet, des- 
halb ist einerseits ihre Teilung, wenigstens in zu 
kleine Stücke, zu versagen (St. Gallen Gv. 
30. 11. 76) und andererseits bei bereits vorhande- 
ner Zersplitterung die zwangsweise Bildung von 
Waldgenossenschaften behufs gememnschaftlicher 
Bewirtschaftung anzustreben. (Letzteres ist möglich 
in Italien und war vorgesehen in dem preuß. 
Gesetzentwurf von 1868.) 
Wenn das erstrebte Ziel auf anderem Wege 
nicht erreicht werden kann, so ist auch die Ueber- 
nahme der Verwaltung der zu beschränkenden 
Grundstücke durch Staat, Gemeinde oder gefähr- 
dete Interessenten ins Auge zu fassen (österr. Ge- 
setzentwurf von 1878, franz. G von 1882). 
Am sichersten ist jedoch stets die Bewirtschaftung 
durch den Staat oder durch öffentlich-rechtliche 
Körperschaften nach Erwerbung des vollen Eigen- 
tums. Die Lösung der den Sch gestellten Auf- 
gaben macht häufig die Neubegründung von sol- 
chen erforderlich. Die modernen Gesetze (nament- 
lich Frankreich und Oesterreich) sehen daher diese 
Aufgabe in großem Maßstabe vor und zwar meist 
als Zwangsaufforstung seitens des Staates mit 
zulässiger Expropriation des erforderlichen Ge- 
ländes. Außerdem sucht man auch die Aufforstung 
zu fördern durch Einräumung von Steuerfreiheit 
sowic durch Unterstützungen (Frankreich 30jährige, 
Oesterreich 25jährige Steuerfreiheit für neuan- 
gelegte Waldungen: Aufforstungsprämien werden 
gegeben u. a. in Preußen und Oesterreich). 
  
 
	        
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