Freizügigleit
Wochen bei gewissen Eigentumsvergehen und
Vergehen gegen die Sittlichkeit, zu einer Frei-
heitsstrafe wegen gewisser Feld-, Forst= und
Jagdfrevel, dann wegen Arbeitsscheu, Land-
streicherei, Bettels, gewerbsmäßiger Unzucht
Nur aus der Gemeinde, in welcher die strafbare
Handlung begangen wurde und den Nachbar-
gemeinden kann Ausweisung erfolgen bei Verur-
teilung wegen gewisser gewerbepolizeilicher Ueber-
tretungen, strafbaren Eigennutzes, Veranstaltung
verbotener Spiele, Uebertretungen in Bezug auf
das Dienstbotenwesen, Feiern des blauen Mon-
tags. Einzelne dieser Verurteilungen müssen
wegen wiederholter Verfehlungen innerhalb Jah-
resfrist erfolgt sein.
Die Ausweisung kann nur auf die Höchstdauer
von 2 Jahren verhängt werden; sie darf nicht
mehr verfügt werden, wenn seit Beendigung des
Strafvollzugs 1 Jahr, in anderen Fällen 2 Jahre
verflossen sind; sie soll nur angeordnet werden,
wenn besondere Verhältnisse die Annahme be-
gründen, daß die öffentliche Sicherheit oder Sitt-
lichkeit durch die Anwesenheit der betreffenden
Person in der Gemeinde gefährdet wird. Die
Gemeindeverwaltung ist antragsberechtigt; doch
braucht dem Antrage keine Folge gegeben zu
werden. Die Verfügungen sind anfechtbar;
Rechtsverletzungen können im verwaltungsrecht-
lichen Verfahren gerügt werden.
c) In Sachsen ist maßgebend das G v. 15.
4. 86. Von dem Orte seines Unterstützungs-
wohnsitzes kann niemand weggewiesen werden,
solange er öffentliche Unterstützung von dem
Armenverband desselben genießt. Die strafbaren
Handlungen sind nicht wie in Bayern bestimmt
aufgeführt; die Voraussetzung ist vielmehr eine
bestimmte Dauer der Strafe oder die Wiederho-
lung der Bestrafung. Es genügt bei Verbrechen
und Vergehen Freiheitsstrafe von 6wöchiger
Dauer, dann bei innerhalb 5 Jahren wiederholter
Verurteilung wegen Verbrechen und Vergehen,
daß eine der Strafen eine Freiheitsstrafe gewesen
ist; bei Verbrechen, Vergehen, Uebertretungen,
daß in einem Jahr wiederholt eine Verurteilung
stattfand und zwar wenigstens einmal mit Frei-
heitsstrafe. Doch muß die Straftat von Amts
wegen zu verfolgen gewesen sein; Uebertretungen
müssen sich auf das St GB oder auf landesrecht-
liche Vorschriften im Gebicte der Sitten= oder
Armenpolizei beziehen. Verboten kann werden
der Aufenthalt an einem oder mehreren Orten,
„wenn zu befürchten ist, daß dieser Aufenthalt
dem Bestraften im besonderen Grade die Gelegen-
heit zur Wiederholung von Rechtsverletzungen in
der durch die vorausgegangene Bestrafung an-
gezeigten Richtung darbieten und da-
durch Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung verursachen werde"“. Ueberdies soll
von dem Verbot abgesehen werden aus gewissen
Familienrücksichten, dann wenn die Unterstützung
durch Unterhaltspflichtige verloren ginge, ferner
aus dem Orte des Wohnsitzes: auch ist der Um-
kreis der Orte beschränkt. Von diesen Ausnah-
men gelten aber wiederum Ausnahmen. Die
Höchstdauer der Beschränkung ist 2 Jahre; sie
kann nur verhängt werden, wenn seit Beendigung
des Strafvollzugs ein Jahr noch nicht verflossen ist.
4) Württemberg läßt eine Ausweisung
aus der Gemeinde des Bürgerrechts nicht zu.
–
Maßgebend ist a 57 G v. 16. 6. 85 betreffend die
Gemeindeangehörigkeit. Die Voraussetzungen sind
ähnlich wie in Bayern geregelt; die strafbaren
Handlungen, welche eine Voraussetzung bilden,
sind noch weniger zahlreich wie dort. Zulässig
ist die Ausweisung aus einer Gemeinde auch, so-
lange jemand der bürgerlichen Ehrenrechte ver-
lustig erklärt ist. Unter den die Ausweisung be-
gründenden Uebertretungen ist bemerkenswert die
Erschwindelung oder der Mißbrauch von Unter-
stützungen. Die Ausweisung ist auf bestimmte
Zeit zu verhängen; sie erlischt spätestens 3 oder
5 Jahre nach Beendigung des Strafvollzugs.
e) Anhalt hat bei seinem Gesetz von 1892
teils Württemberg, teils Sachsen zum Vorbild
genommen.
Literatur: WB Berwdg 1890, Art. „Freizügigkeit“
von Gneist 1, 450 f; „Niederlassung“ von Frhr. v.
Stengels, 163; Rehm, 5WStaats W' 4, 464; Rock.
stroh, Entwicklung der F. in Deutschland, Diss. (Jena)
1910; Grill, Das Reichsgesetz über die Erwerbung und
den Verlust der Bundes-= und Staatsangehbrigkeit und über
die F. 1906, 141 ff; Weinberger, F. Gesetz 1905; La-
band 1, 137 Rönne-Zorn? 157, 5 S 170—194;
G. Meyers 1 35; v. Seydel St 3, 20 ff; v. Sey.
del, 13 des F. Gesetzes, Annalen 1890 S 90 ff, 173 ff;
Kutzer, Das Bayerische Heimatrecht 1904, insbesondere
S 494 ff. Gneist, Beschränkungen der F., Arch-Oeff K 1,
1886; Hesse, Die Aufenthaltsbeschränkungen bestrafter
Personen in Deutschland, Dissertation (Göttingen) 1905:
Nußbaum, Die landesgesetzlichen Aufenthaltsbeschrän-
kungen bestrafter Personen in der 8 StrW 25 S 345ff,
28 S6338 Heinrichs, Deutsche Niederlassungsverträge,
1908. (Im übrigen "* bei Armenrecht, Heimat,
Ausweisung). Kutzer.
B. Schutzgebiete
1. Dem Deutschen gewährleistet das F. Ge-
setz nur Rechte innerhalb des Reichsgebietes im
Sinne der Reichsverfassung: es gilt nicht für
die Kolonien. Nun ist allerdings a 3 RV im 99
SchutzgebG auf die Naturalisation von Aus-
ländern, die sich in den Schutzgebieten nieder-
lassen (lund von Eingeborenen) sowie auf das
hierdurch begründete Verhältnis der Reichs-
angehörigkeit als „entsprechend anwendbar“ er-
klärt worden. Das hat indessen nur die Bedeu-
tung, daß die — hier ohne Rücksicht auf eine Lan-
deszugehörigkeit — naturalisierten Insassen des
Schutzgebiets trotzdem in den durch a 3 RV be-
stimmten Beziehungen den Landesangehörigen
gleich behandelt werden sollen. Nachdem die F.
der Landesgesetzgebung jedoch im wesentlichen
entrückt worden ist, kann dies nur noch eine Be-
deutung für die einzelnen Beschränkungen (oben
*" 4) haben, in denen das Verhalten eines Glied-
staates für das eines andern von Einfluß wird
oder für einen Gliedstaat besondere Beschränkun-
gen vorbehalten sind. Hier sollen die in den Ko-
lonien Naturalisierten bei ihrem Aufenthalte inner-
halb der einzelnen Gliedstaaten nicht ungünstiger
als die Angehörigen dieser Gliedstaaten selbst ge-
stellt sein. Diese Absicht war mit der Normierung
verfolgt. Man wird aber auch umgekehrt die
Heimatdeutschen bei einem Aufenthalt in den