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öffentlichen Bekanntmachung des Fundes zur
Anmeldung ihrer Rechte aufgefordert worden
sind. Das Gleiche gilt, wenn gefundenes Geld
abgeliefert worden ist (§ 981).
Auf Grund dieser bürgerlich-rechtlichen Vor-
schriften sind im Bereiche der einzelnen Bundes-
staaten und öffentlichen Verkehrsanstalten eben-
falls Sonderbestimmungen über die
Behandlung der F. ergangen. So hat das
Reichspostamt unter dem 28. 12. 99 (Anl
des Reichspostamts Nr. 75 S 445 ff) eine A#f
über die Behandlung der in den Postdiensträu-
men, Postwagen usw. gefundenen, nicht aus
Postsendungen herrührenden oder nicht aus Reise-
gepäck bestehenden Gegenstände mit Gültigkeit
v. 1. 1. 00 ab erlassen. Ebenso gelten besondere
für den gesamten Bereich des deutschen Eisen-
bahnverkehrsverbandes (ausschließlich der hollän-
dischen Eisenbahnen) gültige Vorschriften für die
Behandlung der im Bereiche der Eisenbahn-
verwaltungen zurückgelassenen und auf-
gefundenen Gegenstände (Fundordnung), Kund-
machung 10. Zu ihr sind von den einzelnen Eisen-
bahndirektionen der preußisch-hessischen Eisen-
bahngemeinschaft Ausführungsbestimmungen er-
gangen, z. B. die von Mai 1908 (Nr. 662 des
Verz. der DAnw) für die Eisenbahndirektions-
bezirke Frankfurt a. M., Cassel und Mainz; für
Bayern Bek Nr. 832 v. Jahre 1899 (Anl der
Gen. Dir. 1899 S 521) usw.
2. Landesrecht. Im übrigen gibt in
Preußen für den Bereich aller staatlichen
Behörden der gemeinsch. Erl der Staatsminister,
betr. Ausführungsbestimmungen zu den #*#§# 980,
981, 983 BGB v. 18. 11. 99 (Mli V 1900 S 35)
nähere Anordnungen über die zu erlassenden Be-
kanntmachungen und deren Aushang. Entspre-
chendes gilt für die übrigen Bundesstaaten. Vgl.
für Bayern: Min Bek v. 2. 12. 99 (GVBl 994).
Sie gilt auch für die Behandlung der F. auf
Privateisenbahnen; Sachsen: Vz. Ausf.
d. BG#B v. 18. 6. 98 §J#8 28—31 (GVBl Nr. 73
S 191 fg.); Württemberg: Asg d. Min d.
Justiz, der ausw. Ang., des Inn., des Kirch. u.
Schulw. u. d. Fin. v. 29. 1. 00 (Reg Bl 118);
Baden: Landesh. V. d. Ausf. des BG# betr.
v. 11: 11. 99 35 19—22 (GVBl Nr. 38 Sö21f #g.k);
Hessen: V v. 9. 8. 99 §§ 17—19 (Reg Bl Nr.
36 S 499 fgK.).
Literatur: Bernhöft, Rechtsfragen des täg-
lichen Lebens, 1. H. „Bom Finden“ (Stuttgart, Moritz,
ohne Jahr); Johnson in Fischers Z 22, 321 flg. —
Außerdem die Kommentare zum B# und die Lehrbücher
des bürgerlichen Rechts, namentlich die Ergänzungen zu
Dernburgs Werk von Oertmann (Bayern), Kloß (Sachsen),
Dorner und Seng (Baden), Kisch (Elsaß-Lothringen).
Saran.
Fürsorgeerziehung
(Zwangserziehung, Ersatzerziehung)
# 1. Zweck und Begriff. # 2. Fürsorgeerziehung nach
Reichsprivatrecht. & 3. Nach Reichsstrafrecht. § 4. Nach
Landesrecht im allgemeinen. # 5. Die einzelnen Landes-
rechte. # 6. Statistik.
Fundsachen — Fürsorgeerziehung
[I = Fürsorge; E — Erziehung.)
8 1. Zwec und Begriff. Das normal lebende
Kind steht unter der F seiner Eltern, deren erzieh-
liche Arbeit ihre Ergänzung und ihre Grenze fin-
det in dem öffentlichen Unterrichte. Staat und
Gesellschaft bemühen sich, dem nicht unter nor-
maler elterlicher F stehenden jungen Menschen
einen Ersatz zu bieten, der ihn als wohlerzogenes
nützliches Glied in die Gesellschaft einwachsen
läßt. Die Summe dieser Bemühungen kann man
mit dem Ausdrucke „Jugendfürsorge“
zusammenfassend bezeichnen. So fällt unter diese
Bezeichnung u. a. die staatliche Regelung der
Vormundschaft, die Benützung von Behörden und
Vereinen um die Säuglinge, um die erwerbs-
tätige Jugend, die Arbeit von Kirche und kirch-
lichen Vereinen, von Staat und Gemeinden um
die hilfsbedürftige Jugend, besonders die Waisen-
pflege. Alles dieses Wirken steigert sich zu einem
förmlichen Kampfe, sobald es sich darum handelt,
junge Menschen, besonders Kinder, vor Gefahren
zu schützen, die ihren Wert als sittliche Persönlich-
keiten dauernd zu zerstören geeignet sind. Die
wichtigste dieser Gefahren wird allgemein als
„Verwahrlosung“ bezeichnet. Sie liegt
dann vor, wenn eine Bewahrung gegenüber den
zur Entartung führenden Lebenskräften nicht
mehr vorhanden ist, indem die Widerstände gegen
die Entartung bei dem jungen Menschen oder bei
Personen, von denen seine Lebensführung ab-
hängt, fehlen. Verwahrloster Kinder nahm sich
schon lange die Liebestätigkeit der Religionsge-
sellschaften an (die kath. „Caritas“ und die evang.
„Innere Mission“). Man suchte die Gefährdeten
„in Fürsorge zu nehmen“, fürsorglich zu erziehen
und sie so zu „retten“.
Erst, als die Ueberzeugung immer mehr durch-
drang, daß man es nicht nur mit einem zufälligen
Unglück Einzelner zu tun hat, sondern mit einer
Massenerscheinung auf Grundlage sozialer und
volksgesundheitlicher Vorgänge, trat der Staat
auf den Plan. Er erkannte, daß die strafrechtliche
Zurückdrängung nicht genügen könne und suchte
durch Aufnahme der Fürsorgeerziehung
unter die behördlichen Aufgaben die Vorbeugung
neben die Zurückdrängung zu setzen. Den hier-
nach durchaus richtigen und bezeichnenden Aus-
druck „Fürsorgcerziehung“ nahm man
aber nicht sofort an, sondern verwendete den we-
niger bezeichnenden und schroffen Ausdruck
„Zwangserziehung“, der auch jetzt noch
vielcrorts die offizielle Bezeichnung einer von
Behörden ausgeübten Jugendfürsorge ist. Im
allgemeinen bezeichnet man als FEE im wei-
teren Sinne oder „Ersatzerziehung“
heute jede auf Anordnung der Behörden erfol-
gende Ersetzung der kraft Privatrechts berufenen
Erzieher durch Andere. Als FE im engeren
Sinne bezeichnet man die auf Landesgesetz be-
ruhende, im öffentlichen Interesse unter öffent-
licher Aussicht und auf öffentliche Kosten erfol-
gende ErsatzE, soweit das Landesgesetz selbst diese
E als FE bezeichnet.
Die FE im weiteren Sinne umfaßt außerdem:
die EUnterbringung Jugendlicher auf Grund der
§5– 55, 56 und 362 StG, auf Grund der §s 1666,
1838, 1631 BGB und auf Grund derjenigen