Gemeindeabgaben (Steuern)
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ließen, den Geld bedarf. Ein weiteres Moment
in dieser Entwicklung bildete die Erweiterung des
gemeindlichen Wirkungskreises und die Umwand-
lung zahlreicher, ihm angehöriger Aufgaben in
solche, die, weil in den Interessen des staat-
lichen Gemeinlebens begründet, für Stadt-
wie für Land Gem obligatorisch wurden.
Die Ausgestaltung dieser größtenteils auf dem
Gebiete des Polizei-, Armen--, Volksschul- und
Wegewesens liegenden Aufgaben hat vorzugs-
weise dazu beigetragen, der Anwendung der St
ihre heutige, auch in den Land Gem immer wach-
sende Ausdehnung zu geben.
Die zunehmende Anwendung der St hat im
Verein mit der Richtung der wirtschaftlichen Be-
wegung auch qgualitativ eine Umgestaltung
des Systems der Gem Besteuerung herbeige führt.
Die fixierten Hebungen, teils realen, teils perso-
nalen Charakters, die zusammen mit Verbrauchs-
St häufig ein Hauptelement in der Gem Besteue-
rung bildeten, konnten den Anforderungen des
emporsteigenden Bedarfs nicht mehr genügen.
Dazu kam die immer eingeschränktere
Verwendung der Verbrauchssteuern,
namentlich weil diese der Anforderung einer der
Leistungsfähigkeit folgenden Verteilung der St Last
in geringerem Maße zu entsprechen und ein
Hemmnis für die von der neueren wirtschaft-
lichen Strömung geforderte freie Bewegung des
Warenverkehrs zu enthalten schienen, aber auch,
weil diese St Arten vom Reiche für seine stets
steigenden Ausgaben zu stark in Anspruch ge-
nommen werden. Die Gem suchten daher die
Sicherstellung des Bedarfs vor allem in der Aus-
bildung bezw. Verwendung von, eine Steigerung
des Ertrages zulassenden, in der Regel an das
System der Staatsbesteuerung sich anschließenden
direkten Gemt. Unter ihnen haben, wie
für das Besteuerungswesen des Staats, so für
das der Gem die unmittelbar auf das
Einkommen gelegten St in neuerer Zeit
eine immer größere Bedeutung erlangt, wo-
gegen sich allerdings in neuester Zeit eine gewisse
Reaktion zugunsten direkter Ertrags steuern
geltend macht (s. 5& 15).
Der hiernach im Gange befindliche Prozeß
einer Umbildung des Gem Besteuerungswesens
ist noch nicht zu seinem Abschluß gelangt. Der
Gang dieser Entwicklung ist von höchster Bedeu-
tung auch für das staatliche Finanzwesen,
da die Zunahme des gemeindlichen St Solls fort-
gesetzt wächst und die Gem St heute schon den
dritten Teil aller St ausmachen.
I. Begriff, Arten
§* 7. Begriff und Gliederung.
Begrifflich unterscheiden sich Staats= uno Gem-
St lediglich durch die Verschiedenheit des steuer-
erhebenden öffentlichen Verbandes. Für beide
ist daher die der wirtschaftlichen Natur der St
entnommene Gliederung in direkte und in-
direkte, bezw. in Kopf-, Vermögens--, Ertrags--,
Einkommen= und AufwandsSt, sowie die Un-
terscheidung von Real= und PersonalSt (s##6
das Nähere unter Staatssteuern) die gleiche.
Das steuererhebende Subjekt charakte-
risiert sich bei den Gem St im Gegensatz zum Staate
durch die ebenso in materieller, als in räumlicher
Hinsichtengere Begrenzung des Herrschafts-
verhältnisses, woraus sich für die Anwen-
dung des Begriffs der GemSt wichtige Folge-
rungen ergeben. Materiell eingeschränkter
ist das Herrschaftsverhältnis der Gem insofern,
als es dem des Staats untergeordnet ist und als es
im Vergleich zu der Gesamtheit der Sicherheits-
und Wohlfahrtsaufgaben, wie sie der Wirkungs-
kreis des Staats umfaßt, eine enger bemessene
Aufgabensphäre zur Voraussetzung hat. Ein von
der Anerkennung und Regelung des Staats ganz
unabhängiges Recht der Gem Besteuerung würde
die Ausübung des staatlichen Hoheitsrechts durch-
kreuzen und beeinträchtigen und den Pflichtigen
ihre Staatsleistungen erschweren, wenn nicht un-
möglich machen. Dem Staate als höchstem Ge-
meinwesen muß daher die Regelung und Beauf-
sichtigung des gesamten Abg Wesens vorbehalten
bleiben (s. auch Fuisting, Grundzüge der St Lehre
1909 S 2). Dieser Unterordnung entspricht es,
daß die Einrichtungen und Veranstaltungen der
Gem Besteuerung sich innerhalb des durch die
staatliche Besteuerung gegebenen Rahmens zu
halten, bezw. sich dem System dieser Besteuerung
anzufügen haben. Das Gem Steuerwesen ist also
durch die Einrichtungen des ersteren bedingt und
in einem je nach der Auffassung, wie sie der be-
treffenden Gesetzgebung zu Grunde liegt, sich be-
messenden geringeren oder höheren Grade von
jenen abhängig. — Die räumliche Begrenztheit
des Herrschaftsverhältnisses der Gem ist die Ursache,
daß der Zusammenhang zwischen den einzelnen
Aufgaben und der Mittelbeschaffung, im Gegensatz
zum Staat, in der Finanzwirtschaft der Gem in
mancherlei Abstufungen und Richtungen aufrecht
erhalten werden kann, daß daher die Besteue-
rung hier in enger Wechselbeziehung steht ebenso
zu den Aufgaben, behufs deren Erfüllung es der
Mittel bedarf, wie zu den Sonderinteressen der
Einzelnen oder von Gruppen derselben, welche
durch diese Aufgaben gefördert werden. Während
daher für die Verteilung der St Last im Staate
das Verhältnis der Leistungsfähigkeit als der in
erster Linie berechtigte Maßstab erscheint, kon-
kurriert mit demselben in der Gem Besteuerung
in bei weitem stärkeren Maße das Verhältnis des
Intere sses, mit welchem die Gem Ange-
hörigen bezw. gewisse Kategorien derselben bei
den Aufgaben beteiligt sind. In den Gesetzgebun-
gen finden sich manche Bestimmungen, welche
eine Berücksichtigung dieses Maßstabes innerhalb
gewisser Grenzen vorschreiben (Prinzip von Lei-
stung und Gegenleistung). S. auch Boldt, Das
Interesse als Grundlage der GemBesteuerung
in den Schriften des Vereins für Sozialpolitik
Bd. 127 I1 Nr. 87 ff.
Eine Richtlinie in obigem Sinne gab für die
Neuregelung des Besteuerungsmaßstabes in Land-
Gem schon das preuß. G v. 14. 4. 56, betr.
die Landgemeindeverfassungen in den sechs öst-
lichen Provinzen, wo es hieß, daß bei neuer
Verteilung der Lasten darauf gesehen werden
solle, „daß die den einzelnen Gem Gliedern oder
den Klassen derselben aufzuerlegenden Anteile
an den Lasten in ein angemessenes Verhältnis
zu den Rechten und Vorteilen treten, welche
dieselben im Gem Verbande genießen.“ In neue-
rer Zeit ist dieser Grundsatz am schärfsten in der
preußischen Kommunalsteuerreform und in deren