Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
122 
Gemeinde (IV. Vermögensverwaltung) 
  
Organen ausgehender Regulative (in Preußen: 
St Ordnungen), den StPflichtigen bezw. dem 
Publikum die Verpflichtung zu bestimmten auf 
die Besteuerung bezüglichen Handlungen oder 
Unterlassungen aufzuerlegen bezw. die Erfüllung 
dieser Verbindlichkeiten durch Strafen für ein 
Zuwiderhandeln sicher zu stellen, deren Festsetzung 
alsdann der Gegenstand einer gerichtlichen oder 
verwaltungsgerichtlichen Entscheidung werden 
kann. Zweierlei Momente sind für die 
Rechtsverbindlichkeit solcher in den Regulativen 
getroffenen Anordnungen und Strafandrohungen 
estimmend: die Zuständigke it zum Erlaß 
bezw. zur Genehmigung des Regulativs (St Ord- 
nung) und die in gehöriger Form erfolgte Be- 
kanntmachung desselben. Eine gesonderte Re- 
gelung haben in der Gesetzgebung der deutschen 
Staaten diese Punkte nur selten gefunden, indem 
für die Bemessung der Zuständigkeit und die Form 
der Publikation die allgemeinen Vorschriften über 
dielvon den Lokalbehörden ausgehenden Verord- 
nungen maßgebend zu sein pflegen. Eine Spezial- 
bestimmung in jenem Sinne war für Preußen 
die Vorschrift des Zust G § 31 Abf 4, wonach die 
Bestätigung (Genehmigung) von GemBeschlüssen 
und der Erlaß von Anordnungen, durch welche 
besondere direkte oder indirekte Gem St neu 
eingeführt oder in ihren Grundsätzen verändert 
werden, der Zustimmung der Ministerien des In- 
nern und der Finanzen bedürfen, ferner die Be- 
stimmung der StO für die östlichen Provinzen 
v. 30. 5. 53 (§ 53 1I), wonach in den über die Er- 
hebung von Kommunalst zu erlassenden Regula- 
tiven Ordnungsstrafen gegen die Zuwiderhandeln- 
den bis auf Höhe von 10 Talern (KommAbgG 
§s 82: 30 Mk.) angedroht werden können. Neuer- 
dings ist der Gegenstand erschöpfend durch das 
Kommbg sowie durch das Kreis= und Prov.= 
Abg G v. 23. 4. 1906 geregelt worden. 
In Preußen hat namentlich die Miquelsche Kommu- 
nalsteuerresorm Raum geschaffen und Anregung gegeben 
zu einer ausgedehnteren autonomischen Regelung des 
Gem St Wesens. Von der Erkenntnis ausgehend, daß die 
Grund-, Gebäude= und Gewerbe St, die bis dahin vom 
Staate erhoben waren und nun für die Staatskasse zugunsten 
der Gem außer Hebung gesetzt werden sollten, in ihrer bis- 
herigen Form für die gemeindlichen Berhältnisse nicht mehr 
paßten und keine genügende Ausnützung 
der betreffenden Ertragsguelle gestat- 
teten, trasen die 18 23 vorletzter und letzter Abs, 25, 
27, 29, 31, 32, 57 Vorsorge dafür, daß der Gemuu-= 
tonomie auf diesem Gebiete möglichst wenig Hin- 
dernisse in den Weg gelegt würden. Auch wur- 
den späterhin im Ausführungswege den Gem mehrfach 
Muster zu besonderen St Ordnungen an die Hand gegeben 
und sie des öfteren auf die Zweckmäßigkeit dieses Vorgehens 
hingewiesen. Der Erfolg ist denn auch gewesen, daß im 
Jahre 1905 bereits 61% des gesamten durch Grund- und 
Gebäude St gedeckten und zirka 30% des durch Gewerbe St 
gedeckten Finanzbedarfs auf Grund besonderer St oder bei 
der Gewerbebesteuerung durch Anwendung der durch 1 31 
des Kommü#bg zugelassenen verschiedenen Abstufungen 
der Zuschläge eingehoben wurden. Bei den GrundSt 
handelte es sich dabel hauptsächlich um Einführung beson- 
derer Grund St nach dem gegenwärtigen gemeinen 
Wert (2—3 pro mille) im Gegensatz zu nach einem weit 
zurückliegenden Ertragswer t abgestufter Grund St, wo- 
durch es namentlich möglich war, in industriereichen, großen 
oder im Rayon großer Städte liegenden Städten die rasch 
  
steigenden Grundstückswerte besser zu erfassen (bei land- 
wirtschaftlich genutzten Grundstücken ist neuerdings durch 
Erl v. 14. 6. 07 MlB S 235 die Einführung eines, aller- 
dings von Jahr zu Jahr zu ermittelnden Ertragswerts 
zugelassen worden). Bei der Gewerbebesteuerung war 
es die sog. Kopfbesteuerung (1905 in 75 Gem vertreten), 
welche die St nach der Zahl der beschäftigten Arbeiter 
bemißt, die vielen Anklang in großen industriellen, ins- 
besondere Kohlenzechen besitzenden Landgemeinden des 
rheinisch-westfälischen Industriebezirks fand. Vielfach wurde 
aber auch dem Anlage- und Betriebskapital gegenüber dem 
Ertrage größere Bedeutung beigemessen, stellenweise auch 
die Summe der gezahlten Gehälter und Löhne für die 
Höhe der St entschelidend gemacht. Ferner kommen Kom- 
binationen verschiedener Maßstäbe vor, z. B. von Anlage--, 
Betriebskapital oder Gebäudesteuernutzungswert einerseits 
und Arbeiterkahl andererseits oder von Kapital-Ertrag 
und Umsatz. Gegen eine Besteuerung lediglich nach 
Maßgabe des Umsatzes spricht sich dagegen ein MinE v. 
11. 6. 08 (Mittelilungen aus der Verwaltung der direkten 
St Heft 52 S 104) aus. 
Die Zweckmäßigkelt dieses Borgehens kann nicht besser 
beleuchtet werden als durch die Tatsache, daß die neuen 
Grundwert St oft bis zum doppelten des bisher aus den 
Zuschlagsprozenten gewonnenen Ertrags, bei Gewerbe St 
stellenweise sogar ein außerordentlich großes vielfache, das 
6, 7, 8, 10 und mehrfache einbrachten, ohne daß erheb- 
lüiche Klagen über Bedruck laut wurden. 
S. über die Arten der Gem Gewerbe St der preuß. 
Städte mit mehr als 50 000 E. auch Stat. Korrespondenz 
1907 Nr. 12 II. 
Für die inkommensteuer — die Ergänzungs St 
ist von kommunalen Zuschlägen frei — ist in Preußen 
das Zuschlagsprinzip beibehalten worden. 
Auch für indirekte St sind St Ordnungen nach dem 
Komm Abg G zugelassen. Hier ist die Zuschlagsform meist 
nicht üblich (13 18 ff Komm#bg G). Die hauptsächlichsten 
indirekten Kommunal St sind in Preußen: Umsatz St IU1, 
Bier St IV, Lustbarkeits St, Hunde St I1 Luxussteuerl, 
neuerdings auch Schankkonzessionssteuer. 
II. Richt= und Grundlinien der einzelstaatlichen 
Bestenerungssysteme 
Vorbemerkung. Aus der älteren Auffassung 
der Gem als einer Rechts= und Interes- 
sengemeinschaft ergab sich, daß die Re- 
gelung der Stusschreibung und -erhebung vor- 
wiegend im Anschluß an das örtliche Her- 
kommen durch autonome Beschlußfas- 
sung der Gem erfolgte. Erst die einheitlichere 
Gestaltung des staatlichen Besteuerungswesens 
und der Gen Verfassung, wie sie dem Wesen des 
modernen Staats entsprach, ließ das Bedürfnis 
einer gleichheitlicheren Regelung 
auch des Besteuerungswesens aller Gem her- 
vortreten. Da eine solche nur im Wege der Ge- 
setzgebung erreichbar war, so mußte sich hieraus 
eine Erweiterung der Aufgaben des Staats und 
eine entsprechende Ein schränkung der Au- 
tonomie der Gem auf dem in Rede stehen- 
den Gebiete ergeben, ein Prozeß, der in den 
einzelnen Ländern in sehr verschiedener Abstu- 
fung zur Ausführung gelangt ist. In neuester 
Zeit hat auch die Sicherstellung der Aufgaben 
des Reichs zur Aufstellung gewisser Beschrän- 
hungen der Gem Autonomie auf diesem Gebiete 
ge führt. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.