Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Gemeinde (IV. Vermögensverwaltung) 
  
Kraft Reichsrechts gilt nur die Bestim- 
mung des 5 22 des Reichspost G v. 28. 10. 71, 
wonach die vorschriftsmäßig zu haltenden Post- 
pferde und Postillone zu den behufs der Staats- 
und Kommunalbedürfnisse zu leistenden Spann- 
diensten nicht herangezogen werden dürfen. 
Kolonialfinanzen. 
2. Preußen. 
1. Früherer Rechtszustand. In 
den Städten der 7 alten Provinzen konnten 
die selbständigen Einwohner und die in der Stadt 
besteuerten Forensen und juristischen Personen 
durch Beschluß der Stadtverordneten zu Diensten 
verpflichtet werden. Befreit waren Beamte, 
Geistliche und öffentliche Lehrer. Die Dienste 
wurden in Geld abgeschätzt und nach dem Maß- 
stab der direkten Staatssteuern verteilt. Ab- 
weichungen von diesem Maßstab bedurften der 
Genehmigung des Bezirksausschusses. Die Dienste 
konnten, abgesehen von Notfällen, durch Stell- 
vertreter geleistet oder nach Abschätzung an die 
Gem Kassen bezahlt werden (StO # 54). Gleiches 
alt in Westfalen (StO #(53, LGO l 58), der 
Sihelnprovinz (StO #50, LGO 23), Schleswig- 
Holstein (StO #§ 22, 73). In den Landge- 
meinden der 7 alten Provinzen waren die 
Gem Mitglieder (Grundbesitzer) dienstpflichtig. Die 
Handdienste waren nach Köpfen, die Spann- 
dienste nach Verhältnis der Klassen verteilt, in 
welche die Ackerbesitzer nach der Zahl ihrer Ge- 
spanne in jedem Ort eingeteilt waren (§18 LGO; 
ALK 11.7 && 37—42). In Hannover konn- 
ten in den Städten die Gem Mitglieder in dringen- 
den Fällen zur Leistung von Diensten herange- 
zogen werden, worüber das Nähere durch Orts- 
statut zu bestimmen war (StO 5 15). Die LGO 
enthielt keine Bestimmungen. In Kurhessen 
waren vorbehaltlich gewisser Ausnahmen die 
Gen Mitglieder nach Maßgabe des Ortsstatuts 
dienstpflichtig. Es wurde zwischen Reihen= und 
Notdiensten unterschieden (GemO # 78). In 
Nassau waren die Fuhrwerksbesitzer zu Spann- 
diensten und, vorbehaltlich gewisser Ausnahmen, 
die übrigen zu Handdiensten verpflichtet. Zur 
Auferlegung von Diensten über ein gewisses 
Maß hinaus war die Zustimmung von 55 der Be- 
teiligten erforderlich (Gem O §# 38—40). Die 
hessen-nassauische St O v. 3. 8. 97 enthält keine 
Bestimmung. 
2. Geltendes Recht. I. An die Stelle 
der in den StO, LGO und Gem enthaltenen. 
Bestimmungen über Gem Dienste sind seit dem 
Inkrafttreten des Kommbg G die Vorschriften 
des vierten Titels dieses Gesetzes getreten, der 
unter der Ueberschrift „Naturaldienste“ die Gem- 
Dienste in einem einzigen Paragraphen (5 68) 
behandelt. Ordnungen indessen, die bis zu jenem 
Zeitpunkt in Geltung waren, bleiben — au 
wenn sie den Vorschriften des 3& 68 nicht entspre- 
chen — bis zur Abänderung durch gültigen Gem- 
Beschluß oder Anordnung der Aufsichtsbehörde 
bestehen (§ 96). 
Dem früheren Rechtszustand entsprechend und 
namentlich in Anlehnung an § 18 der ästlichen 
LGv. 3. 7. 91, dem sich § 68 im allgemeinen 
angeschlossen hat, geht das Gesetz von dem Grund- 
satz aus, daß die Steuerpflichtigen durch Gem- 
Beschluß zu Naturaldiensten (Hand- und Spann- 
diensten) herangezogen werden können. Die Ver- 
  
pflichtung trifft alle Real- und Einkommensteuer- 
pflichtigen, auch die Forensen, juristischen Perso- 
nen usw. Die in den ##§#. 40, 41, 42 aufgeführten 
GemEinkommensteuerfreien (Beamte, Geistliche, 
Elementarschullehrer, Militärpersonen) sind von 
Naturaldiensten, soweit diese nicht auf den ihnen 
gehörigen Grundstücken lasten, befreit; untere 
Kirchendiener insoweit, als ihnen diese Befreiung 
seither rechtsgültig zustand. Die von den Gem- 
Abgaben ganz oder teilweise freigelassenen Gem- 
Einkommensteuerpflichtigen mit einem Einkom- 
men von nicht mehr als 200 Mk. (5 38) können 
wohl, brauchen aber nicht wie solche mit höherem 
Einkommen zu den Gem Diensten herangezogen 
werden. Der GemBeschluß, durch den die Leistung 
der Gem Dienste geregelt wird, hat die Bedeutung 
einer statutarischen Anordnung, deren Genehmi- 
ng sich nach den entsprechenden gemeindever- 
assungsrechtlichen Vorschriften richtet (Ausf. Anw. 
A 44 Ziff. 2). 
Die Verteilung der Dienste ist im Gesetz 
dahin geordnet: Spanndienste sind von den Grund- 
besitzern nach dem Verhältnis der Zugtiere, 
welche die Bewirtschaftung ihres im Gem Bezirk 
belegenen Grundbesitzes erfordert, Handdienste 
regelmäßig von sämtlichen Steuerpflichtigen in 
gleichem Maße zu leisten. Da aber diese letzteren 
Dienste grundsätzlich von Pflichtigen selbst ge- 
leistet werden sollen, so kann die Gem von jedem 
nur eine Arbeitsleistung fordern, die seinen indi- 
viduellen Kräften entspricht (OV G 20, 155). Ist 
der Grundbesitz verpachtet, so hat der Gem gegen- 
über der Verpächter, unbeschadet der zwischen 
ihm und dem Pächter getroffenen Vereinbarung, 
für die Leistung der Spanndienste einzustehen 
(Abg.H. StBer S 2164, 2330). Ob und inwie- 
weit den gespannhaltenden Grundbesitzern die 
ihnen obliegenden Spanndienste auf das Maß 
der auf sie entfallenden Handdienste anzurechnen 
sind, bestimmt sich nach den hierüber getroffenen 
vertragsmäßigen oder statutarischen Festsetzungen 
oder dem Herkommen. Die Vermutung spricht 
im Zweifelsfalle dafür, daß die gespannhaltenden 
Grundbesitzer nur bei solchen Arbeiten, bei welchen 
zugleich Spanndienste vorkommen, von den 
Handdiensten befreit sind. Stadt Gem können 
mit Genehmigung des Bez.-Ausschusses, Land Gem 
mit Genehmigung des Kreisausschusses eine ab- 
weichende Regelung beschließen. Dergestalt kön- 
nen insbesondere solche Steuerpflichtigen, die 
keinen oder nur unerheblichen Grundbesitz in der 
Gem haben, dagegen für ihren sonstigen gewerb- 
lichen Betrieb zahlreiche Zugtiere halten, in einem 
Verhältnisse zu den Spanndiensten herangezogen 
werden, das ihrer Mitbenutzung der Straßen und 
Wege in der Gem entspricht (Ausf. Anw a 44 
Ziff. 1). Ebenso ist hierdurch den Gem die Mög- 
lichkeit eröffnet, eine Verteilung der Spanndienste 
nach einem anderen Maßstabe als dem “ 
z. B. nach der Grundsteuer, der Handdienste na 
Abstufungen der Hand= und Spanndienste nach 
den GemSteuern vorzunehmen. 
Die Dienste können mit Ausnahme von Not- 
fällen durch taugliche Stellvertreter geleistet wer- 
den, auch kann die Gem gestatten, daß an Stelle 
des Naturaldienstes ein angemessener Geldbetrag 
geleistet wird. Beschließt die Gem dagegen, daß 
die Dienste allgemein nicht in Natur, sondern in 
Geld zu leisten sind, so handelt es sich überhaupt 
 
	        
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