Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Gemeinde (IV. Vermögensverwaltung) 
  
der Pflichtausgaben in diesem Sinne, 
wenn auch diese Bezeichnung nicht überall ge- 
bräuchlich ist, gemeinsam. Es werden darunter 
im Gegensatze zu den freiwilligen oder 
fakultativen solche Ausgaben verstanden, 
die der Gem zufolge öffentlich-rechtlicher Ver- 
pflichtung obliegen und zu deren Leistung sie im 
Wege des administrativen Zwanges angehalten 
werden kann. Die Form der Ausübung dieses 
Zwanges ist regelmäßig die auf Grund Be- 
schlusses der Aufsichtsbehörde erfolgende Ein- 
stellung in den Voranschlag (sog. Zwangs- 
etatisierung). Nicht Pflichtausgaben in 
diesem Sinne sind Ausgaben, zu deren 
Leistung die Gem vermöge Privatrechts- 
titels verpflichtet sind und zu deren Erfüllung 
sie dementsprechend im Rechtswege gezwungen 
werden können (Ausnahmen GemO für das 
linksrh. Bayern aà 157, für die Pfalz a 89). Die 
Scheidung zwischen Pflichtausgaben und fakul- 
tativen Ausgaben hat nach französischem Muster 
die in Elsaß-Lothringen geltende Gesetzgebung 
(GempO v. 6. 6. 95 5 65) auf Grund einer Spezia- 
lisierung der ersteren zu einer Grundlage für die 
Aufstellung und Anwendung des GemBudgets 
gemacht, wogegen die Gesetzgebungen der übrigen 
deutschen Staaten sich meistenteils auf die Fest- 
stellung des Prinzips und die Regelung des Ver- 
fahrens beschränkt haben, ohne im Etat den Un- 
terschied von Pflicht= und freiwilligen Ausgaben 
zum Ausdruck zu bringen. In der neueren Rich- 
tung dieser Gesetzgebung tritt vielfach das Be- 
streben hervor, bei Erzwingung der Leistung 
von Pflichtausgaben durch Zwangsetatisierung 
teils der Mitwirkung der Selbstverwal- 
tungsorgane, teils der Kontrolle der Ver- 
waltungsgerichte einen erweiterten 
Spielraum zu geben. 
Seine neueste Formulierung hat in Preu- 
ßhen das Prinzip der Pflichtausgaben in den 
&###19 und 35 Zust G gefunden. Nach der ersteren 
Bestimmung verfügt, „wenn eine Stadtge- 
meinde unterläßt oder verweigert, die ihr ge- 
setzlich obliegenden Leistungen auf den Haus- 
haltsetat zu bringen oder außerordentlich zu ge- 
nehmigen, der Reg Präsident unter Anführung 
der Gründe die Eintragung in den Etat bezw. die 
Feststellung der außerordentlichen Ausgabe“. 
Gegen die betr. Verfügung steht der Gem die 
Klage beim Oberverwaltungsgerichte zu. Die 
gleiche Befugnis übt, sofern bei Landgemein- 
den oder Gutsbezirken die betr. Voraus- 
setzungen vorliegen oder von ihnen Leistungen der 
gedachten Art unerfüllt gelassen werden, der 
Landrat als Vorsitzender des Kreisausschusses aus, 
dessen Verfügung von der Gem bezw. dem Be- 
sitzer des Gutes durch Klage beim Bezirksausschusse 
angefochten werden kann. In ähnlicher Weise 
grenzen die bayerischen Gem den Bereich 
der Staatsaufsicht ab (für das linksrh. Bayern 
à 157, für die Pfalz a 89). Die Verfügung der 
Kreisregierung unterliegt der Beschwerde beim 
Verw Gerichtshof (G v. 8. 8. 78 a 10 Abs 2). In 
Sachsen enthält eine ähnliche Bestimmung 
die rev. LGO # 96, die rev. StO 5 134. In 
Württemberg regelt a. 188 Gem v. 1906 
  
  
  
  
St O v. 1874 à 85, LGO aà 73; endlich in El- 
saß-Lothringen 3 73 der GemOv. 6. 6. 
95. (S. auch F. F. Mayer, Gemeinwirtschaft nach 
geläuterten Begriffen 1851 # 379.) 
III. Weitere Einteilungen. In den 
Verwaltungsetats geschieht die Einteilung 
der Ausgaben meist nach bestimmten Verwal- 
tungszweigen, Verwaltungsabtei- 
lungen (s. dazu auch § 8). Meist unterscheidet 
man so z. B. allgemeine Verw Kosten, Polizei- 
kosten, Schul-, Armenkosten, ferner Betriebskosten 
der städtischen Werke usw. Je größer das Gemein- 
wesen, eine um so größere Spezialisierung weist 
der Gemeindeetat auf. 
Nach dem Denkschriftenband zur Reichsfinanzreform I 
S 690 stellten sich die verschiedenen Ausgabegruppen der 
Städte und Land Gem mit mehr als 10 000 Einwohnern 
im Deutschen Reiche im Etatsjahr 1907 wie folgt: 
I. Kämmereiverwaltung, ' 
Steuerverwaltung, 
Schuldenverwaltung 874 868,1 Mk. = 19,02% 
II. Allgemeine Berwaltung 
und Polizeiverwaltung 281 927,7 Mk. — 11,75% 
III. Berwaltung d. städtischen 
Werke u. Markthallen usw. 452 579,2 Mk. = 22,96° 
IV. Bildungs= u. Kunstinstit. 341 980,2 Mk. — 17,36% 
V. Bauverwaltunng 194 641,1 Mk. — 9,87% 
VI. Armen., Waisen= u. Kran- 
kenhausverwaltung 150 710,1 Mk. = 7,64 % 
VII. Sonstige VerwZweige. 224 770,9 Mk. = 11,40% 
Insgesamt. 1 971 477,8 Mk. — 00,00% 
Weitere Statistik auch über die einzelnen Staaten s. in 
den Schriften des Vereins für Sozialpolitik 127 II, 202 f. 
Ueber die Einteilung in ordentliche und außer- 
ordentliche Ausgaben s. 538. 
4. Einnahmen; eigene Einnahmen und 
Ueberweisungen seitens des Staats und der 
größeren Verbände. Die eigenen Einnah- 
men der Gem sind solche, welche der privaten 
Wirtschaft der Gem angehören d. h. welche aus 
der Nutzbarmachung des Gem Vermögens bezw. 
den von den Gem nach privatwirtschaftlichen 
Grundsätzen betriebenen Unternehmungen zu- 
fließen. 
Mit der Entwicklung der durch allgemeine 
Interessen begründeten Aufgaben zu den sog. 
absoluten Aufgaben und mit der Erweiterung 
des Anteils der Gem an den letzteren, wie sie die 
Wirkung des dezentralisierenden Zuges der Ge- 
setzgebung gewesen ist, hat im Aufgabenkreise der 
Gem das Element derjenigen Leistungen, die 
wegen ihrer Beziehung zu jenen Interessen als 
notwendige gefordert werden und die einer Ein- 
schränkung in concreto nur innerhalb gewisser 
Grenzen fähig sind, einen wachsenden Umfang 
gewonnen. Je mehr dies der Fall war, desto 
schwieriger wurde es, zwischen dem Gesamtum- 
fange dieser Anforderungen und der individuellen 
Leistungsfähigkeit der Gem die erforderliche Wech- 
selbeziehung zu erhalten und desto mehr mußte 
das Bedürfnis eines das vielfach entstandene 
  
Mißverhältnis ausgleichenden Eintretens der 
größeren Verbände und des Staats 
sich geltend machen. In der heutigen Finanz- 
wirtschaft der Gem werden daher in erster Linie 
das Verw Zwangverfahren der Staatsaufsichts= neben den eigenen Einnahmen (A) 
behörde gegenüber den Gem. 
§+ 172a der GemO v. 1906. 
In Baden s. 
solche, die auf Zuweisungen der größe- 
In Hessen! 
ren Verbände und des Staats (8) be-
	        
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