Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Gemeindehaushalt (formell) 
151 
  
dieser Kichtschnur festzustellen. Voraussetzung der 
Erhaltung einer normalen Wechselbeziehung zwi- 
schen beiden Tätigkeiten ist eine der Einrichtung des 
Voranschlags und der Rechnung sich anpassende 
Kassen= und Buchführung, deren Formen 
daher den für Voranschlag und Rechnungslegung 
geltenden im allgemeinen untergeordnet sind. 
Wie bei der Finanzwirtschaft überhaupt, so ist 
auch bei der Aufstellung des Voranschlages und 
der Rechnungslegung das Interesse der Ge- 
meinde und indirekt der einzelnen Gem- 
Mitglieder in der umfangreichsten Weise betei- 
ligt. Dieser Natur der Sache entspricht es, daß 
für beide Operationen der Schwerpunkt in die 
Beschlußfassung der Gemeindeor- 
gane gelegt und insbesondere der Mitwirkung 
der Gemeinde vertretung bezw. der Gem- 
Mitglieder der weiteste Spielraum eröffnet, sowie 
das Prinzip der Oeffentlichkeit in der 
größten Ausdehnung zur Geltung gebracht 
wird. Die Gesetzgebungen aller deutschen 
Staaten tragen diesem Gesichtspunkte Rechnung. 
In zweiter Reihe konkurriert aber mit dem In- 
teresse der Gem auch das des Staats. Dessen 
Aufgabenerfüllung hat zur Voraussetzung, daß 
die finanzwirtschaftliche Leistungsfähigkeit der 
Gem erhalten bleibt, daß ein angemessener 
Teil dieser Leistungsfähigkeit für die Sicherstel- 
lung der den Gem zugeteilten Aufgaben zur Ver- 
wendung gelangt und daß, soweit es sich um 
Gem Besteuerung und Anleihegenehmigung han- 
delt, die staatlichen Besteuerungs= und Schuld- 
interessen nicht durch die Steuer-- und Schulden- 
politik der Gem zu sehr benachteiligt werden. 
Daher sind Einrichtungen erforderlich, um den 
Staat über die Ergebnisse der Voranschlagsauf- 
stellung und der Rechnungslegung informiert zu 
erhalten bezw. ihm eine der Auffassung des vor- 
mundschaftlichen Berufs der Staatsorgane, wie 
solcher in geringerem oder höherem Grade in der 
Gesetzgebung vielfach zum Ausgangspunkt ge- 
nommen worden ist, entsprechende Einwirkung 
zu sichern. Natürlich pflegt sich diese Einwirkung 
mehr aufs den Inhal t als die Form zu erstrecken. 
Dafür weist auch letztere, den örtlichen Bedürf- 
nissen entsprechend, eine große Mannigfaltigkeit 
auf. Namentlich das Prinzip der Etatseinheit, 
der Vollständigkeit usw. ist durchaus nicht gleich- 
mäßig in allen Gem durchgeführt. Sind diese 
Grundsätze und deren Durchführung auch für die 
kleineren Gem Wesen nicht von der Bedeutung 
wie für den Staat, so gewinnen sie doch mit Stei- 
gerung der Einwohnerzahl, der Gen Wirtschaft 
und der Einnahmen und Ausgaben der Gem 
immer größere Bedeutung. In Erkenntnis der 
großen Bedeutung eines gut geregelten formellen 
Etats-, Kassen= und Rechnungswesens sind denn 
auch neuerdings namentlich in den größeren 
Städten besondere Finanz= und Komptabilitäts- 
ordnungen ergangen, die oft von großer Sach- 
und Fachkenntnis zeugen und einen guten Schritt 
vorwärts auf diesem wichtigen, aber zugleich nicht 
einfachen Gebiet bedeuten (S. namentlich Frank- 
furt a. M. Finanzordnung, neue Komptab. 
Grundsätze der Stadt Königsberg i. Pr. vom 
4. 4. 07. Hier und anderwärts hat eine der staat- 
lichen Komptabilität kaum nachstehende Regelung 
des sormellen Etats-, Kassen= und Rechnungs- 
wesens stattgefunden). 
  
  
..———— ·· 
A. Voranschlag (Budget, Haushalts- 
etat) 
##6. Wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung. 
Der Voranschlag dient zunächst als von der Ver- 
waltung vorgelegter Entwurf dem Zwecke der 
Information, indem er die voraussichtlichen 
Einnahmen und Ausgaben für eine bestimmte 
Zeitperiode nebeneinander stellt und dadurch die 
für die Beurteilung der Finanzlage und die Orien- 
tierung über das Maß der verfügbaren Deckungs- 
mittel erforderliche Grundlage gewährt. Als fest- 
gestellter Etat hat er zugleich die Aufgabe, für die 
Wirtschaftsführung der betr. Finanzperiode eine 
Direktive zu bilden, und zwar in formeller, 
wie in materieller Hinsicht: in formeller 
Hinsicht, indem er für die Einreihung der Finanz- 
operationen in die Buch= und Kassenführung den 
Rahmen vorzeichnet: in materieller Hin- 
sicht, indem er den Wirtschaftsplan, den Plan der 
anzustrebenden finanzwirtschaftlichen Ergebnisse 
und der vorzunehmenden Rechts- und Wirt- 
schaftsakte feststellt. Insofern die Führung der 
Gen Wirtschaft in den Händen anderer Faktoren 
liegt, als diejenigen sind, von denen die Feststel- 
lung des Voranschlags ausgeht, pflegt er für die 
ersteren zugleich die Ermächtigung zur Vor- 
nahme jener Akte zu enthalten, was ihm die Eigen- 
schaft einer den ausführenden Organen erteilten 
Vollmacht gibt, eine Eigenschaft, die vor- 
zugsweise im Bereiche der Ausgabewirtschaft her- 
vortritt. Letzterer Auffassung des Voranschlags 
entspricht es, daß es zur Leistung von Ausgaben, 
die in jenem nicht vorgesehen sind bezw. den da- 
selbst ausgeworfenen Betrag überschreiten, regel- 
mäßig besonderer vorgängiger oder nachträg- 
licher Genehmigung der zur Feststellung des 
Voranschlags berufenen Organe bedarf (außer- 
etatsmäßige Ausgaben, Etatsüberschreitungen). 
#7. Erfordernis periodischer Boranschlags- 
aufstellung: Finanzperiode. Für jede öffentliche 
Wirtschaftsführung von gewissem Umfange bil- 
det die periodische Feststellung eines Voranschlags 
die unumgängliche Voraussetzung eines geord- 
neten Zustandes, von der nur bei einem ganz ge- 
ringen Umfange der betr. Finan#w#irtschaft ab- 
gesehen werden kann. Die Gesetzgebungen stim- 
men daher darin überein, daß sie entweder für 
alle größeren oder überhaupt für alle 
Gemeinden solche Voranschlagsausstellung 
vorschreiben: nur ausnahmsweise ist die Auf- 
stellung eines Voranschlags für längere Perioden. 
vorgeschrieben oder zugelassen. 
In den östlichen Provinzen Preußens ist 
durch & 119 der LGO v. 3. 7. 91 die Aufstellung 
eines Voranschlags auch für die Land Eem obli- 
gatorisch geworden, mit der Masgabe jedoch, daß 
einzelnen Gem die Festsetzung eines Voranschlags 
nachgelassen werden darf, wenn deren Verhält- 
nisse dies unbedenklich erscheinen lassen. Von 
dieser Ermächtigung wird vorzugsweise bei sehr 
unbedeutendem Umfange des GemHauehalts 
und bei mangelnder Befähigung Gebrauch zu 
machen sein. Die Voranschlagsperiode wird ge- 
bildet durch das Rechnungsjahr oder durch eine 
von der Gem Versammlung bezw. Gem Vertretung 
festzusetzende Rechnungeperiode, die jedoch die 
Dauer von drei Jahren nicht übersteigen darf. 
Die Feststellung ist vor Beginn der Rechnungs-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.