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Gemeinde (IV. Vermögensverwaltung)
periode zu bewirken. In den Provinzen Han-
nover und Schleswig-Holstein, so-
wie im RegBezirk Kassel, ferner im König-
reich Sachsen ist, was die Landgemein-
den anlangt, die Entscheidung darüber, ob ein
Voranschlag aufgestellt werden soll, den Gem-
Organen überlassen bezw. eine Nötigung dersel-
ben auf Fälle größeren Umfangs des Gem-
inanzwesens beschränkt. Für die Städte
in Preußen die periodische Voranschlagsauf-
stellung teils gesetzlich angeordnet, teils in den
betr. Zuständigkeitsbestimmungen vorausgesetzt.
In Bayern, Württemberg, Baden,
Hessen und Elsaß-Lothringen ist die
Aufstellung des Voranschlages für alle Gem obli-
gatorisch. Die Voranschlagsperiode ist überall
das Finanz- oder Kalenderjahr; längere Etats-
perioden sind nur ausnahmsweise zugelassen
(Bad. Gv. 1906 5Kf 153). Die für Württem-
berg durch das Verwdikt v. 1. 3. 1822 8 27
vorgeschrieben gewesene Aufstellung eines zehn-
jährigen Hauptetats ist durch G v. 21. 5. 91 à 78
ausdrücklich ausgehoben worden; a. 121—134
Gem,O v. 1906 regeln eingehend die Aufstel-
lung des Voranschlags. ..
8. Einteilung des Budgeis. Die Einteilung
(Filiation) ist eine vertikale und eine horizontale.
Die erstere gibt die Kapitel, Titel, Paragraphen
der Einzelposten und die auszuwerfenden Sum-
men, denen meist die letztjährigen Summen
gegenübergestellt werden, an.
Die horizontale zeigt den Zweck, dem der Ein-
zelposten gewidmet ist. Die Einteilung gliedert
sich hier naturgemäß in doppelter Richtung; nach
den Materien der Verwaltung und nach der
Beziehung der einzelnen Einnahme= und Aus-
gabeposttionen zu der betr. Zeitperiode.
ie erstere Gliederung ist der Regel nach eine
für die Ausgabe= und Einnahmepositionen ge-
meinsame, dergestalt, daß innerhalb des auf die-
selben Verw Materien bezüglichen Abschnitts bei-
derlei Positionen einander gegenüberstehen, was
jedoch der Regel nach nicht etwa die Bedeutung
hat, daß die dem betr. Abschnitt angehörigen Ein-
nahmen lediglich für die Bestreitung der Aus-
gaben des Abschnitts verwendbar seien, vielmehr
nur der wirtschaftlichen Uebersicht dient und
neuerdings, namentlich in Preußen, auch für die
Steuerverteilung von Bedeutung ist [7 Ge-
meindeabgaben § 151 Eine Ausnahme machen
die besonders in der in Etlsaß-Lothringen
noch gültigen französischen Gesetzgebung vor-
kommenden Spezial-Steuerzuschläge und
sonstigen Spezialeinnahmen, die ausschließlich für
die Zwecke eines bestimmten Verw Zweigs und
nur insoweit, als für diese Zwecke erforderlich, er-
hoben werden dürfen und deren Verhältnis im
Voranschlage kenntlich zu machen ist (Zwecsteuern.
S. auch Gemeindeabgaben § 9). Die zweite
Gliederung bedingt die Ausscheidung bezw. ge-
sonderte Behandlung derjenigen Positionen, die
Ergebnisse oder Glieder der Finanzwirtschaft
früherer Perioden waren und nur in ihrer Effek-
tuierung in die gegenwärtige hineinreichen (Be-
stand, Restverwaltung usw.). Die der laufen-
den Finanzperiode angehörigen Positionen sondern
sich nämlich in solche, die als integrierende
Bestandteile der mit jeder Finanzperiode —
in ähnlicher Weise wie das umlaufende
Kapital sich periodisch reproduziert — sich er-
neuernden Finanzwirtschaft, und in diesem Sinne
als ihr mehr oder weniger ständiges Element
anzusehen sind, und in solche, die zwar in der in
Rede stehenden Finanzperiode in die Erscheinun
treten, zu dem mit jeder Finanzperiode sich
erneuernden Elemente der Finanzwirtschaft aber
in keiner Beziehung stehen und sich daher ent-
weder überhaupt nicht oder erst in größe-
ren, oft eine Reihe von Finanzjahren um-
fassenden Zeitabschnitten wiederholen. Hier-
auf beruht die Trennung zwischen demuordent-
lichen und dem außerordentlichen
Voranschlage, die ihre praktische Bedeutung
hauptsächlich in dem finanzwirtschaftlichen Grund-
satze hat, daß außerordentliche Einnahmen, zu
deren wichtigsten Arten Einnahmen aus Ver-
äußerungen der Substanz, außerordentlichen Holz-
schlägen, Aufnahmen von Anleihen I/T Ge-
meindevermögen und Gemeindeschulden)] gehören,
nur zur Deckung von außerordentlichen, nicht
dagegen von ordentlichen Ausgaben herangezogen
werden dürfen. Eine verwaltungsrechtliche For-
mulierung hat dieser Satz, der als Grundsatz
für die Praxis der Gem Verwaltungen und ihrer
vorgesetzten Aussichtsorgane eine ausgedehnte
Anwendung hat, seither nicht gefunden.
8 9. Zuständigkeit. Die Gesetzgebungen der
deutschen Staaten stimmen, dem oben §& 5 ent-
wickelten Prinzip entsprechend, darin überein,
daß der Voranschlag, welcher der Regel nach vom.
Gem Vorstande vorbereitet und entworfen wird,
der Beschlußfassung der Gemeindevertre-
tung bezw. der Gemeindeversamm-
lung, wo diese die betr. Rechte unmittelbar aus-
übt, unterliegt. Einzelne Gesetzgebungen gehen
in der Durchführung des Prinzips der Oeffent-
lichkeit noch weiter, indem sie, wie die bayerische
— Gem für das diesseitige Bayern a #88,
135, für die Pfalza68 — eine öffentliche
Auslegung des Voranschlagsentwurfs, ehe
diel Gen Vertretung zur Feststellung schreitet, an-
ordnen, in welchem Falle bei einer gesetzlich be-
stimmten Frist jeder Umlagepflichitge seinen Ein-
spruch schriftlich oder zu Protokoll erklären kann.
Nach dem badischen G v. 19. 10. 06 +l 153
muß auf Verlangen jedem Beteiligten Einsicht
des Voranschlags bewilligt und gegen Gebühr
Abschrift erteilt werden. In Hessen (StOa 83,
LoOan 71) findet wie in Bayern eine öffent-
liche Auslegung statt.
Die Mehrzahl der Gesetzgebungen enthält
die Vorschrift, daß der durch Beschlußfassung der
Gem Organe festgestellte Voranschlag der staat-
lichen Aufsichtsbehörde vorgelegt wer-
de, welche die Prüfung, ob die der Gem ge-
setzlich obliegenden Pflichtausgaben im Voran-
schlage vorgesehen sind, vorzunehmen und event.
wegen Einstellung dieser Ausgaben das Erforder-
liche zu veranlassen berechtigt ist. Einzelne Gesetz-
gebungen, vorzugsweise diejenigen, in denen der
vorbildliche Einfluß der französischen Einrichtun-
gen erkennbar oder sonst die vormundschaftliche
Einwirkung des Staats auf die Gem Verwaltung
besonders ausgebildet ist, behalten den staatlichen
Aufsichtsorganen bezw. den an ihre Stelle ge-
tretenen Organen der Selbstverwaltung die
Genehmigung des Voranschlags vor. Nur
im Königreich Sachsen ist selbst eine lediglich