Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Gemeinheitsteilung (Württemberg — Baden) 
  
die einer solchen Gemeinschaft obliegen, kann der 
Natur der Sache nach nur gemeinschaftlich bean- 
tragt werden, wozu ein besonderes, dem Feldbe- 
reinigungsverfahren I#l| nachgebildetes Vorver- 
fahren vorgesehen ist. Die Abstimmungsverhand- 
lung kann von mindestens ½0 der Beteiligten 
verlangt werden, die Anmeldung der Abstimmun 
gilt als beschlossen, wenn die Mehrheit nicht nach 
Kopfzahl sondern nach Verhältnis der Nutzungs- 
oder Leistungsanteile zustimmt oder infolge Nicht- 
erscheinens als zustimmend anzusehen ist. Gilt 
die Anmeldung als beschlossen, so werden Bevoll- 
mächtigte zur Führung der weiteren Verhand- 
lungen gewählt. Dritten ist durch öffentliche Be- 
kanntmachung Gelegenheit zur Anmeldung ihrer 
Ansprüche zu geben. Sodann hat das Oberamt 
nötigenfalls unter Zuziehung von Sachverstän- 
digen den Ablösungsplan entwerfen zu lassen und 
den Beteiligten zur Kenntnis zu bringen. Nach 
Erledigung etwaiger Anstände erfolgt die endgül- 
tige Feststellung des Ablösungsplans in münd- 
licher Verhandlung. Abgeschlossen wird das Ver- 
fahren dadurch, daß das Oberamt über das Er- 
gebnis der Ablösung eine Urkunde aufnimmt und 
der Kreisregierung zur Genehmigung vorlegt. 
Nach etwa erfolgter Genehmigung sind den be- 
teiligten Staatsbehörden Abschriften der Ab- 
lösungsurkunde zur Richtigstellung der 
öffentlichen Bücher zu übersenden. In Wirksam- 
keit tritt die Ablösung mit dem Beginn des der 
Genehmigung folgenden Rechnungsjahres, falls 
nichts anderes vereinbart wird. Die Ablösung ist 
als abgabenfrei erklärt worden. 
d) Die Kosten unbegründeter Beschwerden 
oder Anträge tragen die Beschwerdeführer oder 
Antragsteller, im übrigen fallen die Kosten den 
Parteien zu gleichen Teilen zur Last. 
e) Die Rechtsmittel sind den Rechts- 
mitteln bei Felbbereinigungen snachgebildet. 
1) Die Neubestellung oder Erweite- 
rung von Realgemeinderechten 
ist verboten. 
t-3t) Stand der Ablösungen. Bis 
1. 1. 1911 sind 257 Realgemeinden, somit etwa 
die Hälfte derselben, aufgelöst worden, eine Reihe 
weiterer Ablösungen steht bevor, die Durchfüh- 
rung des Gesetzes vollzieht sich ohne Anstände. 
Literatur: Doll, Gemeindeangehörigkeitsgesetz, 
1886; Bazille, Gemeindeangehörigkeitsgesetz, 1910. 
Hofacker. 
IV. Baden 
## 1. Geschichte und Bedeutung der Gemeinheitsteilung. 
#52. Ihre Ausschließung. 1 8. Voraussetzung für ihre Zu- 
lässigkeit. 
# 1. Geschichte und Bedentung der Gemeisn= 
heitsteilung. Als im Anfang dieses Jahrhunderts 
das Großherzogtum Baden aus einer großen Zahl 
von Gebietsbruchstücken gebildet wurde, waren 
meist die politischen Gemeinden im Besitze be- 
deutenden liegenschaftlichen Eigentums, nament- 
lich an Wald und Weide, zum Teil auch an Wiesen 
und Ackerfeld. Nur in wenigen Gebietsteilen war 
dieses Areal ins Eigentum besonderer, von den 
politischen Gemeinden unterschiedener Realge- 
  
  
nossenschaften gelangt oder schon im vorigen Jahr- 
hundert durch GTden einzelnen Besitzern aus- 
geliefert worden. Das im Eigentum der politi- 
schen Gemeinde befindliche liegenschaftliche Gut 
hatte vielfach gemeinderechtlich die Zweckbestim- 
mung, durch die Gemeindebürger oder einzelne 
Klassen derselben genutzt zu werden, entweder 
derart, daß, insbesondere hinsichtlich des Weide- 
lands, eine gemeinschaftliche Benutzung statthatte, 
oder derart, daß, wie beim Wald, die von der Ge- 
meinde bezogenen Erträgnisse ganz oder teilweise 
an die berechtigten Gemeindebürger ausgefolgt 
(Bürgergabeholz), oder endlich derart, däß, wie bei 
Wiese und Ackerland, bestimmte Allmendgrund- 
stücke (Lose) den Bürgern oder den berechtigten 
Klassen derselben auf gewisse Zeit zur gesonderten 
Bewirtschaftung zugewiesen wurden. Ein be- 
trächtlicher Teil dieser Gemeindeliegenschaften 
war mit derartigen Nutzungsrechten nicht belastet 
und als Gemeindegut im engeren Sinne dazu be- 
stimmt, von der Gemeinde selbst verwaltet, genutzt 
oder verpachtet zu werden und mit seinen Erträg- 
nissen zur Bestreitung der öffentlichen Ausgaben 
der Gemeinde zu dienen. Die in dem 2. Konsti- 
tutions-Edikte von 1807 enthaltenen Vorschriften 
über die Gemeindeverfassung und -Verwaltung 
beschränkten die kommunalen Organe sehr wirk- 
sam in der Verfügung über das liegenschaftliche 
Gemeindeeigentum, indem eine Veräußerung 
oder Teilung desselben nur mit oberpolizeilicher 
Staatsgenehmigung und auf Grund eines Ge- 
meindebeschlusses gestattet war. Als durch Gv. 
31. 12. 31 die Verfassung der Gemeinden aus- 
führlich geregelt wurde, sind auch die Voraussetzun- 
en, unter denen eine Teilung des liegenschaft- 
ichen Gemeindebesitzes gestattet ist, neu bestimmt 
worden. Im Unterschiede von der norddeutschen 
Gesetzgebung sind daher die Vorschriften über die 
GT in Baden außer jedem Zusammenhang mit 
der Grundlastenablösung und der Auseinander- 
setzung durch die Gem O geregelt; auch bei der 
praktischen Ausführung der agrarischen Maßnah- 
men ging die GT mit der Lastenablösung niemals 
Hand in Hand; überhaupt ist die G, teils infolge 
der sie beschränkenden gesetzlichen Vorschriften, 
teils wegen der Abneigung der Bevölkerung gegen 
eine Teilung des Gemeindeguts, praktisch nur 
selten zur Anwendung gelangt. Die im Jahre 1831 
erlassenen Bestimmungen, die ungeachtet mannig- 
facher sonstiger Umgestaltungen der Gemp, bis 
jetzt keine materielle Aenderung erfahren haben, 
sind folgende. 
s# 2. Ausschließung der Gemeinheitsteilung. 
Nicht geteilt werden dürfen: a) die der Ge- 
meinde gehörigen Waldungen, und zwar 
auch dann nicht, wenn den Bürgern ein gemeinde- 
rechtlicher Gabholzanspruch daran zusteht (§ 127 
Abs 4 GemO); b) das eigentliche Ge- 
meindegut, wenn und soweit das Erträgnis 
desselben in absehbarer Zeit zur Bestreitung der 
öffentlichen Bedürfnisse der Gemeinde erforder- 
lich ist; unter dem eigentlichen Gemeindegut ver- 
steht man diejenigen Gemeindeliegenschaften, 
welche nicht durch die Gemeindebürger genutzt 
werden. 
g 3. Boraussetzung für Zulässigkeit der Ge- 
meinheitsteilung. Im übrigen ist die Teilung 
der der Gemeinde zu Eigentum gehörigen nutz- 
bearen Liegenschaften nur unter folgenden Voraus-
	        
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