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Gerichtskosten (Armenrecht)
5* 17. Armenrecht. Auf Bewilligung des Ar-
menrechts hat nach der 8PO — als Kläger oder
Beklagter — ein jeder Anspruch, dem durch die
Ortsobrigkeit bezeugt wird, daß er ohne Beein-
trächtigung des notwendigen Unterhalts für sich
und seine Familie zur Bestreitung der Prozeß-
kosten außerstande sei, vorausgesetzt, daß die be-
absichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidi-
gung nicht mutwillig oder offenbar aussichtslos
erscheint. Ausländer können das Armenrecht nur
dann beanspruchen, wenn es auch in dem Staate,
dem sie angehören, den Deutschen bewilligt wird,
wie es z. B. zufolge besonderer Abmachung in
Belgien und Oesterreich der Fall ist. Durch das
Haager Abkommen über den Zivilprozeß v. 17.
7. 05 (Bek v. 24. 10. und 16. 8. 09 REBl 409,
907) stehen die Angehörigen Frankreichs, Italiens,
Luxemburgs, der Niederlande, Norwegens, Por-
tugals, Rumäniens, Rußlands, Schwedens, der
Schweiz und Spaniens den deutschen Angehörigen
gleich. Durch die Bewilligung des Armenrechts
erlangt die Partei für die betreffende Instanz u.
a. die einstweilige Befreiung von der Bezahlung
der rückständigen und künftig erwachsenden ge-
richtlichen Geb und Auslagen aller Art (sonach
wohl auch die für den Schuldner vorzustreckenden
Kosten der Zivilhaft und die Kosten der gerichts-
seitig veranlaßten Reisen der armen Partei) ein-
schließlich aller Vorschüsse sowie das Recht, daß
ihr zur vorläufig unentgeltlichen Bewirkung
von Zustellungen und von Vollstreckungshand-
lungen ein Gerichtsvollzieher beigeordnet werde.
Ein Anspruch auf Rückzahlung bereits entrichteter
Beträge folgt daraus aber nicht. Die gleiche Be-
freiung bezüglich der GK erwirbt auch der Be-
klagte, wenn dem Kläger das Armenrecht be-
willigt ist. Das Armenrecht erlischt mit dem Tode
der armen Partei, oder wenn die Voraussetzung
der Bewilligung nicht mehr vorhanden istz in letz-
terem Falle kann die Nachzahlung der den Par-
teien einstweilen erlassenen Beträge nach obigen
Regeln verlangt werden. Desgleichen erfolgt die
Kosteneinziehung, sobald und soweit der Gegner
der armen Partei in die Kosten verurteilt ist.
Vorstehendes gilt auch für den Privatkläger.
Die Bewilligung des Armenrechts ist von der
Beibringung eines Zeugnisses der obrig-
keitlichen Behörde abhängig. Welche
Behörde zuständig ist, bestimmt sich nach dem Lan-
desrecht. Als zuständig kommen in Betracht:
Für Preußen: in Berlin: Armenverwaltung des
Magistrats; für die Provinz Hannover: in den Städten mit
Kal oder eigener Polizeiverwaltung: der Magistrat, sonst
der Landrat; aber auch hier sind die Gesuche an den Gemein-
devorstand zu richten; für die Rheinprovinz und Hessen-
Nassau: Bürgermeister; für den Keg Bezirk Sigmaringen:
Ortspolizeibehörde; im übrigen: in den Städten mit Kal
Pol Verwaltung: Gemeindebchörde, sonst: Ortepolizeibe=
hörde; in Bayern: Armenpflegschaftsrat; im Königr.
Sachsen: Ortsbehörde (Stadtrat, Bürgermeister, Ge-
meindevorstand, Gutsvorstand); in Württemberg:
Gemeinderat;: in Baden: Gemeinderat bezw. in Städten:
besondere ständige Kommission; in Hessen für Provinz
Starckenburg und Oberhessen: Ortsgericht, Rheinhessen:
Bürgermeister und 2 Gemeinderatsmitglieder; in Elsaß-
Lothringen: Bürgermeisteramt; in Mecklenburg:
Ortsobrigkeit; in Olden burg: Amt; in S.-Weimar:
Bezirksdirektor; in S.-Altenburg: Stadtrat bezw.
Landratsamt; in S.-Coburg--Gotha: die mit land-
rätlichen Besugnissen versehene Behörde; in S.-Mei-
ningen: Magistrat bezw. Kreisvorstand; in Reuß ä. L.:
Städtischer Gemeindevorstand bezw. Landratsamt; in
Reusß i1. L.: Städtischer Gemeindevorstand bezw. Amts-
gericht; in Schwarzburg: Landratsamt; in Lippe:
Magistrat bezw. Gemeindevorstand; in Schaum burg-
Lippe: Magistrat bezw. Amt; in Bremen: Pol Direktor
bezw. Landherr, in Hafenstädten: Pol Behörde; in Lübeck:
Steuerdepartement;in HSamburg: städtische Pol Behörde;
Amtsanwalt in Ritzebüttel, Bürgermeister in Bergedorf,
sonst Gemeindevorstand bezw. Landherrenschaft.
# 18. Das Kosteneinziehnugs-Verfahren ist
für das Reichsgericht und in den Bundesstaaten
durch umfangreiche Dienstanweisungen mit Bei-
gabe von Formularen für die in Betracht kommen-
den Listen, Kassenbücher, Rechnungen u. dergl.
eingehend geregelt. Nachstehend wird nur ein
kurzer Ueberblick über die Einrichtungen im Reich
und in den größeren Bundesstaaten gegeben.
Die Berechnung der Kosten erfolgt durchweg von
den Gerichtsschreibereibeamten. Zum Zweck der
Kosteneinziehung haben sich die Behörden der
Bundesstaaten gegenseitig Beistand zu leisten.
LAAmtshilfeJ. Ein Verzeichnis derjenigen Stellen,
an die sich die Behörden, denen die zwangsweise
Beitreibung obliegt, deshalb zu wenden haben, ist
im Zentralblatt für das Deutsche Reich veröffent-
licht. Die ersuchende Behörde wird von der er-
suchten Behörde bei allen zur Einziehung oder
Sicherstellung erforderlichen Maßregeln vertreten
und hat weder Geb noch Auslagen für das Ver-
fahren zu erstatten. Die endgültigen Entschei-
dungen über Stundungen oder Niederschlagungen
verbleiben der ersuchenden Behörde.
Die Kosteneinziehung im Ausland wird durch
das unter & 17 erwähnte Haager Abkommen und
das dazu ergangene AG v. 5. 4. 09 (Röl 430)
erleichtert.
19. Die Einziehung der Reichsgerichtskosten
erfolgt durch die betr. Landesbehörde erster In-
stanz bezw. das Amtsgericht des Wohnsitzes des
Zahlungspflichtigen. Die Landesbehörden be-
schließen dabei auch über die Stundung und
Niederschlagung. Nach Eintragung der Kosten-
und Vorschußbeträge in den Solleinnahmebelag
übersendet die Gerichtsschreiberei des Reichs-
gerichts den Einzichungsbehörden die Kosten-
rechnungen nebst Abschrift und erhält letztere mit
dem Vermerk, ob Einziehung, Stundung oder
Niederschlagung der Kosten stattgefunden hat,
zurück. Dementsprechend wird der Solleinnahme-
belag ergänzt, jede Niederschlagung ferner in eine
Niederschlagungsliste eingetragen. Durch be-
sondere Kontrollen ist die genaue Verfolgung der
einzelnen Sachen gesichert. Die gezahlten Be-
träge fließen der Oberpostkasse in Leipzig zu, wer-
den dort in besonderen Einnahmebüchern ver-
merkt und vierteljährlich an die Reichshauptkasse
abgeführt (DAnw v. 8. 7. 79; abgeändert 1887,
R ZBl 309).
Die gnadenweise Niederschlagung von Reichs-
OK steht in allen Fällen dem Kaiser zu.
§ 20. Kostenerhebung in Preußen. Der An-
satz der Geb und Auslagen erfolgt durch den Ge-
richtsschreiber bezw. Sekretär der Staatsanwalt-
schaft desjenigen Instanzgerichts, bei dem die Geb
und Auslagen entstanden sind; er unterbleibt, so-
fern die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners no-
torisch ist. Die Höhe des Vorschusses wird durch den