Gesindepolizei — Gesundheitswesen 223
Küteratur: Neubauer, Zusammenstell. des in
Deutschland geltenden Rechts, 1880 S 145—172; Käb-
ler, GesRRecht und Gesccesen in Deutschlond, 1896; Er-
läuterungen der preuß. GesO von Lindenbergl-Pos-.
seldt'’) 1907; Jacobi'e 1910; Nußbaum 1900, Sen-
farth 1900, Gerhard, Die Preuß. Ges rdnungen,
1902: Groschusf-Eichhorn = Delius, Preußische
Strafgesetze 1904 Nr. 51—57; Oertmann, Bay-
risches Landesprivatrecht, 1903;: Nieder, Das Würt-
tembergische Ausf. Gesetz, 1900; Kloß, Sächsisches Lan-
desprivatrecht, 1908; Milsch, Badisches Dienstbotengesetz,
1908; Kisch, Elsaß-Lothringisches Landesprivatrecht, 1905;
Baillant, Dienstbotenrecht in Elsaß-Lothringen, 1903.
1 Koalitionsrecht. RNotering.
Gesundheitswesen
(Medizinalbehörden)
1. Ausgaben des öffentlichen Gesundheitswesens.
3 2. Verhältnis der Reichs= zur Landesgesetzgebung. —
II. Organisation des Gesundheitswesens
und der Gesundheitsbehörden ½. 1 3. Im All-
gemeinen. — II. Organisation im besonderen.
s 4. Deutsches Reich. # 5. Preußen. 1 6. Bayern. 1 7.
Sachsen. # 8. Württemberg. 1 9. Baden. 1 10. Hessen.
4 11. Elsaß--Lothringen.
lGes — Gesundheit; GW — öffentliches Gesundheitswesen.)
§ 1. Begriff nud Aufgaben des öffentlichen
Gesundheitswesens. Die Sorge für die persön-
liche Ges ist an und für sich Sache des Einzelnen;
erst da, wo dessen Macht nicht ausreicht, sich selbst
gegen Krankheiten oder sonstige gesundheitliche
Gefahren zu schützen und sich die Lebensbedingun-
gen zu sichern, die ihn zur Erhaltung seiner Ges
und Erhöhung seiner Widerstandsfähigkeit zum
erfolgreichen Kampf ums Dasein bejfähigen, be-
ginnt die Fürsorge der Gesamtheit, des Staates,
seiner Organe und Gemeinwesen (Provinzen,
Bezirke, Kreise und Gemeinden usw.). Je höher
aber die Verhältnisjiffer der körperlich und geistig
Gesunden im Vergleich zu derjenigen der Ge-
brechlichen und Kranken ist, desto günstiger ge-
staltet sich auch die öffentliche Gesund-
heit, die Wohlfahrt des ganzen Volkes. Sie zu
erhalten und zu fördern, alle ihr entgegenstehen-
den Hindernisse zu ergründen, zu verhüten und
zu beseitigen, das ist die Aufgabe des GW,
zu deren Lösung den zuständigen Behörden so-
wohl von der wissenschaftlichen GesLehre, der
Hygiene, als auf dem Wege praktischer Erfah-
rungen die erforderlichen Mittel an die Hand
gegeben werden. Der Schwerpunkt der Auf-
gaben des GW liegt in der Verhütung und Be-
kämpfung übertragbarer Krankheiten I(I#; diese
Tätigkeit hängt aber eng zusammen mit der
Fürsorge für gesunde Wohnungen [I, einwands-
freie Wasserversorgung, Reinhaltung der Luft,
von Boden und Gewässer [NI (durch zweckmäßige
Beseitigung der Abfallstoffe zur Verhütung der
Verunreinigung des Untergrundes wie der
1) Kreisarzt, Beczirksarzt, Cberamtsarzt usw. 1 13,
1 3, 15 III, 1 6—11. Ferner 1 Kreis, Bezirk.
Wasserläufe). Dazu kommen ferner die Für-
sorge für gesunde Beschaffenheit sowohl der
Nahrungs= und Genußmittel (Jl, als der Ge-
brauchsgegenstände, der Schutz gegen die aus ge-
werblichen Betrieben für die Arbeiter und die An-
wohner erwachsenden Gefahren, die Sorge für
die heranwachsende Jugend (Säuglingsfürsorge,
Schulhygiene usw.), für Kranke (körperlich wie
geistig erkrankte und geistesschwache), Sieche,
Blinde [Jl, Taubstumme [7] und Krüppel
(durch Bercitstellung der erforderlichen Heil= usw.
Anstalten). Auch die Förderung der Körper-
pflege und des öffentlichen Badewesens, der Schutz
der Heilquellen (7) und die Hygiene der Kur-
orte, das Leichenschau= und Begräbniswesen I(JI
sowie die Sorge für geeignetes Heilpersonal (Re-
gelung der Berufsausbildung und Berufsaus-
übung der Aerzte [J) und Zahnärzte (/1l, der
Hebammen I/JI und des sonstigen niederen Heilper-
sonals (JI, und ausreichende Arzneiversorgung
(Apothekenwesen ([U), die Ueberwachung des
Verkehrs mit Arzneimitteln JIf, Geheimmitteln (
und Giften (7) außerhalb der Apotheken und der
Kurpfuscherei gehören zu den Aufgaben des
GW. Sie greifen vielfach auf andere Verw Gebiete
über und sind entweder hier oder, wie bezeichnet,
unter besonderen Stichworten berücksichtigt.
## 2. Verhältnis der Reichs= zur Landesgesetz-
gebung auf gesundheitlichem Gebiete. Nach
à 4 3815 RV unterliegen „der Beaufsichtigung
seitens des Reiches und der Gesetzgebung dossel-
ben Maßregeln der Medizinal- und Veterinär-
polizei“. Demzufolge ist das Reich nicht allein.
zuständig für alle Verhandlungen, Vereinbarungen
usw. mit außerdeutschen Staaten, insbesondere
für die internationalen, soweit sie das
GW betreffen, sondern es ist auch zur gesetzlichen
Regelung derartiger Fragen für das Reichsgebiet
berechtigt. Von dieser Befugnis hat es ziemlich
weitgehenden Gebrauch gemacht.
Es möge erinnert werden an die Bestimmungen der
GewO über die Freigebung der Ausübung der Heilkunde
und Niederlassungsfreihelt des Heilpersonals, die Konzessio-
nierung von Privat- Kranken= usw. Unstalten, die Ent-
ziehung von erteilten Konzessionen und Approbationen,
an die auf Grund der Gew C erlassenen Prüsungsordnungen
für Aerzte, Apotheker, Zahn- und Tierärzte, an die Vorschrif-
ten über den Verkehr mit Arzneimitteln außerhalb der Apo-
theken, sowie an das Reichsimpfgesetz (8. 4. 74), das Nahy-
rungsmittelgeset (14. ö. 79) nebst Ergänzungegesetzen (Gbeir.
den Verkehr mit blei= und zinkhaltigen Gegenstanden (25. 6.
1887] und die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben
bei der Herstellung von Nahrungemitteln usw. l5. 7. 87),
Margarinegesetz (15. 6. 971, Süßstoffgesetz [7. 7. 021 und
Weingesetz (7. 4. 09)). Auch die Schlachtvich- und Fleischbe-
schau I#) hat durch das G v. 3. 6. 00 und die Bekämpsung
gemeingesährlicher Krankheiten durch das G v. 30. 6. 00 eine
einheitliche gesetzliche Regelung für das ganze Reich gesunden.
Ferner ist dies auf anderen Gebieten des GW in der Weise
geschehen, daß seitens des Bundesrats leitende Grundsätze
für bestimmte Maßnahmen ausgestellt und diese auf dessen
Anregung dann in den einzelnen Bundesstaaten durch gleich-
lautende landesgesetzliche Vorschriften zur Durchführung
gelangt sind. Dahin gehören z. B. die Vorschriften zur
Sicherung der gehörigen Ausführung des Impfgeschäftes,
über die Abgabe scharfwirkender Arzneimittel sowie über
die Beschaffenheit und Bezeichnung der Standgesäße in
Apotheken, über den Verkehr mit Geheimmitteln und Gis-
ten, über die staatliche Prüfung von Krankenpflegeper-