Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Gewässer 
  
B. Reinhaltung 
5 1. Einleitung. # 2. Reichsrecht. # 8, Gemeines Recht. 
3 4. Preußisches Recht. — 31 5. Bayern. 4 6. Sachsen. 
#5#7. Württemberg. 8. Baden. 1 9. Hessen. 1 10. Elsaß- 
Lothringen. 1 11. Thüringische Staaten. 
# 1. Einleitung. Wasser ist nächst der Luft 
das wichtigste elementare Bedürfnis des Men- 
schen. Eine gute Wasserversorgung und geordnete 
Beseitigung der Schmutzstoffe ist die unerläßliche 
Voraussetzung für eine günstige gesundheitliche, 
kulturelle und wirtschaftliche Entwickelung volk- 
reicher Gemeinwesen. Obwohl dies allseitig an- 
erkannt wird und die Fürsorge für die Reinhaltung 
eine immer steigende Bedeutung gewinnt, weil 
infolge der ständigen Vermehrung der Bevölke- 
rung und der auf die Benutzung der Gewässer 
angewiesenen Anlagen deren Verunreinigung 
stetig zuzunehmen droht, während andererseits 
das Bedürfnis nach reinem Wasser für wirtschaft- 
liche und andere Zwecke fortwährend anwächst, 
hat der Gegenstand — wenigstens soweit Reichs- 
recht und preußisches Recht in Betracht kommen 
— eine gesetzliche Regelung, die es gestattete, 
der fortschreitenden Verunreinigung der Gewässer 
überall nachdrücklich entgegenzutreten, noch nicht 
gefunden. Für Preußen wird voraussichtlich die 
Lücke durch den zur Zeit (August 1911) dem Staats- 
ministerium vorliegenden Entwurf eines allge- 
meinen Wassergesetzes ausge füllt werden. 
# 2. Reichsrecht. Für Gewässer, die 
im Privateigentume stehen, greift 
die Vorschrift des § 903 B Platz, wonach der 
Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz 
oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache 
nach Belieben verfahren und andere von jeder 
Einwirkung ausschließen kann. Der Eigentümer 
eines Gewässers kann daher auch die Einführung 
von Stoffen, durch die das Gewässer verunreinigt 
wird, verbieten (5 1004 BG#B), es sei denn, daß 
die Verunreinigung von einer nach § 16 GewO 
genehmigten Anlage ausgeht (s. unten). Dies 
gilt jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des 
Reichsgerichts in Ansehung flüssiger Stoffe und 
der von der Natur geschaffenen Gewässer, ins- 
besondere der Wasserläufe, da diese ihrer natür- 
lichen Bestimmung nach zur Aufnahme von 
Flüssigkeiten dienen, nur insoweit, als die durch 
die Einleitung von Schmutzwässern verursachte 
Verunreinigung des Gewässers das Maß des 
Regelmäßigen, Gemeingewöhnlichen übersteigt, 
was nach den tatsächlichen Verhältnissen des 
Einzelfalles unter Berücksichtigung der An- 
schauungen der Beteiligten und der Verhältnisse 
der in Betracht kommenden Gegend zu beurteilen 
ist. Wenn danach jene Grenze innegehalten ist, 
muß der Eigentümer die Einleitung dulden, auch 
wenn dadurch die absolute Verwendbarkeit des 
ihm zufließenden Wassers zu jedem beliebigen 
Gebrauche beeinträchtigt wird (Rö # 16, 178; 
38, 266; DJB01, 214). Für öffentliche Flüsse 
kommt der § 366 Nr. 10 StG in Betracht, wo- 
nach derjenige bestraft wird, der die zur Erhaltung 
der... Reinlichkeit auf den öffentlichen 
Wasserstraßen erlassenen Pol Verordnungen über- 
tritt (ugl. dazu K in DJ3Z 02, 394). Abgesehen 
  
von diesen allgemeinen Vorschriften enthält das 
Reichsrecht noch zwei den Schutz gegen übertrag- 
bare Krankheiten bezweckende Sonderbestimmun- 
gen, auf Grund deren die Reinhaltung gefördert 
werden kann: Nach # 35 des Reichsseuchen G v. 
30. 6. 00 (Rl 306) sind die dem allgemei- 
nen Gebrauche dienenden Einrichtungen für 
Versorgung mit Trink-- oder Wirtschaftswasser 
und für Fortschaffung der Abfallstoffe fortlau- 
fend durch staatliche Beamte zu überwachen und 
die Gemeinden verpflichtet, für die Beseitigung 
der vorgefundenen Mißstände Sorge zu tragen; 
und nach §& 17 Nr. 15 des Viehseuchen Gv. 26. 6. 
09 (Röl 579) kann zum Schutze gegen die 
ständige Gefährdung der Viehbestände durch 
Viehseuchen die Beseitigung oder Reinigung 
von Abwässern geregelt werden. 
Hinsichtlich solcher Verunreinigungen, die von 
einer nach § 16 Gew0O genehmigungspflichtigen 
gewerblichen Anlage [M ausgehen, sei 
noch darauf hingewiesen, daß sich die nach § 18 
Gewg stattfindende Prüfung der Genehmigungs- 
behörde auch auf die Frage zu erstrecken hat, in- 
wieweit eine Verunreinigung der Gewässer von 
einer Anlage zu besorgen und die Herstellung von 
Klärvorrichtungen erforderlich oder zweckmäßig 
ist. Je nach dem Ausfalle der Prüfung ist die Ge- 
nehmigung zu der Anlage an Bedingungen zu 
knüpfen oder unter Umständen ganz zu versagen. 
Ist eine gewerbliche Anlage einmal genehmigt, 
dann kann gegen eine von ihr ausgehende Ver- 
unreinigung, sofern nicht der Fall des §51 GewO 
vorliegt, polizeilich nur bei einem Verstoße gegen 
den Inhalt der Genehmigungsurkunde einge- 
schritten werden, und privatrechtlich kann nicht 
die Einstellung des Betriebs, sondern nur die 
Herstellung von Einrichtungen, welche weitere 
Verunreinigungen ausschließen, oder Schadens- 
ersatz verlangt werden (5§ 26 Gew0O). 
3. Gemeines Recht. Für das gemeine 
Recht, das auf dem Gebiete des Wasserrechts, wie 
jedes andere Landesrecht, nach a 65 EG BGB un- 
berührt geblieben ist und ein Privateigentum an 
Wasserläufen im allgemeinen nicht kennt, so daß 
der § 903 BG# nicht anwendbar ist, hat das 
sächsische OVG in einer Entsch v. 11. 10. 01 
(DJZ 03, 58) folgenden Grundsatz aufgestellt: 
Das fließende Wasser sei ein Gemeingut, das 
kein Anlieger ganz oder in erheblichem Maße 
der Gesamtheit entziehen dürfe. Der Entziehung 
komme es aber gleich, wenn das Wasser durch 
einzelne Anlieger derart verunreinigt werde, daß 
es aufhöre, zum Gemeingebrauche geeignet zu 
sein. Jeder Anlieger habe daher Anspruch auf 
behördlichen Schutz gegen Verunreinigung. Ob 
indes der Grundsatz in diesem Umfange, nament- 
lich soweit er dem Anlieger einen polizcilichen 
Schutz gegen Verunreinigung gewährt, gegebenen 
Falles auch von der hoöchstrichterlichen Recht- 
sprechung der anderen Bundcsstaaten anerkannt 
werden würde, erscheint zweifelhaft. 
## 4. Preußisches Recht. 1. Abgesehen von dem 
FischereiG v. 30. 5. 74 (7§ 43, 44, §50 Nr. 7), das 
das Röten von Hanf und Flachs in nicht geschlos- 
senen Gewässern, sofern der Bezirksausschuß 
(5* 99 Zust G) nicht Ausnahmen zuläßt, schlechthin 
und einc sonstige Verunreinigung von Gewässern 
insoweit verbietet, als dadurch fremde Fischerei- 
rechte geschädigt werden können ( Fischereil,
	        
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