Gewerbe (I. Gewerbepolizei)
damals unter die Herrschaft der französischen Ge-
setzgebung fielen, traten damit in den Genuß weit-
gehender GewFreiheit, die dann auch in den durch
den Tilsiter Frieden bei Preußen gebliebenen
Landesteilen infolge der Edikte von 1810 und 1811
Eingang fand. Weitere Ausdehnung gewann sie
aber in der ersten Hälfte des Jahrhunderts nicht,
bis dann Preußen mit der Allgemeinen Gew
v. 17. 1. 45 eine Kodifikation des GewzRechts vor-
nahm. Diese ging von dem Grundsatze der Gew-
Freiheit aus und beseitigte alle noch vorhandenen
Beschränkungen des freien Gewetriebs, ins-
besondere alle ausschließlichen Gew Bercchtigun-
gen, alle Berechtigungen zur Erteilung gewerb-
licher Konzessionen, die Beschränkung gewisser
Gewerbe auf die Städte und im wesentlichen auch
die Zwangs= und Bannrechte. Eine kurze rück-
läufige Bewegung wurde durch die V v. 9. 2. 49
eingeleitet, durch welche für die überwiegende
Zahl aller Handwerksgewerbe der selbständige Be-
trieb von der Mitgliedschaft zu einer Innung'#1!
oder von dem Ablegen einer Prüfung abhängig
gemacht wurde und auch sonstige einschränkende
Vorschriften insbesondere hinsichtlich der Hand-
werksgesellen getroffen wurden.
Indessen wurde die Gesetzgebung sehr bald
wieder in freiere Bahnen, welche eine Entfaltung
der wirtschaftlichen Kräfte gestatteten, geleitet.
In Preußen brachten die Gv. 22. 6. 61 und
1. 7. 61 erhebliche Erleichterungen hinsichtlich des
polizeilichen Konzessionssystems, andere Staaten,
wie Sachsen, Oldenburg, Bremen folgten mit
einer freieren Gewesetzgebung, und diesc griff
dann auch in den von Preußen im Jahre 1866
neu erworbenen Landesteilen Platz. Bald aber
ging der Norddeutsche Bund dazu über, die Be-
fugnis zum Gew Betrieb im ganzen Bundesgebicte
zu gewährleisten und die Regelung des Gew-
Rechts für die Bundesgesetzgcbung in Anspruch
zu nehmen.
Einem Wunsche des Reichstags entsprechend
wurde diesem am 7. 4. 68 cin auf dem Prinzipe
der Gewreiheit beruhender Entwurf einer
Gewy vorgelegt. Da dieser nicht alsbald erledigt
werden konnte, wurde zunächst mit Rücksicht auf
das inzwischen ergangene Freizügigkeitsgesetz die
Annahme eines Notgewerbe G v. 8. 7. 68 (BGl
406) beschlossen, welches die Gew Freiheit für den
ganzen Umfang des Norddcutschen Bundes ein-
führte. Diesem folgte die GewO für den Nord-
deutschen Bund v. 21. 6. 69 (Be#.245), die auf
dem gleichen Prinzipe der Gewpreiheit beruhte.
Nach der Gründung des Deutschen Reichs wurde
sie in den süddeutschen Staaten durch besondere
RGG v. 10. 11.71 und 12. 6. 72 (Röll 392 u. 170)
eingeführt. In Elsaß-Lothringen erfolgte ihre
Einführung erst durch G v. 27. 2. 88 (RG Bl 57).
In Helgoland [(VI gilt sic noch nicht. Infolge einer
Anzahl von Abänderungsgesetzen erwies sich im
Jahre 1883 eine Neuredaktion notwendig, bei der
sie statt der auf den Norddeutschen Bund bezüg-
lichen Bezeichnungen die des Deutschen Reichs
erhielt; sie wurde durch die Bek des RK v. 1. 7. 83
(Röl 177) als „Gewerbeordnung für das
Deutsche Reich“ publiziert.
Abänderungsgesetze folgten, welche eine aber-
malige Neubekanntgabe des Textes durch die Bek
des RK v. 26. 7. 00 (Rel 871) erforderlich
machten.
Zahlreiche weitere
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In den zahlreichen Abänderungsgesetzen spie-
gelt sich der Umschwung der wirtschaftspolitischen
Anschauungen wieder, der sich in der Mitte der
siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts zu vollziehen
begann und in der Erkenntnis gipfelte, daß bei
einer ohne die zweckmäßigen Schranken bestehen-
den GewFreiheit wirtschaftliche Uebelstände ent-
stehen müssen, die der Entwickelung des gesamten
Gewerbslebens gesährlich werden können.
Die Gesetze, die Abänderungen herbeigeführt
haben, sind: 1) v. 12. 6. 78 (Rol 170) Einführung in Bayern
und Abänderung einiger Strafbestimmungen; 2) v. 2. 3.
74 (Rahl 19), die genehmigungspflichtigen Anlagen;
3) v. 8. 4. 76 (Rl 134) mit Abänderung des Tit. VIII
betr. gew. Hilsekassen (. unter 9); 4) v. 11. 6. 78 (RGB! 109)
betr. Gew BBetriebe der Maschinisten auf Seedampfsschiffen;
5) v. 15. 7. 78 mit Abänderung des Tit. VII betr. gewerbl.
Arbeiter (s. unter 15, 20, 26); 6) v. 23. 7. 79 (RBl 267),
Berschärfungen für Privat-, Kranken-, Entbindungs., Irren-
anstalten, Pfandleiher, Rückkausshändler (s. unter 17); 7) v.
15. 7. 80 (Rl 179), Schauspielunternehmer (s. unter 17);
8) v. 18. 7. 81 (Röl 233), Abänderung des Titel VI über
Innungswesen (s. unter 20); 9) Krankenversicherungs G v.
15. 6. 83 (RGBl 73), das die Nov. v. 8. 4. 76 (oben unter 8)
beseitigte (s. unter 28); 10) v. 1. 7. 83 (RKl 159), Abän-
derungen über Wandergewerbe, Auktionatoren, Trödler usw.,
Zurücknahme von Approbationen, HLufbeschlaggewerbe, Re-
kursverfahren, Arbeitsbücher (s. unter 17); 11) v. 8. 12. 84
(Rl 255), mit Ergänzung des G v. 18. 7. 81 (oben 8
und unten 20); 12) v. 23. 4. 86 (REl 125), Ergänzung für
Innungen (s. unter 20); 13) v. 6. 7. 87 (RGBl 281), für
Innungen (s. unter 20); 14) GewG v. 29. 7. 90 (RGBlI
140), das # 120a aushob und Innungsschiedsgerichte regelte
(s. unter 20); 15) v. 1. 6. 91 (Ronl 261), das sog. Ar-
beiterschutzgesetz (s. unter 24 u. 26); 16) v. 19. 6. 93 (RGBl
197), Ergänzung der Bestimmungen über den Wucher mit
Ergänzung des # 35; 17) v. 6. 8. 96 (Rnl 685), mit neuen
Bestimmungen für Privat, Kranken-, Entbindungs- und
JIrrenanstalten, Schauspielunternehmer, Konsum= und andere
Vereine, Los., Drogenhandel, Kleinhandel mit Bier, ambu-
lantem und Wandergewerbe, Detailreisen, Wiederaufnahme
untersagter Gewerbe; 18) Es# z. Be## v. 18. 8. 96 (Rl
604) betr. die Gewerbsfrau; 19) E z. HGB v. 10. 5. 97
(RGll 437), Namen der Gewerbetreibenden;: 20) v. 26. 7.97
(Rs 663), Neuorganisation des Handwerks (auch unter 24);
21) Gv. 30. 6. 00 (RGBl 321), gewerbliche Anlagen, Sonn-
4agsruhe, Taxen (s. hierüber 27), Lohnbücher, Werkmeister
oder Betriebsbeamte, Ladenschluß usw.; 22) v. 14. 10. 05
(RGBl 759), Handlungsagenten; 23) v. 7. 1. 07 (Rl 3),
Bauunternehmer; 24) v. 30. 5. 08 (RGhI 356), Lehrlinge
Gesellen und Meister; 25) v. 29. G. 08 (RGBl 473), Vogel-
handel; 26) v. 28. 12. 08 (RGBl 667), Aenderungen hinsicht-
lich Arbeiterschutz; 27) Stellenvermittler G v. 2. 6. 10 (Rl
860); 28) Rreichsversicherungsordnung und Ec dazu v. 19.
7. 11 (REGl 509).
Die durch diese Gesetze aus- und umgestaltete
GewoO bildet die Grundlage des deutschen Gew-
PolRechts, aber nicht die einzige Rechtsquelle.
Eine große Anzahl von Spezialgesetzen, die außer-
dem erlassen sind, beeinflussen das gewerbliche
Recht, zum Teil in bedeutendem Umfange. Aus
diesen Gesetzen seien hervorgehoben die Gv.
4. 7. 68, 1. 5. 89 und 12. 7. 96 betr. Erwerbs- und
Wirtschaftsgenossenschaften, G v. 21. 6. 69,
29. 3. 97 und 17. 5. 98 betr. Beschlagnahme des
Arbeitslohns, die verschiedenen Urheber G v.
11. 6. 70, 19. 6. 01, 9. 1. 76, 10. 1. 76, 11. 1.76;
G zum Schutze von Gebrauchsmustern und von