Gewerbe (V. Gewerbevereine)
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und der DAnw v. 19. 7. 07 neben einem Zentral-
inspektor für Fabriken und Gewerbe für jeden
Aussichtsbezirk bei der Regierung ein Gewerberat
mit den erforderlichen Hilfskräften bestellt. In
Sachsen ist durch die V v. 6. 4. 92/12. 5. 00
jeder Kreishauptmannschaft ein gewerbetechni-
scher Rat zugeteilt, welchem u. a. auch die Be-
aufsichtigung der Gewerbeinspektionen obliegt.
Letztere verteilen sich in 13 Bezirken über das
ganze Land mit je einem Gewerbeinspektor an
der Spitze und einem oder mehreren Assistenten.
In Württemberg besteht eine Zentralstelle
für Gewerbe und Handel, deren Dienstaufsicht
die Gewerbeinspektoren und deren Assistenten in
den vier für das Land errichteten Inspektions-
bezirken unterstehen (uvgl. Kgl V v. 6. 3. 05 und
die DAnw v. 14. 3. 05). In Baden ist die Re-
gelung durch die B v. 6. 7. 90 und die DAnw
v. 2. 1. 80 erfolgt. Hiernach wird die G. durch die
dem Min Inn unterstehende Gewerbeinspektion,
die mit der erforderlichen Zahl von Ausfsichts-
beamten und Assistenten besetzt ist, ausgeübt.
Auch das Großherzogtum Hessen ist (vgl. V
und DAnw v. 2. 8. 02) in mehrere Aufsichtsbe-
zirke, an deren Spitze ein Inspektionsbeamter
steht, eingeteilt. In Elsaß-Lothringen
wird die Aufsicht durch die den 3 Bezirkspräsi-
denten beigegebenen Reg= und Gewerberäte und
durch 3 ihnen unterstellte Gewerbeinspektoren in
fünf Inspektionsbezirken mit Hilfe von 3 Assi-
stenten wahrgenommen. Der Referent des Be-
zirkspräsidenten für Unter-Elsaß ist zugleich Re-
ferent des Ministeriums und als solcher von den
Ausgaben des unmittelbaren G.Dienstes ent-
bunden.
II. Diese Regelung des Aufsichtsdienstes hat im
Laufe der Jahre noch nach zwei Richtungen eine
beachtenswerte Ausgestaltung erfahren. Wenn
auch die hie und da gegen die Aufsichtsbeamten
erhobenen Klagen über ihre geringe Zugänglich-
keit für Beschwerden der Arbeiter im allgemeinen
unberechtigt waren, so erschien doch die Befürch-
tung nicht ausgeschlossen, daß die Arbeiter manche
berechtigte Beschwerde nicht vorzubringen wagen,
weil sie in Anbetracht des sozialen Unterschiedes
bei den höheren G. Beamten kein gencigtes Ohr
zu finden glauben. Diese Erwägung führte im
Jahre 1895 die bayerische Regicrung zu dem
Entschlusse, das Aufsichtspersonal künftig auch
durch Anstellung von Assistenten aus
dem Arbeiterstande zu ergänzen. Nach-
dem sich dort die Einrichtung bewährt hatte, fand
sie bald in andern Bundesstaaten, in Würt-
temberg, Baden und Elsaß-Lot#-=
ringen Nachahmung. Auf der anderen Seite
wurde dem Gedanken Raum gegeben, daß den
weiblichen Arbeitern ein Rückhalt geboten wer-
den müsse, der den besonderen Verhältnissen ihres
Geschlechts in größerem Umfange gerecht werden.
könne, als dies möglich sei, wenn der Aussichts-
dienst lediglich durch männliche Personen wahr-
genommen wurde. Diesem Erfordernis trug
zuerst die bayerische und die hessische
Regierung Rechnung, indem sie im Jahre 1898
die Einstellung weiblicher Assistenten vor-
nahmen, deren Amtsbefugnisse sich auf ganz
spezielle, die Frauenarbeit berührende Gebiete
oder auf solche Betriebe beziehen sollte, in denen
ausschließlich Arbeiterinnen beschäftigt werden.
v. Stengel. Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl.
II.
Diesem Vorgehen folgten bald Preußen,
Sachsen, Baden und Elsaß-Lothrin-
gen, so daß auch diese Einrichtung jetzt festen
Fuß gefaßt hat und einen beachtenswerten Faktor
in der Organisation des G.Dienstes bildet
[I1 Frau oben Band I S. 8461.
III. So hat sich dieses aus kleinen Anfängen
hervorgegangene Institut der G. im Verlaufe
der letzten dreißig Jahre zu einem höchst bedeut-
samen Faktor nationaler und sozialer Wohlfahrt
entwickelt. Wie mächtig diese Entfaltung gewesen
ist, wird am besten aus der Tatsache zu entnehmen
sein, daß zur Zeit im ganzen 454 Personen, darun-
ter 257 Gewerberäte und Gewerbeinspektoren und
171 männliche, 26 weibliche Gewerbeassistenten
im Deutschen Reiche in Tätigkeit sind. Dabei
darf nicht angenommen werden, daß die Ent-
wickelung schon ihren Abschluß gefunden hot. In
dem Maße, in welchem die soziale Gesetzgebung
und die Arbeiterfürsorge ihre weitere Ausgestal-
tung erfährt, wird sich fortgesetzt die numerische
Weiterentwicklung und Vertiefung der Organi-
sation als Notwendigkeit erweisen, und sie wird
um so mehr an Bedeutung gewinnen, als die fort-
schreitende Industrialisierung Deutschlands in
erhöhtem Maße die Aufmerksamkeit der staatlichen.
Organe auf die Lage der lohnarbeitenden Bevöl-
kerung mit Naturnotwendigkeit hinlenkt.
Lüteratur: Thun, Beiträge zur Geschichte der
Gesetzgebung und Berwaltung zugunsten der Fabrikarbei-
ter in Preußen, in 83 des Kal Preuß. Stat. Bureaus Jahrg.
17 S59ff; Thun, Die Industrie am Niederrhein, 1879,
S 186 ff: Sanders HB der Gesundheitspflege, 1885,
S594ff; Dehn, die deutsche Fabrikinspektion, 3 Staatsw
38, 184 ff; Quorck, Zur äußeren Geschichte der Fabrik-
inspektion in Deutschlond, 1889; Quarck, Die deutsche
Fabrikinspektion im Jahre 1887, 1889; Günther,
Geschichte der preuß. Fabrikgesetzgebung, 1891; Plot-
ke, Die Gewerbeinspektion in Deutschland, 1899; Evert,
Gewerbeinspektion in HW Staats Wi 4, 494; Fuchs, Die
Gewerbeinspektion in Deutschland, Schmollers Jahrb. 25,
113ff; v. Weizenbeck, Geschichte der baynerischen Fa-
briken= und Gewerbeinspektion, Diss. 1910; Bittmann,
Die badische Fabrilinspektion, 1879—1903, 1905; Schäf.
fer, Die württembergische Gewerbeinspektion, 1906;
Borchers, Vergleichende Untersuchung über das Ge-
werbeinspektorat in Deutschland und im Aucolande, Diss.
Halle 1904; Weyer, Die englische Fabrikinspektion, 1887.
— Wertvoll sind die Jahresberichte der G.-Beamten
(Auszüge im Reichsarbeiteblatte). Nelken.
V. Gewerbliche Berufsvertretungen
1) Handelskammern, Handwerkskam-
mern, Innungen
Vgl. die besonderen Stichworte; vgl ferner
Gewerbegerichte und Kaufmannsgerichte.
2) Gewerbevereine
1. Die gewerbliche Entwickelung hat in Deutsch-
land von jeher unter dem Einflusse des Vereins-
und Genossenschaftswesens gestanden. Während
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