Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Grundsteuer (Sachsen — Württemberg) 
14. 8. 10). Der Maßstab der GSt ist der Ertrag, 
der aus dem Flächeninhalt und der Naturalertrags- 
fähigkeit ermittelt wird. 
1. Der Flächenin halt wurde durch Par- 
zellenvermessung festgestellt. Es werden dann 
Mustergrundstücke ausgewählt, die durch Anglei- 
chung zur Feststellung der natürlichen Ertrags- 
fähigkeit benutzt wurden. Fischereirechte wurden 
besonders durch Liquidation, Deklaration oder 
Schätzung veranschlagt. Die Grundfläche der 
Gebäude und Hofräume wird in die Klasse der 
besten Grundstücke der Ortsflur eingereiht. Haus- 
gärten und Bauplätze werden wie andere Grund- 
stücke veranlagt. Für die Einschätzung der Grund- 
stücke waren besondere Organe geschaffen worden. 
Die Schätzung sollte durch Texatoren geschehen, 
die Landwirte waren. Jede Gemeinde eines 
Schätzungsbezirks hatte je 1 Wahlmann zu stellen 
und aus ihrer Mitte hatten die Wahlmänner 
Schätzleute zu wählen. Aus der Zahl der Schätz- 
leute berief die Zentralkatasterstelle die notwen- 
dige Zahl von Taxatoren. Eine Mehrzahl von 
Bestimmungen regelte die Einzelheiten des Ver- 
fahrens. Sie sind im ganzen gleichartig mit den- 
jenigen in den übrigen deutschen Staaten. 
2. Die Naturalertragsfähigkeit 
wird durch die Klassifikation ermittelt. Zu diesem 
Zwecke werden 30 Bonitätsklassen gebildet und 
nach der Größe des ganzen mittleren Körner- 
ertrags abgestuft. Dieser sollte bei Aeckern 1½ 
Scheffel (27,8 1) Korn von je 1 Tagewerk (34 a) 
zu dem festen Preissatze von 1 fl. rhein. W. nach 
Abzug der Aussaat sein. Bei andern Getreide- 
sorten wurde der gleiche Wert zugrunde gelegt. 
Bei Wiesen wurde 127 Zentner Heu 1 Scheffel 
Korn gleichgesetzt und bei Waldungen sollte erho- 
ben werden, welche Holzmege ½ Scheffel Korn 
gleichzusetzen sei. Jede Bonitätsklasse stellt sich 
somit dar als ein Vielfaches von ½ Scheffel Korn. 
Wenn z. B. ein Acker 1½ Scheffel Korn mitt- 
leren Körnerertrag liefert, so gehört das betr. 
Grundstück in die 13. Bonitätsklasse. 
3. Steuerverhältniszahl und 
Steuer. Das Produkt aus dem Flächen- 
inhalt und der Bonitätsklasse, der ein Grundstück 
angehört, ist die St Verhältniszahl. Sie bezeich- 
net den mittleren Ertrag eines Grundstücks in ½ 
Scheffel ausgedrückt oder, da 1 Scheffel 1 fl. 
berh. W. gleichgesetzt ist, auch in Gulden. Wenn 
z. B. ein Grundstück mit einem Flächeninhalte 
von 5 Tagewerk einen mittleren Körnerertrag 
von 5 Scheffel aufweist, so ist die St Verhältnis- 
zahl 549 = 45. Von jeder solchen Einheit der 
St Verhältniszahl wird nach G v. 14. 8. 10 ein 
Betrag von 4 Pf. erhoben. Vorher (bis 1912) 
bestimmte das jeweilige Finanzgesetz den St Satz. 
Die bayerische GSt ist Quotitäts St, deren 
Grundlage in der Hauptsache den Rohertrag 
ildet. 
4. Die Steuernachlässe sind zuerst 
durch ein besonderes G v. 1. 7. 34, neuerdings 
aber im Grund= und Haussteuer G v. 14. 8. 10 
selbst geregelt worden. Ein GStNachlaß kann 
beansprucht werden, wenn infolge außerordent- 
licher Elementarereignisse die gewöhnliche Jahres- 
rente um mindestens ¼ beschädigt oder der Wert 
des zum Wirtschaftsbetriebe eines Landguts die- 
nenden Inventars um mindesten ¾ beschädigt 
wurde. Die Schadenersatzguote wird nach 
  
Zwölfteilen ermittelt und dementsprechend auch 
der St Nachlaß. Gt Beträge können außerdem 
in bestimmten Fällen niedergeschlagen werden, 
wenn ihre zwangsweise Beitreibung den St# Pflich- 
tigen in seinem wirtschaftlichen Fortkommen ge- 
fährden würde. 
6# 6. Sachsen. Die GSt (mit der in ihr enthal- 
tenen Gebäude St) ist in Sachsen seit 1878 nur 
mehr Ergänzungs St im System der Personal- 
besteuerung. Sie entstammt der älteren Epoche, 
in der in Sachsen von 1834—1843 ein reines Er- 
tragssteuersystem ausgebildet worden war, be- 
ruht auf den G v. 9. 9. 43 und 3. 7. 78 und ist 
das einzige Glied der Ertragsbesteuerung. Der 
GSt unterliegt der Ertrag der landwirtschaftlich 
genutzten Grundstücke und anderer ertragsfähiger 
Bodenflächen, von Steinbrüchen, Teichen, ge- 
werblichen Gewässern und der Gebäude. Be- 
freit sind die dem Staate gehörigen Güter, Liegen- 
schaften zu öffentlichen Zwecken, ertragsloses Ge- 
lände und Gewässer, die besonders als steuerfrei 
erklärt sind. Der sächsische Kataster ist ein Par- 
zellarkataster, der den Flächeninhalt nach älteren 
Vermessungen angibt. Die daraus gebildeten 
Flurbücher machen Lage und Figur einer jeden 
Parzelle, ihre Größe, Kulturart, Bonität, ihren 
generellen und speziellen Reinertrag ersichtlich 
und weisen die einzelnen St Objekte und StEin- 
heiten aus. Die GSt beträgt von einem Rein- 
ertrag von je 10 Groschen je 4 Pf. als StEinheit. 
Der halbe Ertrag der GSt wird den Schulge- 
meinden als Dotation überwiesen. Die Gt ist 
daher in Sachsen von unerheblicher Bedeutung 
IJ Vermögenssteuerl. 
7. Württemberg. Die GSt v. J. 1820 
knüpfte teilweise an die ältere, aus dem 18. Jahrh. 
stammende Besteuerung an und war mehrfach 
eine Fortbildung der provisorischen Regelung der 
absoluten Epoche (1805—1819). Sie traf die 
Reinerträge der Ortsgemarkungen als Ganzes 
durch Abschätzung der Fluren und Gewänden, 
ohne auf die einzelnen StEinheiten zurückzugehen. 
Das Ortskontingent wurde dann nach ortsübli- 
chem Herkommen und mitunter mit oft recht ab- 
weichenden örtlichen Gepflogenheiten auf die 
einzelnen St Objekte verteilt. Mit der Gt war 
auch eine Besteuerung der dominikalen Gefälle 
verbunden. Die alten Kataster, die summarischen 
Anschläge dieses Verfahrens, der Mangel an Ver- 
hältnismäßigkeit gegenüber der Gebäude= und 
Gewerbe St und das offenkundige Mißverhältnis 
der StAnlagen zum Reinertrag, namentlich bei 
steter Erhöhung des Kontingents hatte zu uner- 
träglichen Zuständen geführt, die die StReform 
v. J. 1873 zu beseitigen suchte. Durch G v. 28. 
4. 73 wurde ein Parzellarreinertragskataster ge- 
schaffen, der mit großer Sorgfalt angelegt und 
relativ sehr gute Ergebnisse lieferte. Die GSt 
wurde sodann mit den beiden andern RealSt 
aus einer Repartitions St in eine Quotitäts- 
steuer mit dem festen Satze von 3,900% verwandelt. 
Die jüngste Finanz= und St Reform v. J. 1903 
hat durch G v. 8. 8. 03 auch die Gt zu einer Er- 
gänzungs St im System der Personalbestcuerung 
gemacht. » 
Steuerpflichtig sind alle ertragsfähi- 
gen Grundstücke und Realrechte mit Ausnahme 
der Güter der Krondotation, der Staatsgüter, 
der zu öffentlichen Zwecken dienenden Grund-
	        
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