Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Haftung Dritter (Begriff; Gesetzesinhalt) 
der Ausdrücke „Haftung Dritter“ schlechtweg, 
„Vertretungsverbindlichkeit", 
lichkeit“ (letzteres der in Bayern übliche und im 
geschriebenen Recht gebrauchte terminus tech- 
nicus); dem haftbaren „Dritten“ setzt man den 
„Cigentlich Schuldigen“, „für den“ er haftet, ent- 
gegen. Zu betonen ist aber, daß die hier zu erör- 
ternde „Haftung Dritter"“ keincswegs alle Fälle 
umfaßt, in denen gegen jemand im Hinblick auf die 
strafbare Handlung eines Anderen irgendwic vor- 
ge gangen wird. 
Als Rechtegebilde ganz anderer Art scheiden aus der 
Erörterung aus: 
1. Die Haftung, die jemanden im Falle eines fremden 
Delikts nicht sowohl als „Dritten“, sondern vielmehr als 
regelrechten „Täter“ (Haupttäter) trifft. So besonders 
a) die strafrechtliche mittäterschaftliche Haftung, und zwar 
auch da, wo ausnahmsweise (wie nach Recichestempel G v.6 
27. 4. 94 35) diese Haftung bloß einc „solidarische“ ist, also 
das Strafübel nur gegen Einen zur Verwirklichung gelangt, 
sodaß der Andere alodann Ipso jure straffrei wird. 
b) Die alleintäterschaftliche Haftung im Einne des Stras- 
rechts, auch in den Fällen, in denen jemand, der nach natür- 
licher Betrachtung „Dritier“ wäre, dadurch zum „Täter“ 
aufrückt, daß der „unmittelbare Täter“ aus der Roihe der 
weil er lediglich „Werkzeug" in der Hand des „Dritten“ 
war), oder sonst das Gesetz den Dritten mit eigener direkter 
täterschaftlicher Verantwortlichkeit belastet (Preß v. 7. 
5. 74 #2d0 II, StGB l 361 9 Satz 1, Gew C 1 151, Krank WG 
v. 10. 11. 92 1 S2#.aà, Zucker St G v. 27. 5. 96 1# 54, 55, Aus. 
„Zivilverantwort- 
  
wand G v. 9. 6. 97 1 43, Kinderschutz G v. 30. 3. 03 5( 29, 
Preuß. Forstdiebstahl G v. 15. 4. 78 # 12 I, II, Preuß. Feld- 
und ForstpolizeiG v. 1. 4. 80 5 5 II, Preuß. Jacd L v. 15. 
7. 07 1 80 II, Bayer. Forst G v. 28. 3. 52 a 70 ufsw.). 
2. Ebensowenig gehört hierher die Hereinziehung Dritter 
in das Geschick des Täters unter Anwendung der norimalen 
Bestimmungen über strafrechtliche Teilnahme. 
3. Endlich scheidet hier aus dasjenige Mitleidenmüssen 
Dritter nach einem fremden Delikte, bei dem es nicht die 
Rechtsfolgen des Delikts sind, in die der Dritte 
verstrickt wird. Dies gilt für die in zahlreichen Abgabegesetzen 
(B36, Bronntwein-, Brauerei-, Salz-, Tabak., Steuer- 
gesetz usw.) vorgesehene Haftung Dritter für Zölle und 
Steuern, insosern ja die Zoll. bezw. Steuerschuld des 
Täters, die infolge des Delikts eine Erstreckung auf den 
Dritten erfährt, nicht erst Folge der Zuwiderhandlung ist. 
Löst hier auch die Versehlung des Täters die Haftung des 
Dritten aus, so geht diese doch nicht eigentlich aus dem 
Delikt, als vielmehr aus der zoll- oder steuerrechtlichen Ver- 
bindlichkcit des Täters hervor. Schief die Ausdrucksweise 
in B386 1 153: (Geldbußen) „Zollge fälle (und 
Prozeßkosten), in welche die .. Personen wegen Ver- 
letzung der zollgesetzlichen oder Zoll- 
verwaltungsvorschriften verurteilt worden 
sind“. Die Verbindlichkeit zur Entrichtung von Zollgesällen 
hat mit etwaigem deliktischen Verhalten nichts zu tun. Die 
unrichtige Ausdrucksweise in # 153 erklärt sich nur daraus, 
daß in technisch mangelhafter Weise die Zollge fälle zwischen 
die „Geldbußen und Prozeßkosten“ eingeschoben sind.) 
Im Gegensatz zu den Rechtsfiguren zu 1—3, 
von denen im folgenden nicht die Rede sein soll 
(vgl. jedoch über die Haftung für Steuern und 
Zollgefälle unten § 8), ist die hier in Rede stehende 
„Hastung Dritter"“ diejenige H., die sich 1. nicht 
als eigentliche Täterhaftung im 
Sinne des Strafrechts darstellt; 
bei der 2. die Rechtsfolgen genau 
nach Art und Maß, wie sie den 
  
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— — — *. 
Täter zu treffen hätten, also 
völlig starr, auf den Dritten über- 
tragen werden:; und bei der 3. die über- 
tragenen Rechtsfolgen solche des 
fremden Delikts selber sind. 
Geschichtliches über das Institut der H. Dritter 
bei Büren 25 ff, Haimann 19 ff, Pötsch 3 ff, Reuß 5 ff. 
#s# 2. Unmittelbarer Inhalt der gesetzlichen 
Bestimmungen. Das Institut der H. ist dem 
Reichsrecht und den Landesrechten bekannt; für 
das Folgende kommt hauptsächlich das Reichsrecht 
in Betracht; doch ist auch auf eine Reihe von 
landesrechtlichen Bestimmungen cingegangen wor- 
den. Miteinander verglichen weisen die einzelnen 
gesetzlichen Bestimmungen mannigfache Ver- 
schiedenheiten auf. Das Bild, das sich aus ihnen 
hinsichtlich der Vorausseotzungen der Haftung, ihres 
Umfangs und des Rangverhältnisses zwischen der 
H. und der gegen den eigentlich Schuldigen ein- 
tretenden gleichinhaltlichen Rechtsfolge ergibt, ist 
folgendes: 
1. Voraussetzungen für den Eirntritt 
der Haftung. 
a) Ein von dem haften Sollenden verschiedener 
„cigentlich Schuldiger“" muß eine Tat 
verantwortlichen Personen ausgeschaltet erscheint (z. B. 
begangen haben, die als eine strafbare 
Handlung bestimmter Art erscheint. 
Es müssen daher sämtliche Merkmale einer straf- 
baren Handlung überhaupt (insbesondere Hand- 
lung, Rechtswidrigkeit, Schuld, soweit nicht der 
exzeptionolle Fall einer Strafe ohne Schuld in 
Fragc steht) gegeben sein, und die Tat muß einen 
derjenigen Tatbestände darstellen, an deren Pönali- 
sierung das Gesetz ausdrücklich die Folge der H. 
Dritter angeschlossen hat (Zoll= oder Steuerdelikt, 
Forstdiebstahl usw.). In welcher Erscheinungs- 
sorm (Vollendung oder Versuch, Haupttäterschaft 
oder Anstistung oder Beihilfe) der eigentlich 
Schuldige die Tat begangen hat, ist unerheblich. 
Dagegen wird in den Gesetzen allenthalben davon 
ausgegangen, daß der eigentlich Schuldige auch 
wirklich unter das betreffende Strasgesetz fällt, 
sodaß die H. Dritter nicht nur mit dem Vorhan- 
densein persönlicher Strafausschlietungsgründe 
bei dem eigentlich Schuldigen entfällt, sondern 
auch anzunehmen ist, daß eine an sich als haftung- 
begründendes Delikt erscheinende Tat dann keine 
H. auskommen läßt, wenn wegen JIdcal- 
oder Gesetzeskonkurrenz die Strasc aus einem 
anderen Strafgesetz zu verhängen ist, das von 
cinem Haftungssatz nicht begleitet ist. 
Deutlich kommt das Erfordernis, daß eine 
Strasbarkeit des eigentlich Schuldigen die Grund- 
lage für die H. bildet, allerdings nur in einem Teil 
der Gesetze zum Ausdruck (am deutlichsten da, wo 
die H. an eine von dem Anderen „verwirkte" 
Strafc oder an eine Strafe, die der Anderc „zu 
erlegen hat“, angeschlossen erscheint, wie z. B. im 
SpielkartenstempelE v. 3. 7. 78 + 18, Tabak- 
stcuer G v. 16. 7. 79 § 43, Zigarett St G v. 3. 6. 06 
&*21, Preuß. Fischerei G v. 30. 5. 74 & 52, Württ. 
Erbsch StG v. 26. 12. 99 a 34, Württ. Wander- 
gewerbe StG v. 15. 12. 99 (8. 8. 03) a 26). 
In manchen Gesetzen scheint der Straf- 
barkeit die „Verurteilung“ des An- 
deren wegen eines Delikts bestimmter Art als 
Bedingung der Haftbarkeit substituiert zu sein. 
So im V36 5l 153, Salzabgabe G v. 12. 10. 67 51 17, 
Statist. G v. 20. 7. 79 5 17, Brauntw StG##v. 24. 6. 87
	        
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