Hamburg (Gebiet, Bevölkerung)
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17. Jahrhunderts wird H. durch bürgerliche Wirren
in Atem gehalten, denen erst die durch eine Kaiser-
liche Kommission redigierten vier Hauptgrund-
gesetze (1710—1712) ein Ende machen.
Die bis zur Einführung der Repräsentativ-
verfassung währende dritte Periode sah nament-
lich im Anschluß an die Deutsche Bewegung 1848
vergebliche Versuche, sowohl die extrem demokra-
tische Verfassung der Constituante v. 11. 7. 49,
als auch die gemäßigte Maiverfassung, welche die
sogen. Neuner-Kommission 1850 ausgcarbeitet
hatte, sowie deren Neuredaktionen von 1855 und
1856 einzuführen. Ein Haupthindernis bildete
der wiedererstandene Deutsche Bundestag.
Erst das Wiedererstarken des Liberalismus
Hand in Hand mit der Gothaer Bewegung erlaubte
die Einführung der Repräsentativ Verf v. 28. 9. 60,
mit welcher die vierte und letzte Periode einge-
leitet ward.
An Stelle des durch Selbstergänzung geschaffe-
nen Rates von 24 Ratsherren und 4 lebensläng-
lichen Bürgermeistern traten 18 gewählte Sena-
toren, an deren Spitze zwei für je ein Jahr ge-
wählte Bürgermeister stehen. Die Urversammlung
der erbgesessenen Bürgerschaft wurde durch eine
teils auf Wahlen, teils auf Deputierungen ge-
gründete repräsentative Bürgerschaft von 192
(später 196) Köpfen abgelöst. Daran schloß sich
die zeitgemäße Aenderung der andern Staats-
institutionen.
Die Einführung der Reichssjustizgesetze brachte
nach heftigen Kämpfen die noch geltende Verf
v. 13. 10. 79 zu Wege: seitdem besteht die Bürger-
schaft aus 160 gewählten Mitgliedern. Die Verf
von 1879 erlitt dann noch einige Acnderungen
durch ein G v. 2. 11. 96 und das G v. 7. 6. 05.
Neben der Verfassungsurkunde, deren Ab-
änderungen den qualisizierten Bestimmungen über
Verfassungsänderungen (a 101) unterliegen, sind
verfassungsrechtliche Bestimmungen vornehmlich
noch enthalten in dem G über die Wahl und die
Organisation des Senates v. 28. 9. 60 mit Ab-
änderung v. 23. 1. 89, in der Gesch O für die Bür-
gerschaft v. 23. 3. 81, in dem WahlbG für die Bür-
gerschaft v. 5. 3. 06, in dem G über Organisation
der Verwaltung v. 15. 6. 63, im revidierten G
über die Organisation der Verwaltung v. 2. 11. 96
nebst Abändcrung v. 29. 2. 04, im G v. 23. 4. 79
betr. das Verhältnis der Verwaltung zur Rechts-
pflege, dem Disziplinar= und Pensions G für
nichtrichterliche Beamte v. 7. 1. 84.
## 2. Staatsgebiet und Bevölkerung.
I. Staatsgebiet. Zunächst ward das
eigentliche Weichbild (§1 Anfang) durch Landerwer-
bung vergrößert, dann wurden Gebietsteile im
Alstertal erworben sowie die nächstliegenden Elb-
gebiete. 1393 eroberten die Hamburger an der
Elbmündung Ritzebüttel, 1420 mit Lübeck zu-
sammen Bergedorf und die Vierlande. Die Aus-
einandersetzung mit Dänecmark im Gottorper
Vergleich 1768, endlich die Auflösung des Reiches
brachten die letzten Landerwerbungen. 1867 ver-
zichtete Lübeck auf sein Miteigentum an Berge-
dorf und den Vierlanden.
Dementsprechend gruppiert sich die Haupt-
masse des Hamburger Staatsgebietes heute am
Nordufer der Elbe um die Stadt H., ein zweiter
größerer Gebietsteil liegt der Stadt gegenüber
am Südufer der Norder-Elbe. Im Holsteinischen
liegen die sogen. Walddörfer, im ehemaligen
Herzogtum Lauenburg die Enklave Geesthacht.
Endlich bildet die Landherrenschaft Ritzebüttel
mit den Inseln Neuwerk und Schaarhörn einen
geschlossenen Komplex südlich von der Elbmün-
dung. Der größte Teil des Staatsgebietes wird
in immer stärkerem Maße städtisch bebaut.
Die ursprünglich auf den geschichtlichen Vor-
gängen beruhende Einteilung des Staatsgebietes
sind durch das G v. 18. 6. 29 und die Verfassung
von 1860 beseitigt. Durch ein Gv. 22. 6. 94
wurden dic ehemaligen Vororte mit der Stadt H.
vereinigt, wie dies früher schon mit den Vor-
städten der Fall gewesen war. Außer der Stadt
H. gibt es noch die Stadtgemeinden Bergedorf
und Kuxhaven. Das übrige nicht städtische Staats-
gebict setzt sich aus 38 Landgemeinden zusammen,
welche verwaltungsrechtlich in die 4 Landherren-
schaften: Ritzebüttel, Bergedorf, die der Geest-
lande und die der Marschlande gegliedert sind.
Eine Sonderstellung nimmt das auf Grund des
à 34 der RV und Rv. 16. 2. 82 geschaffene Frei-
hafengebiet ein, das mit einem Flächenraum von
1015 ha mit 318 ha Gewässer seit dem 15. 10. 89
Zoll-Ausland ist.
Ein eigentümlicher Anner des Staatsgebietes
sind die Rechte, welche den Unterlauf der Elbe
der Hamburgischen Staatshoheit auch da unter-
werfen, wo H. nicht Uferstaat ist (Freibrief Bar-
barossas 1189, Privilegien von 1359 und 1468).
1I1. Bürgerrecht und Staatsan-
gehörigkeit. Früher hatten das volle Staats-
bürgerrecht innerhalb des Gebietes nur die Ham-
burger Bürger, die in den verfassungs-
rechtlichen Formen die übrige Bevölkerung als
Untertanen beherrschten. Die diese verschiecdenen
Abstufungen beseitigende und auf eine Verallge-
meinerung des Bürgerrechts abzielende Bewe-
gung des 19. Jahrhunderts schuf durch Gv. 7.
11. 64 eine allgemeine Staatsangehörig-
keit, die das Heimatsrecht verlieh, und daneben.
das politische Bürgerrecht, eine ge-
steigerte Staatsangehörigkeit, dic allein politische
Rechte gewährte, aufrecht erhielt. Heute sind
Hamburgische Staatsangehörigkeit und Ham-
burgisches Bürgerrecht den Normen des Gv.
2. 11. 96 unterstellt.
Das das aktive und passive Hamburgische Wahl-
recht verleihende Hamburgische Bürgerrecht wird
— im Gegensatz zu den früheren teilweise hohen
Abgaben — kostenlos erteilt an alle volljährigen
männlichen Staatsangehörigen, die sich im Besitz
der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, nicht unter
Polizciaufsicht stehen und während der letzten 5
Jahre ein jährliches Einkommen von mindestens
1200 Mk. in H. versteuert haben.
Ein Zwang zum Erwerb des Bürgerrechts be-
steht gegen diejenigen Erwerbsberechtigten, die
in den letzten drei aufeinanderfolgenden Jahren
ein steuerpflichtiges Einkommen von mindestens
2000 Mk. jährlich gehabt und das 60. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben, sowic für gewisse Be-
amtenkategorien.
5 3. Senat und Bürgerschaft.
1I. Charakter der Verfassung. Die
Hamburgische Verfassung sagt a 6: „die höchste
Staatsgewalt steht dem Senate und der Bürger-
schaft gemcinschaftlich zu“.
Sie weist dann, indem sie sich die Theorie der