Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
3. Die Kosten und Lasten des ge- 
samten Kriegswesens des Reichs sind von allen 
Bundesstaaten und ihren Angehörigen gleich- 
mäßig zu tragen, so daß weder Bevorzugungen 
noch Prägravationen einzelner Staaten oder 
Klassen grundsätzlich zulässig sind, R#BV. a 68. 
Dieser Grundsatz findet auf Bayern unbeschränkte 
Anwendung und nur die Art der Ausführung ist 
in Bayern anders wie in den übrigen Bundes- 
staaten geregelt. Die Leistungen für die Armee 
bestehen teils in der Stellung dienstfähiger Mann- 
schaft, teils in Geldzahlungen. 
a) Der Ersatzbe darf ist pro rata der Be- 
völkerung von den einzelnen Staaten zu stellen 
(RBa60). Durch das R v. 26. ö. 93 (REnl 185) 
wurde diese Bestimmung aber in zweifacher Rich- 
tung abgcändert. An die Stelle der Bevölke- 
rungsziffer der einzelnen Staaten wurde die 
Zahl der diensttauglichen Militärpflichtigen, welche 
im laufenden Jahre in den Armeckorpsbezirken 
vorhanden sind, gesetzt und es wurde ferner be- 
stimmt, daß wenn ein Armeekorpsbezirk seinen 
Rekrutenanteil nicht aufzubringen vermag, der 
Ausfall auf die andern Armeekorps desselben 
Kontingents nach Maßgabe der Ueberzähligen 
verteilt wird, daß also keine derselben auf den im 
Bezirk einer andern Kontingentsverwaltung vor- 
handenen Ueberschuß übergreifen darf. Preußen 
bildet daher mit sämtlichen Staaten außer den 
drei anderen Königreichen hinsichtlich der Re- 
krutenstellung ein einheitliches Gebiet und es 
kommt nicht auf die Bevölkerungszahl der einzel- 
nen dazu gehörenden Bundesstaaten, sondern auf 
die Gesamtzahl der diensttauglichen Mannschaften 
dieses Gebietes an. 
b) Die Ausgaben für das gesamte ReichsH. 
und dessen Einrichtungen werden aus der Reichs- 
kasse bestritten und durch das Etatsgesetz festge- 
stellt (R#V. a 53 Abs 3; a 62 Abs 2). Ersparnisse 
an dem Militäretat, welche eine Regierung bei 
der ihr zustehenden Armeeverwaltung macht, 
fallen nicht der Kasse dieses Staats, sondern der 
Reichskasse zu (RV a 67). Für Württemberg ist 
zwar in der Milit. Konv. a 12 Abseine Ausnahme 
gemacht; sie ist aber nicht von erheblicher prakti- 
scher Bedeutung. Dagegen werden die von 
Bayern für sein Kontingent aufzuwendenden 
Beträge in einer Summe festgestellt, deren 
Höhe zu der für das Reichs H. zu verausgabenden 
Summe in demselben Verhältnis steht, wie die 
Kopsstärke des Bayerischen Kontingents zu der 
des übrigen Reichs H.; Ersparnisse kommen Bayern 
zugut. Auch die Naturalleistungen für 
das H. im Krieg und Frieden, sowie die Beschrän- 
kungen des Grundeigentums in den Umgebungen 
der Festungen sind für das gar ze Rcich durch 
Reichsgesetze gleichmäßig normiert. 
3. Die verfassungsmäßigen Rechte der Ein- 
zelstaaten. Die RV bezeichnet die Truppen der 
Bundesstaaten als die Kontingente des Reichs H. 
(à 63, 64, 66) und geht von dem Prinzip aus, daß 
jeder Staat seine „eigenen“ Truppen, sein be- 
sonderes Kontingent hat. Demgemäß bezeichnet 
die R# mit dem Worte „Kontingentsherren“ die 
Landesherren und Senate der deutschen Bundes- 
staaten als die militärischen Dienstherren ihrer 
Truppen und „Kontingentsherrlichkeit“ ist der aus 
der früheren deutschen Militärverfassung stam- 
mende Ausdruck für die landesherrlichen Rechte 
Heer (Rechte der Einzelstaaten) 
  
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in Militärsachen. Dieser Begriff würde keine 
Schwierigkeiten bereiten, wenn jeder Staat seine 
Truppen lediglich aus seinen Angehörigen bilden 
und in seinem Gebiet in Garnison haben würde. 
Dies ist aber nicht der Fall und demgemäfß zerfallen 
die landesherrlichen Militärhoheitsrechte nach 
ihrem Rechtsgrunde in drei Gruppen; sie beruhen 
entweder auf der Kontingentsherrlichkeit d. h. 
militärischen Dienstherrlichkeit, oder auf der Ge- 
bietsherrschaft oder auf der Herrschaft über die 
Staatsangehörigen. 
1. Die Kontingentsherrlichkeit. 
Die hierin enthaltenen Rechte sind von allen Staa- 
ten außer Bayern, Sachsen und Württemberg dem 
König von Preußen durch die Militär-Konven- 
tionen übertragen worden, soweit nicht besonb5ere 
Vorbehalte gemacht oder über die Art der Aus- 
übung besondere Vereinbarungen getroffen wor- 
den sind. Die kontingentsherrlichen Rechte ver- 
einigen sich daher in allen diesen Staaten mit den 
kaiserlichen in demselben Träger und dies ist der 
Grund, aus welchem in der Literatur beiderlei 
Rechte oft zusammengeworsen werden und der 
Begriff der Kontingentsherrlichkeit vielfach ver- 
kannt wird. Sowie das Reichsheer nur aus 4 
Kontingenten besteht, so gibt es auch nur 4 Kon- 
tingentsherren, von denen einer der König von 
Preußen (nicht der Kaiser) ist. Die in der Kon- 
tingentsherrlichkeit enthaltenen Rechte sind: 
1. Die Kommandogewaltj; sie kommt 
dadurch zur Verwirklichung, daß die Kontingents- 
herren die Offiziere ihrer Kontingente ernennen 
(RV a66); indem der Landesherr (Kontingents- 
herr) einen Offizier ernennt, überträgt er ihm 
die seiner Stellung entsprechende Kommando- 
gewalt; er übt dadurch die letztere aus. Die Offi- 
ziere stehen auch in einem Dienstverhältnis nur 
zu demjenigen Landesherrn, von welchem sie an- 
gestellt sind; es gibt keine kaiserliche, sondern nur 
preußische, sächsische, württembergische und bay- 
rische Offiziere. Der Fahnencid wird von den 
Offizieren dem Kontingentsherrn geleistet und 
der letztere hat das Recht zur dienstlichen Verwen- 
dung; ausgenommen sind nur diejenigen Befehls- 
haberstellen, welche vom Kaiser zu besetzen sind 
(siehe oben). Das Dienstverhältnis findet einen 
Ausdruck in äußeren Abzeichen der Unisorm, 
welche der Kontingentsherr zu bestimmen hat. 
2. Die Militärstrafgerichtsbarkeit [s] 
ist mit der Kommandogewalt verbunden und ein 
Recht der Kontingentsherren; die Militärgerichte 
sind Gerichte des Kontingentsherrn. Nur für die 
Revisionsinstanz ist das Reichsmilitärgericht er- 
richtet, bei welchem für das bayrische Kon- 
tingent ein besonderer Senat besteht. Auch die 
Disziplinargewalt und Dißsziplinarge- 
richtsbarkeit steht den Kontingentsherren zu. — 
Der Gerichtsbarkeit entspricht das Begna- 
digungsrecht ss]; es steht daher demjenigen 
Kontingentsherrn zu, dessen Militärgericht das 
Strasfurteil gefällt hat; jedoch ist in den Militär- 
konventionen eine gewisse Berücksichtigung des 
Untertanenverhältnisses ausbedungen. 
3. Die Militärverwaltung ist Kon- 
tingentsverwaltung; es gibt keine Reichsmilitär= 
verwaltung. Die vier Kriegsministerien und die 
ihnen unterstellten Behörden sind Landesbehör- 
den der Kontingentsherren. Die Beaufsichtigung 
dieser Verwaltung steht dem Reich zu (RV a 4 
 
	        
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