Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

Heilige 
— — 
schrift als akzidentelle Folge die Aussonderung 
der res sacra vom profanen Gebrauch an die 
consecratio-benedictio geknüpft, sondern weil es 
für gewisse Fälle diese Wirkung erreichen will, 
hat es die Weihe als Mittel zu diesem Zweck vorge- 
schrieben. 
Die res sacrae des evangelischen Kirchenrechts, 
bei welchen keine innere Heiligkeit, sondern nur 
eine gottesdienstliche Zweckbestimmung anzuneh- 
men ist, sind die Kirchen und die Kirchhöfe. 
Die staatlichen Gesetze stehen mit Ausnahme von 
Bavern, wo die kanonische Begriffsbestimmung 
akzeptiert ist (ugl. Kreittmayr zu Cod. Max. p. II 
c. 1 3 2; andernteils jetzt der aus der Beratung 
der Kammer der Abg. hervorgegangene Entw 
einer KGO am Schluß) auf dem Standpunkt der 
Zweckformulierung, oder genauer gesagt: sie ver- 
knüpfen die den res sacrae anhängenden Rechts- 
folgen mit den dem Gottesdienst gewidmeten Sa- 
chen und beschränken dies durchgängig sogar auf 
diejenigen Sachen, welche dem öffentlichen Got- 
tesdienst dienen und demgemäß zu den öffent- 
lichen Sachen zählen. 
2. Berleihung und Berlust des Sakral= 
charakters. Da die res sacrae eine besondere 
rechtliche Behandlung finden, ist die Frage nach 
der Entstehung und dem Untergang des Sakral= 
charakters bedeutungsvoll. Dieser entsteht bei 
den H. S. der Katholischen Kirche durch die 2on- 
secratio-benedictio, also durch einen geistlichen 
Akt und zwar durch einen Akt der Weihegewalt. 
Der Staat hat hierbei keine Mitwirkung (vgl. z. B. 
das bayerische Religionsedikt § 38 g). Da aber 
die Folgen des Sarcertätscharakters weit in die 
staatliche Sphäre hineinragen, gilt der Sath: diese 
Folgen haben nur insoweit Bedeutung pro toro 
civili, als die Weihe unter Innehaltung der etwai- 
gen staatlichen Vorschriften über die Widmung 
der zum gottesdienstlichen Gebrauch dienenden 
Sachen erfolgt. So müssen also vor allem die staat- 
lichen Vorschriften über die Errichtung von Kir- 
chengebäuden erfüllt sein. Hierbei ist insbeson- 
dere auch der Fall wichtig, daß die Weihe 
ohne Zustimmung des Eigentümers erfolgt. Diese 
ist pro foro ecclesilastico gültig, d. h. die Sache 
wird eine res sacra im liturgischen, nicht aber 
im staatsrechtlichen Sinne; Rechtswirkungen kann 
sie nicht haben, und das freie Benutzungsrecht 
des Eigentümers findet staatlichen Schutz. Für 
den Staat liegt der Schwerpunkt nicht in dem 
Sacramentale, sondern in der Zweckbestimmung 
(daher die Fassung im SteB (später] und Eu# 
z. BGB a 133) und deshalb kann er hier auf 
Anwendung der zivilistischen Grundsätze nicht 
verzichten. Nach protestantischem Kirchenrecht 
wird der Sacertätscharakter denn auch durch die 
bloße Widmung zum gottesdienstlichen Zweck exi- 
stent. Nach katholischem Kirchenrecht kommt es 
freilich vor, daß bei Kirchen, die noch nicht ganz 
fertiggestellt sind, deren zukünftige gottesdienst- 
liche Bestimmung aber feststeht, oder in denen 
ausnahmsweise schon Gottesdienst abgehalten 
wird (c. 9 X 3, 49), bereits die rechtlichen Folgen 
der Sacertät oder wenigstens einige derselben, z. B. 
die Rechte der Immunität, an einem früheren 
Zeitpunkt eintreten (Hinschius 4, 165). Im übri- 
gen aber gilt nach kanonischem Recht der Satz: 
der Sakralcharakter wird nur durch die Weihe ins 
Leben gerufen, wenn sich die rechtlichen Wir- 
  
Sachen 
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. 
kungen desselben auch nach Staatsrecht modifi- 
zieren. 
Der Verlust des Sacertätscharakters kann so- 
gar bei den res sacrae des katholischen Kirchen- 
rechts ohne rituelle Entweihung nach stattgehabter 
Untersuchung und Feststellung einer iusta causa 
auf Grund eines bloßen decretum de profanando 
des Bischofs erfolgen. Durch Vernichtung und 
Verkauf — vorausgesetzt, daß letzterer nach inne- 
rem Kirchenrecht gültig ist — ohne liturgischen 
Akt, wird der Sakralcharakter beseitigt. Steht die 
res sacra im Eigentum eines dritten, z. B. des 
Staates, einer Gemeinde, so kann die Aufhe- 
bung der gottesdienstlichen Zweckbestimmung, 
oder der Sacertät ebenfalls nur durch den kirch- 
lichen Oberen erfolgen, weil die consecratio- 
benedictio eine dauern de kirchliche Zweck- 
setzung bedeutet. Bei der Aufhebung und Um- 
gestaltung von Anstalten ist die Einstellung des 
Anstaltsgottesdienstes eine Aufhebung des Sa- 
kralcharakters pro foro civili. In der Frage des 
Untergangs des Sakralcharakters stimmen das 
katholische und evangelische Kirchenrecht überein. 
Ersteres hat nur noch besondere Bestimmungen 
über den Verlust der Sacertätsqualität für die 
ganz oder in ihren Hauptteilen zerstörten re- 
consecratae entwickelt (Richter-Dove §5 306). Da- 
gegen ist es keine execratio, sondern nur eine Be- 
fleckung, wenn in einer Kirche ein Mord oder eine 
andere blutige Tat oder Unzucht begangen worden 
ist. In diesen Fällen findet nur eine reconciliatio 
statt. — Die Pollution einer Kirche ergreift we- 
gen der akzessorischen Natur auch den örtlich ver- 
bundenen Kirchhof, nicht aber umgekehrt. 
3. Rechtliche Natur der heiligen Sachen. 
Die Weihe resp. Widmung erzeugt rechtliche Wir- 
kungen. Allerdings ist die consecratio-benedictio 
nicht, wie in fälschlicher Gleichsetzung mit der 
römisch--rechtlichen consecratio behauptet worden 
ist, eine Eigentumserwerbsart der Kirche. Alle 
res sacrae, selbst die Pfarrkirchen, können vielmehr 
im Privateigentum von Laien und nichtkirchlichen 
juristischen Personen stehen. Es ist nur Pflicht der 
Kirchenoberen, sich die gottesdienstliche Disposition 
über sie zu sichern. Die positiven Rechtsfolgen der 
Weihe und Widmung, die hier übereinstimmen, 
sind sowohl zivilrechtlicher wie strafrechtlicher Natur. 
In erster Hinsicht besteht negativ Ausschluß vom 
profanen Gebrauch und damit zusammenhängend 
partielle Extrakommerzialität und positiv ein Dis- 
positionsrecht der Geistlichen einschließlich der Kir- 
chenpolizei. Die strafrechtliche Bedeutung er- 
schöpft sich in den Bestimmungen über das Sa- 
krileg. 
K#r Ausschluß vom profanen 
Gebrauch (Hinschius 4, 167 ff). Profanierend 
ist der Gebrauch, welcher mit der gottesdienst- 
lichen Bestimmung unvereinbar ist oder die schul- 
dige Ehrfurcht verletzt, z. B. die Benutzung der 
Kirchen als Magazin, zu weltlichen Lustbarkeiten, 
Gerichtsverhandlungen, Wahlen, zum Aushängen 
geschäftlicher Bekanntmachungen. Auf Kirchhöfen 
soll man keine Wäsche trocknen, kein Vieh weiden; 
Abendmahlskelche sollen nicht bei Trinkgelagen 
und Gastmählern benutzt werden. Die Benutzung 
zu anderen weltlichen Zwecken, z. B. der Kirche 
zu Konzerten ist nicht absolut unzulässig. Im 
konkreten Fall bestimmt dies der rector ecclesine. 
welchem die Disposition über die res sacrac zu-
	        
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