Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Internationales Privatrecht 
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nicht (um von anderen Bedenken abzusehen), ob 
bei einem Rechtsverhältnis der persönlichen oder 
der räumlichen, wie auch welcher von mehreren 
persönlichen oder räumlichen Anknüpfungen der 
Vorrang zukommt. 
Ebensowenig kann das JU1f den Teil eines be- 
sonderen, den Staaten gemeinsamen „int Rechts“ 
bilden. Zwar verdankt die Disziplin dieser Lehre 
ihren Namen: Das „int Recht“ soll (nach Foelix) 
in die Unterabteilungen des int öffentlichen Rechts 
und des I#ll zerfallen, das erste die Beziehungen 
der Staaten zueinander behandelnd, was dann 
dem Völkerrecht gleichgesetzt wird, das zweite die 
Beziehungen der Privatpersonen. Die beiden 
Unterbegriffe sind in solcher Abgrenzung unhalt- 
bar, und für ein int Recht, das verschieden wäre 
von staatlichem und von Völkerrecht, bleibt im 
positiven Recht der Gegenwart kein Raum. 
Bedeutet das IU½l! nun aber einzelstaatliches 
Recht, so bilden seine Vorschriften einen Sonder- 
zweig des öffentlichen Rechts. Zwar einer 
Darstellung dieser Lehren in Verbindung mit dem 
Zivilrecht, Prozeßrecht usw. steht nichts entgegen. 
Aber — das muß zunächst für das int Zivilrecht 
betont werden — ihrer Art nach sind diese Vor- 
schriften öffentliches Recht, sie begrenzen die 
Staatsgewalt, gelten nicht dem Gesetzesinhalt, 
sondern dem Gesetzesbefehl. Und Rechtssätze, die 
bestimmen, ob die oder jene Gesetzgebung zur 
Anwendung kommen soll, also von dem Geltungs- 
bereich eines gegebenen Privatrechtssatzes über- 
haupt abstrahieren, können von vornherein nicht 
dem Privatrecht angehören. Int Zivilrecht, Pro- 
zeßrecht, Strafrecht, VerwzRecht unter sich zur 
einheitlichen Disziplin zusammenzufassen, emp- 
fiehlt sich aus methodischen Gründen. 
Als staatliches Recht muß auch das JUU positive 
Quellen haben. Eine solche fließt in geringem 
Umfang im Gesetzesrecht, insbesondere auch her- 
vorgerufen durch Staatsverträge. In dessen Er- 
mangelung aber gilt ungesetztes Recht, das aus 
zwei Elementen erkannt wird. Das Dölkerrecht 
verpflichtet die Staaten, sich in ihrer Wirksamkeit 
wechselseitig anzuerkennen, und nötigt damit unter 
Verzicht auf eine Alleinberechtigung zu einer Auf- 
teilung der Zuständigkeiten. Die eigene Zust der 
Staaten aber wird bezeichnet durch die Sonderart 
der einzelnen Rechtsverhältnisse. Der konkrete Tat- 
bestand mag örtliche Beziehungen zu vielerleiRechts- 
gebieten haben, der Ort des Vertragsschlusses, der 
Ort, an dem die Ware lagert, den sie beim Trans- 
port berührt, an dem sie zu übergeben ist, 
Wohnsitz und Staatsangehörigkeit der beiden 
Parteien mögen verschiedenen Staaten ange- 
hören: es ist nicht möglich, die Herrschaft aller 
der Staaten anzuerkennen, zu denen der Fall ört- 
liche Beziehungen aufweist. Man sindet den „Sitz 
des Rechtsverhältnisses“ (Saviany) durch 
einen Reduktionsprozeß, der unter bewußter Aus- 
schaltung minder wichtiger Beziehungen derjeni- 
gen „Anknüpfung“ folgt, die nach der Beschaffenheit 
des fraglichen Rechtsverhältnisses als die wichtigste 
erscheint. Für das Zivilrecht muß diese An- 
knüpfung grundsätzlich eine einzige sein; denn die 
Alternative lautet hier: entweder die eine oder die 
andere Rechtsordnung. Für die öffentlichrecht- 
lichen Disziplinen bedarf es zwar gleichfalls einer 
Ausscheidung minder wichtiger örtlicher Bezie- 
  
  
hungen, doch können mehrere Anknüpfungen dabei 
als gleichwertig festgehalten werden; denn die 
Alternative lautet insoweit: eigene Tätigkeit oder 
Untätigkeit. 
Die so gefundene Zust bezeichnet den zur Rege- 
lung berufenen Staat. Esistirreführend, die 
erste Frage im JIP¼l auf das „maßgebende Recht“ 
zu richten; man kann dem Bestand eines int Zivil- 
prozeßrechts oder Verwrechtsnichtentgegenhalten, 
daß die Behörde ihr eigenes Prozeßrecht oder Verw- 
Recht anwende. — Die Zust des berufenen Staats 
äußert sich einerseits in der Bereitstellung von Be- 
hörden, ein Interesse wahrzunehmen, andererseits 
in der Darbietung von materiellem Recht, es zu 
ordnen. Von dieser Zust aber, materiellrechtliche 
Ordnung zu gewähren, mag der Staat durch Auf- 
stellung abstrakter Rechtssätze, aber auch durch be- 
hördlichen Eingriff in das konkrete Rechtsverhältnis 
Gebrauch machen, er kann die Volljährigkeit durch 
Rechtssatz, durch Urteilsfällung, durch Großjährig- 
keitserklärung festlegen.— Kommt fremde Ordnung 
im Inland zur Geltung, so werden fremde Rechts- 
sätze angewendet, behördliche Sonderakte 
des Auslands anerkannt. Dabei wird Ge- 
setzesvorschriften des Auslands die Eigenschaft, 
Recht zu sein, ohne weiteres zugesprochen, und auch 
die Sachlage, die auf behördlichen Sondereingriffen 
des zuständigen Landes beruht (Entmündigung, 
Naturalisation), wird mit einer wichtigen Aus- 
nahme als rechtlich begründet vorbehaltslos hin- 
genommen. Urteile fremder Zivilgerichte hin- 
gegen, auch wenn sie im zuständigen Staat ge- 
sprochen sind, werden in Deutschland nicht ohne 
weiteres als Rechtsquelle anerkannt, sondern nur, 
wenn sie den Voraussetzungen des # 328 BSBO 
entsprechen. 
Ob bei einem der Regelung bedürftigen Rechts- 
verhältnis fremde Ordnung zum Zug kommen soll, 
bestimmt das Inland souverän. Beruht alles IP 
auf dem Gedanken der Zust Verteilung, so kann 
doch in concreto nicht berücksichtigt werden, ob der 
fremde Staat seinerseits die Regelung übernehmen 
will. Es kann sein, daß zwei fremde Staaten zu- 
mal das Rechtsverhältnis beherrschen wollen, es 
kann sein, daß sich jeder für unzuständig erklärt; 
und doch vermag das Inland nicht darauf zu ver- 
zichten, in Ermangelung eigener Zust fremde 
Ordnung zur Anwendung zu bringen. Noch we- 
niger kann es auf die gebotene Anwendung frem- 
den Rechts Einfluß nehmen, wenn der für zu- 
ständig erklärte Auslandsstaat den gleichen Fall 
seinerseits nach unserem Recht beurteilen würde 
(„Rückverweisung")y oder das Recht eines drit- 
ten Staats für maßgebend hält(„Weiterverwei- 
sung“"). Eine solche Lage kann durch Verschiedenheit 
der Kollisionsnormen, aber auch durch abweichende 
„Qualifikation“ des zu beurteilenden materiell- 
rechtlichen Verhältnisses geschaffen werden. Eine 
Zulassung der Rückverweisung würde nicht nur zu 
sinnlosen Ergebnissen führen: verweist der für 
zuständig erklärte Auslandsstaat seinerseits auf die 
Ordnung im Inland, so diese zum zweitenmal auf 
das fremde Recht und dies wieder zurück in 
endlosem Mechsel — sie ist innerlich falsch: man 
kann der angezogenen materiellen Vorschrift des 
fremden Rechts allenfalls entnehmen, daß sie selbst 
für den betreffenden Fall nicht gelten wolle, aber 
nicht, was in Ermangelung eigener Geltung nun- 
mehr mit dem Sachverhalt geschehen soll. Eine
	        
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