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Kaufmannsgerichte — Kiantschou
„Dienstverhältnis“ hier alles einbegriffen sei, was
auf das Dienstverhältnis der Gesamtheit der kauf-
männischen Angestellten sich bezieht und damit
im Zusammenhange steht, also z. B. Fragen wie
Sonntagsruhe, Ladenschluß, Einführung von
Handelsinspektoren zur Ueberwachung der Ge-
sundheitsverhältnisse usw., Schutzbestimmungen.
Alles, was über Gutachten und Anträge der
Gewerbegerichte () ausgeführt ist, findet auch
Anwendung auf die Kaufmannsgerichte.
Die Kfm G gaben Gutachten ab: 1906: 59; 1907: 134;
1908: 49; 1909: 35. Es wurden Anträge gestellt: 1906:
63; 1907: 75; 1908: 83; 1909: 61.
#8. Statistik. Ksm G bestanden im Jahre:
1906 1907 1908 1909
248 256 262 267
Davon sind bereits bestehenden Gew G angegliedert:
208 195 221 217
Bei den Kfm G waren anhängig:
1906 1907 1908 1909
a) Klagen von Handlungs-
gehilsen u. Lehrlingen
gegen Kaufleute 17 117 18 786 20 703 21 656
b) Klagen von Kaufleu-
ten gegen Handlungs-
gehilsen u. Lehrlinge 2050 1683 1 413 1489
Es wurden erledigt durch
a) Vergleich 8 075 8675 9375 9627
b) Verzicht 77 118 170 272
c) Anerkenntnis 145 159 197 209
4) Zurücknahme d. Klage 2985 3226 3715 3811
e) Versäumnisurteil 1 170 1 5066 1720 1 813
1) andere Endurteile 3549 3819 3 968 4 002
8) auf andere Weise wie
unter a—f erledigt 1 6563 1660 1943 2 110
Von den anhängigen Sa-
chen hatten einen Streit-
wert über 300 Mk. 3 413 3600 4275 4 437
Berusfungen fanden statt
in Sachen 392 361 40 502
Die Statistik ist dem Rüôrbl (1907, 891 ff; 1908, 873 ff;
1909, 617 ff; 1910, 696 ff) entnommen.
Kiüteratur: Silberschmidt, Die deutsche
Sondergerichtsbarkeit in Handels- und Gewerbesachen, ins-
besondere seit der französischen Revolution, Beilageheft zur
8 für das gesamte Handelsrecht Bd. 55. 1904; Silber-
mann, Die Frage der kaufmännischen Schiedsgerichte in
Deutschland, Brauns Arch 11, 658 ff; Gutachten, Anträge und
Einigungsämter bei den Kfm G, Gewerbegericht 1910 Sp. 1ff;
Bewer, Gesetz betr. die Kfm G, Preuß. BVerw Bl 25, 691fsf;
Die Bezirke der GewE und Kfm, UArch OessR 20, 356 ff;
Neukamp, Die Kfme, Bankürch 4, 41 #f; 5, 4 f; Schoen,
Die Kfm, 1906; Sontag, Wiedereingliederung der Gew.,
Kfsmch in die ordentl. Rechtspflege (3Z. f. Zivilproz. 37, 1908,
331—346); Baum, L### f. Gew= und Kfm G 1912. —
Kommentare zum kfm G: Apt, 1905; Haas, 1004;
Hirsekorn, 1901; Menzingeru. Prenner, 1004;
v. Meyeren, 1905; v. Schulz, 1905. — Spruchsamm-
lungen: Jahrbuch des Kfm G Berlin (Aufsätze, Entschei-
dungen, Anträgc), I 1908, II 1910, III 1912; Das Kfm G,
Monateschrift des Deutsch--nationalen Handlungsgehilfenver-
bandes; Kaufmann, Handelsrechtliche Rechtsprechung
1907 f; Garneyers Jahrbuch der Entscheidungen: A. Zi-
vil-, Handels= und Prozeßrecht, 1907 ff. Bgl im übrigen die
Literatur zu dem Art. „Gewerbegerichte“ und über die an-
Sustrebende Erweiterung der Ksfme zu Angestelltengerichten
Baum in Verhandl. des 31. Juristentages I, 1909 ff 225.
v. Schulz.
— —
□Art. Kolonialfinanzen.
Kiautschon
Größe 551 akm. — Einwohner einschl. 2275 Mann Be-
satzung (1910): 164 854, davon in Stadt Tsingtau 1621
Weiße (davon 1531 Deutsche), 34 180 Chinesen; Land-
çgebiet 126 690 Chinesen. )
6 1. Einleitung. # 2. Staats- und völkerrechtliche Stellung.
1 3. Rechtsverhältnisse der chinesischen Bevölkerung. #s 4. Ge-
setzgebung und Verordnungsrecht. # 5. Grundlagen der Ber-
waltung (Organisation). & 6. Militärwesen. 3 7. Rechtspflege.
1 8. Besonderheiten der VBerwaltung: I. Recht an Grundstük-
ken. II. Selbstverwaltung. III. Steuern und Zölle. IV. Wäh-
rungs-- und Bankpolitik. V. Schul. und Bildungswesen.
IG — Gebiet; SchE — Schutzgebietl.
§ 1. Einleitung. Das Sch G K., am Gelben
Meer, etwa auf dem Schnittpunkte des 36. Grades
nördlicher Breite und des 120. Grades östlicher
Länge von Greenwich gelegen, ist von Deutschland
durch Staatsvertrag mit China v. 6. 3. 98 erworben.
Die Stadt Tsingtau ist der Sitz des Gouverne-
ments. Die Stadt Kiautschou liegt auf chinesi-
schem Gebiete. Das zum Teil gebirgige Gebiet
wird in seinen ebenen Lagen durch chinesische
Kleingrundbesitzer intensiv bewirtschaftet und
kommt als Ackerbau-Kolonie für deutsche Ein-
wanderer nicht in Betracht. Seine Bedeutung
liegt in der Eigenschaft des vorzüglich geschützten
und mit allen erforderlichen Einrichtungen ver-
seheneen Hafens von Tsingtau als Stützpunkt für
das in Ostasien stationierte deutsche Geschwader
und als wichtigstem Ein= und Ausgangstor für
die von zirka 38 Mill. Menschen bewohnte, an
Mineralschätzen reiche Provinz Schantung (Haupt-
stadt: Tsinanfu, mit Tsingtau durch die 412 km
lange deutsche Schantung-Eisenbahn verbunden;
im Weihsien- und Poschan-Bezirke die Bergwerke
der deutschen Schantung-Bergbau-Gesellschaft):
ferner in den günstigen Vorbedingungen für Er-
richtung industrieller Anlagen in Tsingtau. Endlich
bilden seine gesamten Einrichtungen ein „kulturelles
Musterlager“, bestimmt und fähig, dem aufstreben-
den China eine lebendige Anschauung deutschen
Wesens zu vermitteln und dadurch Deutschland
einen angemessenen Anteil an der Erschließung
des Landes zu sichern.
## 2. Staats= und völkerrechtliche Stellung.
Das K.G ist von China an Deutschland „pacht-
weise“, vorläufig auf 99 Jahre, überlassen. Wäh-
rend der Pachtdauer wird die chinesische Regie-
rung Hoheitsrechte darin nicht ausüben, sondern
überläßt diese Deutschland. Außerdem gestattet
China innerhalb einer Zone von 50 Kilometer
von der K.Bucht, jedoch unter ausdrücklichem
Vorbehalt der Souveränität in dieser Zone, den
freien Durchmarsch deutscher Truppen und ver-
spricht, daselbst keinerlei „Maßnahmen oder An-
ordnungen“ ohne Zustimmung Deutschlands zu
treffen und der Regulierung der Wasserläufe kein
Hindernis entgegenzusetzen. China hat sich vor-
behalten, in dieser Zone im Einvernehmen mit
°) Eine zusammenhängende Darstellung machte sich gerade
für Kiautschou erforderlich, da die Besonderheiten der Ver-
waltung dieses Schutzgebieles nicht immer bei den einzelnen
Stichworten berücksichtigt werden lonnten. Vgl. noch den
(D. O.)