514
Kirche (Kirchendiener — Kirchengemeinde)
zur Verrichtung der ihm obliegenden Dienste sowie
die dazu notwendigen Kenntnisse besitzen. Für die
Küster- und Organistenstellen wird hinsichtlich der
letzteren mitunter eine besondere Prüfung vorge-
nommen, während für die Regel nur eine formlose
Untersuchung und Feststellung der Qualifikation
durch den Pfarrer oder Superintendenten (Erz-
priester) oder das Gemeindeorgan erfolgt. Kraft
partikularrechtlicher Vorschrift (z. B. in Preu-
ßen) sind endlich diese Stellungen, soweit der
Staat bei der Vergebung derselben konkurriert,
also namentlich bei K königlichen Patronates, mit
zivilversorgungsberechtigten ehemaligen Militärs
zu besetzen.
x§8 4. Dienstaufsicht und Disziplin. Die Dienst-
aufsicht über die niederen K Diener führen entweder
die kirchenregimentlichen Behörden (z. B. die K-
Inspektionen in Sachsen), oder, was häufiger
vorkommt, die kirchlichen Gemeindeorgane, in der
kath. K gewöhnlich die Pfarrer. Bei Disziplinar-
vergehen, d. h. bei Verletzung ihrer Dienstpflichten
und bei Führung eines ihrer Stellung nicht ent-
sprechenden Lebenswandels können K Diener diszi-
plinarisch bestraft werden, in einzelnen Ländern
(so Altpreußen) nach Maßgabe der beson-
deren Vorschriften über das Disziplinarverfahren
gegen Geistliche (G v. 16. 7. 86). Die Disziplinar-
strafen können die vorhin gedachten Organe gegen
sie festsetzen, jedoch ist die Verfügung der Ab-
setzung oder schwererer Disziplinarstrafen mitunter
denselben entzogen und in die Hand der kirchen-
regimentlichen Behörden, in der kath. K in die
der bischöflichen, gelegt.
*. Staatsrechtliche und strafrechtliche Stel-
lung. Soweit die erwähnten Stellungen als
öffentliche Aemter organisiert und die niederen
K Diener als kirchliche Beamte zu betrachten sind
(s. § 1), haben sie, ebenso wie die Geistlichen, den
Charakter öffentlicher Beamten, wenngleich sie
ebensowenig wie diese deshalb Staatsbeamte sind
und zu den Beamten im Sinne des StGB 8 359
gehören IX Geistliche §& 111. Partikularrechtlich sind
sie bedingt befreit von der Pflicht zur Uebernahme
von Vormundschaften und Schiedsmannsämtern,
unbedingt ausgeschlossen von Kommunalämtern,
ennddlich vielfach privilegiert bezüglich der Kommu-
nallasten.
6. Verbindung von Kirchendiener= und
Lehrerstellungen. Infolge der historischen Ent-
wicklung des Volksschulwesens ( in Deutschland,
1.
der weltlichen Volksschule und der K Schule, hat
sich bis heute bald eine organische, bald eine bloß
tatsächliche Verbindung der Stellung des Volks-
schullehrer= mit dem Küster-(Me#ner-) oder Kan-
tor-(Organisten-) Amte sowohl bei kath. wie auch
ev. Schulen erhalten. In diesem Fall entbindet
die Gesetzgebung einer Anzahl von Staaten (Würt-
temberg, Baden, Hessen, Oldenburg,
Braun-
schweig, Meiningen) die Lehrer von der Besorgung
der niederen (Rüster-, Mesner-) Dienste, eine Be-
freiung, die in Preußen, Schwarzburg-Rudolstadt,
Waldeck im Verwozege herbeige führt wird.
Wo die Verbindung als organische besteht, kann
sich der Lehrer der Uebernahme des RKüster= oder
Rantoramtes nicht entziehen, ist aber dann von ge-
wissen, mit seiner Stellung unvereinbaren Diensten
frei. In diesen Fällen hat er eine Doppel-
stellung als Beamter, insofern er sowohl kirchlicher
Beamter als auch weltlicher Staats= oder Kom-
munalbeamter ist, je nachdem die Volksschule den
Charakter einer Staats- oder Kommunalanstalt
trägt. Infolgedessen tritt bei seiner Anstellung
teils eine Zusammenwirkung der K- und Schul-
behörden (z. B. in Altpreußen des K= und Schul-
vorstandes) ein, teils haben sich dabei die beider-
seitigen Organe in Verbindung zu setzen und zu
verständigen. Endlich unterliegt der Lehrer einer
doppelten, der staatlichen und kirchlichen Diszipli-
nargewalt. IX Lehrer, Anmerk. 1.)
Literatur: Friedberg, Das geltende Ber-
fassungsrecht der ev. Landes K in Deutschland und Oester-
reich, 1888, 264 ff; Hinsch us, K# 3, 321; 4, 618 (bei
beiden ist das zerstreute, hier nicht mitteilbare Quellen-
material angegeben). Schoen, Ev. KRecht in Preußen
2, 216 ff; Dreysing, Das Amt des Küsters in der
ev. K, 1854; Laake, Das Kantor-, Küster- und Organisten-
amt in seinen Rechtsverhältnissen, 1885; Keßler, Der
niedere KDienst in Bayern, Diss. Erlangen 1897. Fort-
laufendes Material im Allg. K Blatt und „Preuß. Pfarr-
archiv“ (v. Rohrscheidt) [U Kirchenzuch t#j.
Hinschius (Smend).
III. Nirchengemeinde
!1 1. Geschichtliches. — A. Katholische Kirchenge-
meinde ((6 2). B. Evangelische Kirchengemeinde.
# 3. Allgemeines. 4. Einzelgemeinde. 4 5. Kreisgemeinde.
6# 6. Provinzialgemeinde. # 7. Landesgemeinde.
*4 1. GBeschichtliches. Ueber die Gem Verfassung der
Urß besteht eine lebhafte und unausgetragene Kontroverse,
welche, hauptsächlich durch die Forschungen des Engländers
Hatch neu angeregt, von Harnack näher auzgeführt
worden ist; die Behauptungen dieser Forscher sind durch
E. Löning großenteils als unhaltbar erwiesen worden (Die
Gem Verfassung des urchristentums 1889). — Fest steht,
daß die älteste K Verfassung lediglich auf der Gem beruhte;
ob die Leitung ursprünglich allgemein durch ein Kollegium
von Presbytern oder teilweise schon von Anfang durch ein
monarchisch organisiertes Bischofsamt erfolgte, ist bestritten:
ledenfalls ist letzteres schon sehr frühzeitig allgemein ange-
nommen worden:an der Spibe jeder Stadtgemeinde (civitas)
stand ein Bischof, das platte Land war überhaupt noch nicht
in Gem organisiert. Die Ausbildung der heutigen Paro-
chien, welche dann ihre höhere Zusammenfassung in der
bischöflichen Diözese finden, ist späteren Ursprungs und hat
für das Abendland ihre seste rechtliche Gestaltung wohl erst
durch die fränkische Gesetzgebung ge funden (hierzu die
Lehrbücher des KR von Richter-Dove- Kahl 51 —, 463;
Zorn 15, 45). — Das kath. KRecht hat die Gem rechtlich
nur als Obiekt des K Regiments ausgebildet; die ursprüng-
lichen Rechte der Gem gingen im Laufe der Zeit sämtlich
verloren, insbesondere das Recht der Bischofswahl; im heu-
tigen Versassungsorganismus der katholischen K hat die Gem
keine Rechte, sondern lediglich Pflichten.
A. Katholische Kirchengemeinde (52)
I. Die neuere Staatsgesetzgebung hat mehrfach
auch in der katholischen K die Gem mit selb-
ständigen Rechten ausgestattet. Abgesehen von den
von vornherein unhaltbaren und jetzt aufgehobenen
Bestimmungen des G v. 20. ö. 74 NF 13 ffüber ein
vom Bischof losgelöstes Pfarrwahlrecht der Gem
hat die preußische Gesetzgebung eine vollständige