Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Kirche (Kirchendiener — Kirchengemeinde) 
  
zur Verrichtung der ihm obliegenden Dienste sowie 
die dazu notwendigen Kenntnisse besitzen. Für die 
Küster- und Organistenstellen wird hinsichtlich der 
letzteren mitunter eine besondere Prüfung vorge- 
nommen, während für die Regel nur eine formlose 
Untersuchung und Feststellung der Qualifikation 
durch den Pfarrer oder Superintendenten (Erz- 
priester) oder das Gemeindeorgan erfolgt. Kraft 
partikularrechtlicher Vorschrift (z. B. in Preu- 
ßen) sind endlich diese Stellungen, soweit der 
Staat bei der Vergebung derselben konkurriert, 
also namentlich bei K königlichen Patronates, mit 
zivilversorgungsberechtigten ehemaligen Militärs 
zu besetzen. 
x§8 4. Dienstaufsicht und Disziplin. Die Dienst- 
aufsicht über die niederen K Diener führen entweder 
die kirchenregimentlichen Behörden (z. B. die K- 
Inspektionen in Sachsen), oder, was häufiger 
vorkommt, die kirchlichen Gemeindeorgane, in der 
kath. K gewöhnlich die Pfarrer. Bei Disziplinar- 
vergehen, d. h. bei Verletzung ihrer Dienstpflichten 
und bei Führung eines ihrer Stellung nicht ent- 
sprechenden Lebenswandels können K Diener diszi- 
plinarisch bestraft werden, in einzelnen Ländern 
(so Altpreußen) nach Maßgabe der beson- 
deren Vorschriften über das Disziplinarverfahren 
gegen Geistliche (G v. 16. 7. 86). Die Disziplinar- 
strafen können die vorhin gedachten Organe gegen 
sie festsetzen, jedoch ist die Verfügung der Ab- 
setzung oder schwererer Disziplinarstrafen mitunter 
denselben entzogen und in die Hand der kirchen- 
regimentlichen Behörden, in der kath. K in die 
der bischöflichen, gelegt. 
*. Staatsrechtliche und strafrechtliche Stel- 
lung. Soweit die erwähnten Stellungen als 
öffentliche Aemter organisiert und die niederen 
K Diener als kirchliche Beamte zu betrachten sind 
(s. § 1), haben sie, ebenso wie die Geistlichen, den 
Charakter öffentlicher Beamten, wenngleich sie 
ebensowenig wie diese deshalb Staatsbeamte sind 
und zu den Beamten im Sinne des StGB 8 359 
  
gehören IX Geistliche §& 111. Partikularrechtlich sind 
sie bedingt befreit von der Pflicht zur Uebernahme 
von Vormundschaften und Schiedsmannsämtern, 
unbedingt ausgeschlossen von Kommunalämtern, 
ennddlich vielfach privilegiert bezüglich der Kommu- 
nallasten. 
6. Verbindung von Kirchendiener= und 
Lehrerstellungen. Infolge der historischen Ent- 
wicklung des Volksschulwesens ( in Deutschland, 
1. 
  
  
  
der weltlichen Volksschule und der K Schule, hat 
sich bis heute bald eine organische, bald eine bloß 
tatsächliche Verbindung der Stellung des Volks- 
schullehrer= mit dem Küster-(Me#ner-) oder Kan- 
tor-(Organisten-) Amte sowohl bei kath. wie auch 
ev. Schulen erhalten. In diesem Fall entbindet 
die Gesetzgebung einer Anzahl von Staaten (Würt- 
temberg, Baden, Hessen, Oldenburg, 
Braun- 
schweig, Meiningen) die Lehrer von der Besorgung 
der niederen (Rüster-, Mesner-) Dienste, eine Be- 
freiung, die in Preußen, Schwarzburg-Rudolstadt, 
Waldeck im Verwozege herbeige führt wird. 
Wo die Verbindung als organische besteht, kann 
sich der Lehrer der Uebernahme des RKüster= oder 
Rantoramtes nicht entziehen, ist aber dann von ge- 
wissen, mit seiner Stellung unvereinbaren Diensten 
frei. In diesen Fällen hat er eine Doppel- 
stellung als Beamter, insofern er sowohl kirchlicher 
Beamter als auch weltlicher Staats= oder Kom- 
munalbeamter ist, je nachdem die Volksschule den 
Charakter einer Staats- oder Kommunalanstalt 
trägt. Infolgedessen tritt bei seiner Anstellung 
teils eine Zusammenwirkung der K- und Schul- 
behörden (z. B. in Altpreußen des K= und Schul- 
vorstandes) ein, teils haben sich dabei die beider- 
seitigen Organe in Verbindung zu setzen und zu 
verständigen. Endlich unterliegt der Lehrer einer 
doppelten, der staatlichen und kirchlichen Diszipli- 
nargewalt. IX Lehrer, Anmerk. 1.) 
Literatur: Friedberg, Das geltende Ber- 
fassungsrecht der ev. Landes K in Deutschland und Oester- 
reich, 1888, 264 ff; Hinsch us, K# 3, 321; 4, 618 (bei 
beiden ist das zerstreute, hier nicht mitteilbare Quellen- 
material angegeben). Schoen, Ev. KRecht in Preußen 
2, 216 ff; Dreysing, Das Amt des Küsters in der 
ev. K, 1854; Laake, Das Kantor-, Küster- und Organisten- 
amt in seinen Rechtsverhältnissen, 1885; Keßler, Der 
niedere KDienst in Bayern, Diss. Erlangen 1897. Fort- 
laufendes Material im Allg. K Blatt und „Preuß. Pfarr- 
archiv“ (v. Rohrscheidt) [U Kirchenzuch t#j. 
Hinschius (Smend). 
III. Nirchengemeinde 
!1 1. Geschichtliches. — A. Katholische Kirchenge- 
meinde ((6 2). B. Evangelische Kirchengemeinde. 
# 3. Allgemeines. 4. Einzelgemeinde. 4 5. Kreisgemeinde. 
6# 6. Provinzialgemeinde. # 7. Landesgemeinde. 
*4 1. GBeschichtliches. Ueber die Gem Verfassung der 
Urß besteht eine lebhafte und unausgetragene Kontroverse, 
welche, hauptsächlich durch die Forschungen des Engländers 
Hatch neu angeregt, von Harnack näher auzgeführt 
worden ist; die Behauptungen dieser Forscher sind durch 
E. Löning großenteils als unhaltbar erwiesen worden (Die 
Gem Verfassung des urchristentums 1889). — Fest steht, 
daß die älteste K Verfassung lediglich auf der Gem beruhte; 
ob die Leitung ursprünglich allgemein durch ein Kollegium 
von Presbytern oder teilweise schon von Anfang durch ein 
monarchisch organisiertes Bischofsamt erfolgte, ist bestritten: 
ledenfalls ist letzteres schon sehr frühzeitig allgemein ange- 
nommen worden:an der Spibe jeder Stadtgemeinde (civitas) 
stand ein Bischof, das platte Land war überhaupt noch nicht 
in Gem organisiert. Die Ausbildung der heutigen Paro- 
chien, welche dann ihre höhere Zusammenfassung in der 
bischöflichen Diözese finden, ist späteren Ursprungs und hat 
für das Abendland ihre seste rechtliche Gestaltung wohl erst 
durch die fränkische Gesetzgebung ge funden (hierzu die 
Lehrbücher des KR von Richter-Dove- Kahl 51 —, 463; 
Zorn 15, 45). — Das kath. KRecht hat die Gem rechtlich 
nur als Obiekt des K Regiments ausgebildet; die ursprüng- 
lichen Rechte der Gem gingen im Laufe der Zeit sämtlich 
verloren, insbesondere das Recht der Bischofswahl; im heu- 
tigen Versassungsorganismus der katholischen K hat die Gem 
keine Rechte, sondern lediglich Pflichten. 
A. Katholische Kirchengemeinde (52) 
I. Die neuere Staatsgesetzgebung hat mehrfach 
auch in der katholischen K die Gem mit selb- 
ständigen Rechten ausgestattet. Abgesehen von den 
von vornherein unhaltbaren und jetzt aufgehobenen 
Bestimmungen des G v. 20. ö. 74 NF 13 ffüber ein 
vom Bischof losgelöstes Pfarrwahlrecht der Gem 
hat die preußische Gesetzgebung eine vollständige
	        
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