Kirche (Kirchenbücher) 523
V. Nirchenbücher
# 1. Begriff und geschichtliche Entwicklung. 1 2. Die
rechtliche Bedeutung.
beurkunden sind, können die Einträge nur mehr
als private Zeugnisse, für Heiraten auch nicht
einmal als solche in Betracht kommen, da sie die
5 1. Begriff und geschichtliche Entwicklung der
Kirchenbücher.
KB (libri parochiales, matriculae)
sind die zum Zweck der Beurkundung des kirch-
lichen Personenstandes geführten amtlichen Ver-
zeichnisse. Sie sind kirchlichen Ursprungs, zuerst
im Conc. Trid. s. 24 de ref. m. c. 1, 2 vorgeschrie-
ben und nach dem Vorbild der katholischen Kirche
auch von den evangelischen Kirchenordnungen des
16. Jahrhunderts übernommen worden. Sie dien-
ten zunächst den Zwecken der Kirche und wurden
nach den Vorschriften des kirchlichen Rechts geführt.
Aus der engen Verbindung von Staat und
Kirche, die insbesondere in dem Grundsatz des Be-
kenntniszwangqs wie in der Einheit von kirchlichem
und bürgerlichem Cherecht und Eheschließung ihren
Ausdruck fand, ergab es sich von selbst, daß dem
staatlichen Bedürfnis einer Beurkundung des Per-
sonenstandes einfach durch Anerkennung der kirch-
lichen Register genügt wurde.
Die Führung der
K#B wurde nun staatlich geregelt und staatlicher
Aussicht unterstellt.
Ueberall wurden Matrikeln
für Aufgebote und Tranungen, für Geburten und
Taufen und für Sterbefälle, verein zelt auch Kon-
firmandenregister verlangt (vgl. ALR II 11
§§ 481 ff. Bayer. Rel. Ed. & 64). Die Geistlichen.
der Landeskirchen (vereingelt auch anderer Reli-
gionsgesellschaften, so in Preußen der Altluthera-
ner (V v. 23. 7. 45|) waren so zugleich staatliche
Zivilstandesbeamte, die dem Staat verantwortlich
waren, die K B zugleich bürgerliche Standesregister,
die vollen Beweis für die in ihnen beurkundeten
Tatsachen erbrachten.
Eine völlige Scheidung des bürgerlichen und
kirchlichen Registerwesens ist zuerst durch die fran-
zösische Gesetgebung der Revolutionszeit herbei-
geführt worden, die (Gv. 20. 9. 1792) die Beur-
kundung des Personenstandes besonderen bürger-
lichen Beamten, seit 1800 den Bürgermeisteräm-
tern übertrug. Nach dem Vorgang der französi-
schen Gesetzgebung, die auch in Rheinbayern,
Hessen und - Preußen Geltung erhielt, wurde die
bürgerliche Registerführung zunächst in der Frank-
furter RB F5 151 allgemein gefordert und dann
auch in einzelnen deutschen Staaten, so in Frank-
furt a. M. (1850), in Hamburg (1865), in Baden
(1869), in Preußen (durch Gv.. 3. 74) eingeführt.
Endlich wurde die Rechtseinheit für ganz- Deutsch-
land herbeigeführt durch R v. 6. 2. 75 „über
die Beurkundung des Personenstandes und die
Cheschließung", nach dem die Beurkundung der
Geburten, Heiraten und Sterbefälle fortan aus-
schließlich durch die staatlichen Standesbeamten
mittels Eintragung in die dazu bestimmten Re-
gister erfolgt. # Personenstand.)
5 2. Die rechtliche Bedeutung der Kirchenbücher
wach geltendem Recht. Durch die Einrichtung
staatlicher Register ist der Fortbestand der
K. nicht berührt worden.
zu dem geworden, was sie ursprünglich waren,
Aber sie sind wieder
eine rein kirchliche Einrichtung. Den KB kommt
die Kraft öffentlicher Urkunden im bürgerlichen
Leben im allgemeinen nicht mehr zu. Für Ge-
Einhaltung der gesetzlichen Formen der Eheschlie-
ßung nicht bezeugen. Damit ist aber auch der
Kirche die Befugnis zurückgegeben, die Vorschriften
über Einrichtung und Führung der K selbst zu
erlassen. Die partikularrechtlichen Bestimmungen
sind teils in der katholischen und evangelischen
Kirche beibehalten, teils durch landeskirchliche Vor-
schriften (so z. B. V d. preuß. Ev. Oberkirchenrats
v. 21. 9. 79) fortgebildet worden. Durch landes-
rechtliche Bestimmungen wurde vielfach den Stan-
desbeamten die Erstattung von Anzeigen über
Standesakte an die zuständigen Pfarrer im In-
teresse der Führung der KB aufgegeben (z. B. Kal
Sächs. V v. 1. 6. 00).
In beschränktem Umfang, der der zeitlichen,
räumlichen und sachlichen Bestimmtheit des Gel-
tungsbereichs des Reichsgesetzes entspricht, kommt
indessen auch noch heute den Urkunden der KBdie
Beweiskraft öffentlicher Urkunden im staatlichen
Leben zu. Dies ist der Fall
1. bei den Urkunden, die vor dem Inkraft-
treten des Reichsgesetzes, also vor dem 1. 1. 76
aufgenommen worden waren. Darüber hinaus
hat aber das Reichsgesetz in & 73 den mit der Füh-
rung der KB bisher betraut gewesenen Beamten
ausdrücklich die Berechtigung und Verpflichtung
vorbehalten, über die bis zu seiner Wirksamkeit
eingetragenen Geburten, Heiraten und Sterbe-
fälle auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes
Zeugnisse zu erteilen. Diesen nach § 73 ausge-
stellten Zeugnissen kommt bürgerliche Wirkung
nach Maßgabe des vor dem Inkrafttreten des
Reichsgesetzes geltenden Landesrechts zu. Dagegen
kommt diese Wirkung nicht etwa auch nachträg-
lichen Berichtigungen oder Ergänzungen der bis
zur Wirksamkeit des Gesetzes ausgenommenen Ur-
kunden zu, da sich der Vorbehalt des Gesetzes auf
sie nicht bezieht.
2. In den Grenzpfarreien, für die 8 75
des Reichsgesetzes das bestehende Recht für die Be-
urkundung der Geburts= und Sterbe fälle und die
Form und Beurkundung der Cheschließung in
Geltung beläßt, kommt auch den Beurkundungen
der Geistlichen nach wie vor die gleiche Beweis-
kraft im staatlichen Leben zu. — Soweit hiernach
(Ziff. 1 und 2) die K. noch zur Beurkundung
des Personenstandes dienen und die Geistlichen als
Standesbeamte fungieren, bleiben auch die staat-
lichen Vorschriften und die staatliche Aufsicht in
Wirksamkeit (vgl. Preuß. G über die evangel.
Kirchen Verf v. 3. 6. 76 a 23).
Insoweit besteht Uebereinstimmung. Bestritten
ist dagegen, ob die K. auch insofern die Eigen-
schaft öffentlicher Urkunden noch besitzen, als sie
Vorgänge bekunden, die, wie insbesondere die
Taufe, für den Bekenntnisstand maßgebend sind.
Bejaht wird diese Frage von v. Sicherer, Per-
sonenstand und Eheschließung S2. Hinschius, Kom-
mentar z. Personenstandsgesetz" S 29 Nr. 1 und
in Re#Entsch v. 23. G. 91 (RGSt 22, 118), verneint
insbesondere von Schön, Das Ev. Kirchenrecht in
Preußen 2, 413 f. Das Reichsgesetz selbst bezieht
sich nur auf die Beurkundung von Geburten,
Sterbefällen und Eheschließungen, gibt daher für
die Lösung dieser Frage keinen Anhaltspunkt. Zu
burten und Sterbefälle, die vom 1. 1. 76 ab zu l äußerlich ist, wie Schön mit Recht hervorhebt, die