Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
  
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Begründuny ber angeführten RKGEntsch, daß der 
durch ALR II 11, 1481 für Geburten und Taufen 
erteilte Staatsauftrag nur für die ersteren zurück- 
gezogen sei. Entscheidend wird vielmehr die all- 
gemeine rechtliche Stellung der Religionsgesell- 
schaften im Staate sein. Die Mitgliedschaft zu 
einer öffentlichrechtlichen Kirchengesellschaft be- 
deutet auch heute noch ein in gewissen Richtungen 
staatlich anerkanntes und gewährleistetes Gewalt- 
verhältnis. Wie der Mitwirkung des Kirchenbe- 
amten bei Begründung und Beendigung dieses 
Rechtsverhältnisses (z. B. Entgegennahme der 
Austrittserklärung) selbst, wird auch der Beurkun- 
dung dieser Vorgänge durch den verfassungsmäßig 
berufenen Vertreter der Kirche der autoritative 
Charakter nicht abzusprechen sein. 
Literatur: K. Chr. Becker, Wissenschaftliche Dar- 
stellung der Lehre von den K., 1831; Jacobs in Herzogs 
Realenzyklopädie" 10, 354; Hinschius 2, 308; Sar- 
torius, Kommentar z. Personenstandsgesetz 1902, 438; 
Müller, Art. KB in der 1. Aufl. dieses Wörterb. 1, 732; 
Schön, Das ev. Kirchenrecht in Preußen, 1910, 2, 411. 
Sartorius. 
  
B. Kirchliche vermögensverwaltung 
I. Kirchenvermögen 
1 1. Begriff. #J 2. Arten. # 3. Eigentümer. 1 4. Die 
Verwaltung im allgemeinen. 
5 1. Begriff des Kirchenvermögens. Kirchen- 
vermögen ist das im kirchlichen 
Eigentum stehende Vermögen. Ael- 
tere wie neuere Gesetze, sowie die herrschende 
Doktrin sehen das Charakteristische in der kirchlichen. 
Zweckbestimmung; und insofern jedes Gut den 
Zwecken seines Eigentümers dient, mag die Identi- 
fikation von Zweck und Eigentum im allgemeinen 
unbedenklich sein. Nichtsdestoweniger sind beide 
verschieden. Im Mittelalter war es vielfach ge- 
bräuchlich, sein Eigen unter Vorbehalt der Nutzung 
der Kirche zu übertragen, um dadurch des Schutzes 
der Kirchengüter teilhaftig zu werden. Solche 
Güter standen also im kirchlichen Eigentum, waren 
K, dienten aber noch weltlichen Zwecken. Umge- 
kehrt war das Krongut, ohne diesen Charakter zu 
verlieren, vielfach für kirchliche Zwecke bestimmt; 
hierhin gehörten vor allem die im Reichseigentum 
stehenden Kirchen, und hierhin gehören noch heute 
die vom Staat säkularisierten, aber noch dem 
Gottesdienst dienenden Kirchen, sowie alle im 
Eigentum physischer oder nichtkirchlicher juristischer 
Personen stehenden heiligen Sachen [I, welche 
kein Bestandteil des K V sind und doch kirchlichen. 
Zwecken dienen. Der Verwendungszweck kann sich 
erweitern und verengern, er ist vom Eigentümer 
mit größerer oder geringerer Willkür aufgenom- 
men und daher ungeeignet, das Kriterium für 
einen festen Rechtsbegriff abzugeben. K V ist der- 
jenige Vermögenskomplex, dessen Rechtsträger die 
Kirche resp. eine kirchliche Korporation oder An- 
stalt ist. Die neueren Staatskirchengesetze bestim- 
men die zum kirchlichen Vermögen gehörigen Teile 
allerdings nach dem Gesichtspunkte des Zwecks. 
Aber diese Definition ist auf die betr. Verwaltungs- 
  
  
  
Kirche (Kirchenbücher — Kirchenvermögen) 
gesetze beschränkt worden, weil man keine Abände- 
rung der bestehenden Eigentumsverhältnisse beab- 
sichtigte. Man ging also gerade von der Ansicht 
aus, daß KV und Eigentum der Kirche identisch sei. 
Eine unbestreitbar kirchliche Verwendung wird viel- 
fach ein Zeichen des kirchlichen Eigentums sein, 
och ist diese Verbindung nicht notwendig, und 
über die kirchliche resp. staatliche oder gemeindliche 
Natur des Zwecks wird sich vielfach streiten lassen. 
Ist die Eigentumsfrage im konkreten Falle unsicher, 
so dürfte die Form der alten Verwaltung eher als 
die Art des jetzigen Zweckes einen Beitrag zur 
Lösung bieten. Das hat auch die preußische Kir- 
chengemeinde- und Synodal O (1873) § 31 Nr. 5 
Abs 2 indirekt und das K. VerwG (1875) F4 direkt 
ausgesprochen; ein sicheres Kriterium ist aber auch 
die Verwaltung nicht. Die übliche Unterscheidung 
des KV in ein KV im weiteren und engeren 
Sinne ist mit dem Aufgeben des Zweckkriteriums 
unhaltbar geworden. Es gibt nur ein K#, d. h. 
dasjenige Vermögen, welches die Kirche zu eigen 
hat (darüber Meurer Begr. u. Eig. 1, 233 ff.). 
#2. Arten des Kirchenvermögens. Das älteste 
Ko bestand aus den freiwilligen Gaben der Liebe 
(Oblationen); dazu kamen dann seit der Lex Lici- 
nia (313), welche die juristische Persönlichkeit der 
Kirche anerkannte, die durch Fürsten und wohl- 
habende Gläubige gemachten Schenkungen und 
Vermächtnisse, noch später Zehnten, neuestens der 
Erlös aus den Begräbnisplätzen und Kirchenstüh- 
len, sowie die Stolgebühren, staatliche und ge- 
meindliche Zulagen sowie Kirchensteuern (J und 
Umlagen. 
Die Verwaltung und Vertretung des K V hatte 
anfangs der Bischof(l; es gab nur Diözesan- 
kirchengut und die ortskirchlichen Bedürfnisse wur- 
den von der Bischofskirche aus befriedigt. Syno- 
dalbeschlüsse bildeten schon früh bestimmte Ver- 
teilungsgrundsätze aus (Richter-Dove, §3 308). Von 
besonderer Bedeutung wurde das italienische Prin- 
zip, wonach (schon seit dem 5. Jahrhundert) das 
KV in 4 Portionen zerlegt wurde: eine Quart 
blieb dem Bischof zur Verfügung gestellt, die 
zweite wurde an die Kleriker verteilt, die dritte 
war für die örtlichen Kirchenbedürfnisse oder 
die Kirchenfabrik bestimmt und das letzte Viertel 
ward den Armen zugewiesen. Das bedeutete zu- 
nächst nur eine Spezialisierung der Verwaltung; 
was die Eigentumsträgerschaft anlangt, so war 
alles K V Jahrhunderte hindurch noch Diözesan- 
gut, welches lediglich durch den Bischof vertreten 
wurde. Die einzelkirchlichen Vermögenskomplexe 
erscheinen anfangs der Regel nach als Stationen; 
und durch die verschiedenen Stadien des Pekulien- 
besitzes entwickelte sich sodann bis zum 9. Jahr- 
hundert, hier früher, dort später, freies Eigentum. 
Die Synode von Tribur vom Jahre 895 ist das 
letzte deutsche Konzil, welches die Verteilung an- 
ordnete. Die quarta pauperum hat sich in die ört- 
lichen Armen= und Wohltätigkeitsstiftungen ver- 
fluchtet; der Gedanke der quarta cleri fand in dem 
Benefizium eine viel wirksamere Ausprägung; die 
duarta fabricae ist zu einer freien Persönlichkeit 
der Kirchenfabrik (Kirchenstiftung) ausgereift, und 
die quarta episcopi lebt vor allem in der Mutter- 
persönlichkeit des Bistums weiter, in welchem sich 
in gleicher Weise wie um die Ortskirchen noch ein 
(bischöfliches) bencficium - mensa und eine Menge 
besonderer Anstalten oder Stiftungen bildete. 
 
	        
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