Kirche (Kirchenvermögen)
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Bei den Eigenkirchen, die in Deutschland aller-
dings lange die Regel bildeten, lagen besondere
Rechtsverhältnisse vor, doch sind hier die Unter-
suchungen von Stutz, der 1895 diese Rechtser-
scheinung zum ersten Mal beschrieb und durch
weitere grundlegende Forschungen das Eigen-
kirchentum als das wichtigste Element des ger-
manischen Kirchenrechts erschloß, noch im Gang.
Eine erschöpfende Literaturübersicht über die Eigenkir-
chentheorie und eine Zusammenfassung seiner bisherigen
Forschungsergebnisse über Herkunft, Verbreitung, Ausbau,
Begleiterscheinungen, Auflösung und Nachwirkungen des
Eigenkirchenwesens gibt Stutz in seiner neuesten Abhand-
lung „Eigenkirche, Eigenkloster“ (Sonderabdruck aus Erg. Bd.
zur 3. Aufl. der Hauckschen Realenzyklopädie für protest.
Theologle und Kirche, 1912).
Auch in korporativer Form trat das KV aufs, ins-
besondere als Klostergut und Vermögen der Dom-
und Kollegiatkapitel!I. Die Kapitel haben sich aus
den altkirchlichen Presbyterien und des weiteren
aus den durch die vita communis verbundenen
Kongregationen des Kathedralklerus entwickelt.
Die Priester der Zentralkirche, welche naturgemäß
den beratenden und mitverwaltenden Rat des
Bischofs (Presbyterium) bildeten, hatten sich vor
allem nach dem Beispiel des heiligen Augustinus
und Gregor des Großen zu einem gemeinsamen
Leben verbunden. Durch Umbildung der vita
communis sive canonica zur klosterähnlichen Ver-
einigung wurden diese Ratskollegien festorgani-
sierte Kongregationen. Die Domkapitel wurden
dadurch Korporationen mit dem Recht der Selbst-
verwaltung; aber jedes Mitglied des Domkapitels
erhielt später seine Pfründe.
Ds katholische K erscheint heute als
Diözesan= und Ortskirchenvermögen. Zu ersterem
gehört das Vermögen des Bistums, insbesondere
der Kathedrale, der bischöflichen Mensa als des
bischöflichen Benefiziums, der Kapitel, der diö-
zesankirchlichen Anstalten (Seminarien usw.)
und Diözesan-Stiftungen (Zentral-, Bau-, Eme-
riten-, Demeriten-, Interkalarfonds usw.). Zum
örtlichen K V gehört a) das Vermögen der Kirchen-
fabrik (— Kirche, Kirchenstiftung, Kirchenärar)
oder das K V schlechthin; bö) das Vermögen des
Pfarrbenefiziums oder das Pfarrgut, sowie die
Vermögenskomplexe der übrigen Benefiziaten;
ID) die besonderen kirchlichen Anstalten der Kirchen-
gemeinde, welch letztere gleichfalls ijuristische Per-
son ist und eigenes Vermögen besitzen kann. Dazu
kommt dann noch als besondere Kategorie das Klo-
stergut (X Orden). Für die protestantische
Kirche gelten dieselben Spezialisierungsgrundsätze.
Das mit der bischöflichen und Klosterverfassung
zusammenhängende Kathedral-, Mensal-, Kapitels-
und Klostergut scheidet natürlich aus.
#3. Der Eigentümer des Kirchenvermögens.
Nur insoweit eine kirchliche Anstalt durch das
staatliche Recht als Eigentumssubjekt anerkannt
ist, kommt sie für das Eigentumsrecht wirklich
in Betracht. Deshalb ist die Frage eine zivi-
listische. Nun hat aber der Staat in complexu
die Eigentumsfähigkeit der Kirche und ihrer In-
stitute anerkannt, ohne die einzelnen Anstaltsarten
des besonderen namhaft zu machen. Hier liefert
dann das die kirchliche Substratsfrage ordnende
Kirchenrecht einen unentbehrlichen Beitrag, indem
es mitteilt, welche Institutsgattungen durch die
Kirche entwickelt und demgemäß als Eigentums-
–
träger bereit gehalten sind resv. waren. Insofern
ist die Frage auch eine kanonistische.
Da weder das kirchliche noch das weltliche Recht
den Eigentümer des KV im schöpferischen Akt be-
stimmt hat und auch nicht bestimmen konnte, so
hat sich die Doktrin der Frage bemächtigt und ein
Eigentum Gottes und der Heiligen, des Papstes,
der Kleriker, des Staates, der politischen und
Kirchengemeinden, der Gesamt= und Landeskirche
oder der einzelnen kirchlichen Institute angenom-
men. Diese Theorien sind verkehrt. teils prinzi-
piell, teils wegen ihrer Exklusivität; es gibt nicht
einen, sondern viele und dabei verschiedenartige
Eigentümer des K V. So ist also der Grundgedanke
der Institutentheorie richtig, welche sich nur gegen
die Kirchengemeinde und Landeskirche nicht so
ablehnend verhalten sollte. Im Verlauf einer
längeren Entwicklung haben sich vom kirchlichen
Gesamtkörper eine Menge von Teilwesen abgelöst,
die dann durch die staatliche Anerkennung auch
privatrechtliche Selbständigkeit erlangt haben. Wir
haben somit soviel Arten von möglichen Eigen-
tumssubiekten des Kirchenguts als Arten von
kirchlich-juristischen Personen. Die Kontroverse
vom Eigentümer des KVlöst sich somit in die Frage
auf: Welche kirchlichen Anstalten sind in den ein-
zelnen Staaten als Personen anerkannt? Hier
scheidet nun vor allem die Gesamtkirche aus. Die
Gesamtkirchentheorie hat nicht einmal im kanoni-
schen Recht einen Anhaltspunkt, welches überall
die Tat der Spezialisierung verkündet und bei der
Anordnung, daß das Vermögen der eigentums-
unfähigen Bettelorden in exzeptioneller Weise
durch die ecclesia Romana getragen werden soll,
genügend zu erkennen gibt, daß die übrigen Ge-
meinschaftsbildungen Herr ihres Vermögens
bleiben. Aus dem päpstlichen Recht der Aussicht
und Kontrolle aber kann selbstverstandlich ein
Schluß auf das Eigentum nicht gezogen werden.
(Ausführliche Kritik bei Meurer Begr. u. Eig. 2,
73 ff, insbes. 81 ff.)
Was die Landeskirche anlangt, so ist
deren Persönlichkeit, auch in der katholischen Kirche,
juristisch wohl möglich, aber diese Möglichkeit ist
mangels staatlicher Anerkennung nicht zur Wirk-
lichkeit geworden. Für Bayern nahm man aller-
dings auf Grund der 2. Beil. z. V U 5# 24, 28, 44
und für Baden mit Berufung auf das G v. 9.
10. 60 §1 eine Ausnahme an. Das ließ sich
indes nicht halten. Diese Frage ist übrigens
nur wich ig für den künftigen Erwerb; ein wirk-
liches landeskirchliches Vermögen besteh’' in Bayern
und Baden zur Stunde für die katholische Kirche
nicht. Die Privatrechtsfähigkeit der evangelischen
Landeskirche ist dagegen in den deutschen Staaten
allgemein anerkannt und dem landeskirchlichen
Verband sind die als Selbstverwaltungskörper mit
den Rechten einer juristischen Person konstituier-
ten Kreis= und Provinzialsynodalverbände beigesellt
worden. Die Rechtspersönlichkeit der beiden
protestantischen Landeskirchen in Bayern (rechts
und links des Rheins) ist allerdings erst die Folge
des Kirchensteuergesetzes v. 15. 8. 1908.
Weitere Rechtssubiekte sind für die ka-
tholische Kirche: die Lokalkirchen (Kirchenfabri-
ken, Kirchenstiftungen, Kirchenärare), die Kirchenge-
meinden, die Benefizien, die Bistümer und Diöze-
saninstitute, die Domkapitel (nicht dagegen die Ordi-
nariate), die Orden (1| und Klöster und die einzel-