Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Gemeinde (I. Allgemeines) 
  
richtungen vorerst bestehen, wenn auch modifiziert 
und ergänzt durch verschiedene seit dem Jahre 
1816 ergangene Gesetze. Den Sonderheiten des 
linksrheinischen Landesteiles wurde bei der Re- 
form des Gemechtes im Jahre 1869 durch den 
Erlaß einer selbständigen pfälzischen Gem Ordnung 
Rechnung getragen, die ebenfalls unterm 29. 4. 
erlassen wurde und seitdem auch eine Reihe von 
Abänderungen erfahren hat. Das Gem WahlG 
v. 15. 8. 08 gilt auch für die pfälzischen Gem. 
Ebenso besteht in Bayern für das ganze Land die 
für die Frage der Gem Zugehörigkeit bedeutungs- 
volle besondere ebenfalls im Jahre 1869 neu ge- 
staltete Heimatsgesetzgebung weiter (THeimat, 
Freizügigkeit, Armenwesenl. 
Im Königreich Sachsen wurden unterm 
24. 4. 73 drei Gesetze erlassen, von denen eines, 
die Revidierte St O, sich mit den größeren Städten, 
eines mit den mittleren und kleineren Städten 
und eines mit den Land Gem befaßt. Alle drei 
Gesetze haben inzwischen gewisse Abänderungen 
erfahren. 
Für die Gem in Württemberg bildete 
lange Zeit hindurch die Grundlage der Verfassung 
das Verwdikt v. 1. 3. 1822 und das G v. 4. 12. 33 
über das Bürgerrecht. Letzteres wurde durch das 
G über die Gem Angehörigkeit v. 16. 6. 85 und 
ersteres durch die neue Gem-- und Bezirks O v. 
28. 7. 066 ersetzt, welche die Lebenslänglichkeit der 
Ortsvorsteher aufhob und auf die Verschiedenheit 
der größeren und kleineren Gem in weiterem Um- 
fange, als dies vordem der Fall war, Räücksicht 
nahm. Die Gem Besteuerung wurde durch ein 
Gv. 8. 8. 03 neu geregelt. 
Die Rechtsverhältnisse der badischen Gem 
beruhen im wesentlichen auf der GemO v. 31. 
12. 31 und dem Bürgerrechtsgesetz vom gleichen 
Tage, die beide wiederholt abgeändert und ergänzt 
wurden, so besonders im Jahre 1870. Durch G 
v. 24. 6. 74 wurden für die größeren Städte des 
Landes eine Reihe von Sonderbestimmungen er- 
lassen, die dann im Jahre 1884 im Zusammenhang 
mit den verbleibenden grundlegenden Vorschrif- 
ten der GemO als Städteordnung getrennt ver- 
öffentlicht wurden. In der Folgezeit wurden 
beide Gesetze wiederum zu verschiedenen Malen 
abgeändert, besonders die Gem Ordnung, welche 
bezüglich der Wahlberechtigung allmählich von 
dem Grundsatz der Bürger Gem zu dem von der 
St O bereits angenommenen Grundsatz der Ein- 
wohner em überging (G v. 22. 6. 90 und v. 
11. 7. 96). Die letzte umfassende Revision des 
Gemechtes erfolgte durch eine unterm 26. 9. 10 
erlassene Novelle. 
Im Großherzogtum Hessen gelten eine 
vom gleichen Tage, die an die Stelle der älteren 
GempO v. 23. 6. 31 getreten sind, und die in ihrem 
Inhalt zum größten Teil miteinander überein- 
stimmen. Eine Neuordnung des Gemiechtes 
steht unmittelbar bevor. 
  
einzelnen deutschen Staaten und Landesteilen 
die grundlegenden Vorschriften über die Gem 
in einem und demselben Gesetze zusammengefaßt 
sind, so ist heute doch überall der Unterschied zwi- 
schen Städten und Landgemeinden 
der Sache nach anerkannt. Mitunter ist die Ab- 
weichung beider Arten von einander allerdings 
so gering, daß die Bezeichnung nicht viel mehr 
als eine an die Vergangenheit erinnernde Ehren- 
bezeugung bedeutet, in der Mehrzahl der Gesetz- 
gebungsgebiete heben sich indessen die Städte hin- 
sichtlich ihrer Verfassung von den übrigen Gem 
ganz scharf und wesentlich ab. Als Städte gelten 
in der Regel diejenigen Gem, die diese Benen- 
nung zur Zeit der Einführung der betreffenden 
Gesetze bereits trugen; alle übrigen Gem wer- 
den als Land Gem angesehen. In Preußen, 
Bayern und Sachsen ist der Uebergang von der 
einen Verfassungsform zu der anderen vorbe- 
haltlich der staatlichen Genehmigung schlechtweg 
zugelassen. In Bayern genügt für den Ueber- 
gang einer Stadt zur Land Gen Verfassung ein 
Beschluß der Gem Kollegien unter Zustimmung 
von zwei Dritteilen der Bürgerschaft. In Ba- 
den findet die Städteordnung nur auf die im 
Gesetze bestimmt bezeichneten Städte Anwen- 
dung, doch ist es anderen Städten mit mehr als 
3000 Einwohnern mit staatlicher Genehmigung 
gestattet, sich der St O zu unterstellen. In Hessen 
gilt die St O für alle Gem mit mehr als 10 000 
Einwohnern. 
Weitere Unterschiede werden zwischen den Gem, 
und zwar allgemein oder getrennt innerhalb der 
Stadt= und Land Gem, nach der Höhe der Ein- 
wohnerzahl gemacht. Eine auch nur andeutungs- 
weise Aufzählung der hier geltenden Verschieden- 
heiten ist an dieser Stelle nicht möglich. Erwähnt 
seien die nach den preußischen Städteord- 
nungen den Städten beim Erreichen einer ge- 
wissen Bevölkerungszahl zukommende Befugnis, 
eigene Kreise bilden zu können, ferner die 
Verschiedenheit in der Zuständigkeit der Staats- 
aussichtsbehörden; namentlich tritt mehrfach als 
unterscheidendes Merkmal eine Volkszahl von 
mehr oder weniger als 10 000 Einwohnern her- 
vor. Im rechtsrheinischen Bayern nehmen 
eine ganz besondere Stellung die sogen. un- 
mittelbaren Städte ein, die vom Di- 
striktsverband ausgenommen und in unmittel- 
barer Unterordnung unter die Kreisre ierungen 
zugleich die Besugnisse der Distriktspolizeibehörden 
ausüben. Die Erhebung einer Stadt in diese 
Stellung sowie der Rücktritt aus derselben bedarf 
eines mit der Zustimmung von zwei Dritteilen 
sämtlicher Gem Bürger gefaßten Beschlusses und 
unterm 13. 6. 74 erlassene St O und eine GemO 
Die (gem in Elsaß-Lothringen er- 
hielten erst unterm 6. 6. 95 eine neue Organisa- 
tion (Gem O), die sie aus den veralteten Formen 
des französischen Rechtes befreite und unter be- 
sonderer Berücksichtigung der größeren Städte 
auf eine der deutschen Auffassung mehr entspre- 
chende Grundlage stellte. 
# 3. Arten der Gemeinden. Wenn auch in 
königlicher Genehmigung (GemO #9). In Sach- 
sen sind die drei größten Städte Dresden, Leip- 
zig und Chemnnitz kraft Gesetzes vom Bezirksver- 
band und der Zuständigkeit der Amtshauptmann- 
schaften ausgenommen; cinzelne der diesen letz- 
teren sonst zukommenden Funktionen werden hier 
jedoch von einem besonders damit beauftragten 
Beamten der Kreishauptmannschaft oder einer 
benachbarten Amtshauptmannschaft verwaltet 
(§ 9d. Gv. 21. 4. 73). Die württember- 
gische Gem teilt die Gem in große Städte 
mit mehr als 50 000, in mittlere mit 10—50 000 
Einwohnern und in kleinere Städte und Land- 
Gem, die wieder in drei Klassen zerfallen (von
	        
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