Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

Kirche (Kirchenbaulast in Preußen) 
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die Vermutung des Rechts in sich tragend provi- 
sorisch aufrecht erhalten. Dabei ist es denkbar, daß 
schon ein letzter Präzedenzfall für sich allein ein 
hinreichendes Zeugnis für einen fehlerfreien Besitz- 
stand ablegt und als hauptsächliche Grundlage 
der provisorischen Festsetzung benutzt wird. Um- 
gekehrt darf aber nicht jeder jüngste Präze- 
denzfall als zuverlässiges Zeugnis eines ruhigen 
Besitzstandes gelten. Er kann auch als das Produkt 
zufälliger Umstände angesehen werden (Kult. Min- 
Reskr. v. 12. 12. 43, Ml 324; 30. 6. 60, Ml 
167; 19. 3. 78, KEBhhl 133). 
Tin. Maßgebend für das Verfahren sind folgende 
Grundsätze: 1. Das J. wird in der Regel vor 
Beginn des Baues reguliert. Ist dies aber aus 
besonderen Gründen unterblieben, so kann das 
Beitragsverhältnis ohne Rücksicht auf die Lage, 
in welcher sich der Bau befindet, auch noch nach- 
träglich so lange administrativ geregelt wer- 
den, als es sich noch um die erste Feststellung der 
gesetzlichen Baupflicht und um Verteilung der 
Baubeiträge oder sonstigen Leistungen unter die 
Pflichtigen handelt (Kult. Min Reskr. v. 19. 8. 54, 
(MBl 162). — 2. Die interimistisch verteilten Bau- 
beiträge werden im Wege der VerwExekution bei- 
getrieben. Durch Beschreitung des Rechts- 
weges kann diese zwangsweise Durchführung 
des J. nicht gehindert werden (Kab O v. 18. 2. 
1805, NCC XI 2933; Erk. d. Komp.-Gerichtshofes 
v. 12. 2. 81, UB Bl 426). — 3. Ueber die Not- 
wendigkeit eines KBaues entscheidet die 
Verw Behörde allein. Der Rechtsweg ist hier 
unzulässig (O. Trib. v. 20. 2. 65, E. 54, 305; v. 
7. 3. 73, Strieth. A. 90, 96 und RE 27. 5. 81 
EgS 5, 239; 21. 1. 96, 34, 306; v. 7. 12. 96, 
bei Gruchot 41, 404; 16. 1. 02, E38S 50, 
310; A. M. Komp.-Gerichtshof v. 23. 12. 47, 
JMBl 1848, 183; v. 2. 2. 48, das. 169; 
v. 26. 11. 53, das. 1854, 94; 17. 2. 55, 137; 
25. 6. 98 im KGu. VBl 156, wonach unter 
den Interessenten über die Notwendigkeitsfrage 
selbst gerichtlich prozessiert werden kann.) Anderer- 
seits wird der Streit über die Verpflichtung ge- 
wisser Personen zur Leistung der von den 
VerwBehörden interimistisch festgesetzten Bau- 
beiträge unter den Interessenten selbst im Wege 
Rechtens zum Austrag gebracht (O. Trib. v. 22. 10. 
51, E. 21, 282 und v. 3. 2. 63, Strieth. A. 44, 
184). — 4. Soweit das Resolut die Aufbrin- 
gung der Kosten oder ihre Verteilung 
unter die Interessenten zum Gegenstande hat, 
findet seit 1874 gegen die von der Regierung 
getroffene Entscheidung kein Rekurs mehr 
an den Min der geistlichen Angelegenheiten, son- 
dern nur noch der Rechtsweg statt (Kult.= 
Min E v. 13. 1. 74, s. o.). Die ministerielle Ent- 
scheidung wäre hier u. U. auch keine endgültige, 
weil der Rechtsweg offen sieht. Vgl. über die im 
Fall von Baustreitigkeiten zwischen einer Ke- 
meinde kgl. Patronats und dem Patronat ein- 
tretende Interessenkollision, da die Regierung 
Patronats= und Resolutionsbehörde ist, Nitze- 
Gebser, Verf und Verwiy#' 1912, 338 zu 3 b. 
6. Preußen. Neue Provinzen. 
I. Provinz Hannover. 
Für Ostfriesland, Lingen und Eichsfeld kommt 
das ALR zur Anwendung. Sonst gilt im Ge- 
biete des vormaligen gr. Hannover das gemeine 
Recht in derjenigen Gestalt, welche es durch aner- 
  
  
  
kannte konstante Uebung und einzelne gesetzliche 
Bestimmungen erhalten hat. 
1. Die Regel des gemeinen Rechts ist, daß jeder 
Kirchengemeinde die Pflicht obliegt, die 
Bedürfnisse aller kirchlichen Einrichtungen inner- 
halb ihres Bezirks zu bestreiten, sofern und soweit 
nicht auf Grund besonderer Rechtsverhältnisse 
dritte dazu verpflichtet sind und ihrer Verpflichtung 
wirklich nachkommen. 
.2. Besteht für die KGemeinden ein ört- 
liches Kirchenvermögen, so sind die 
kirchlichen Bedürfnisse zunächst aus diesem zu 
bestreiten, aber unbeschadet des besonderen Stif- 
tungszwecks. Auch dürfen Vermögensteile, welche 
bestimmt sind, nur mit ihren Erträgen den laufen- 
den kirchlichen Bedürfnissen zu dienen, behufs 
Deckung der letzteren nicht in ihrem Bestande an- 
gegriffen werden. 
3. Soweit die Kosten nicht aus dem örtlichen 
K Vermögen zu decken, muß die K emeinde sie 
durch Leistungen ihrer Mitglieder bestrei- 
ten. Die früher für Personen gewisser Klassen 
und für Besitzer gewisser Grundstücke bestehenden 
Befreiungen sind durch 3 14 Gv. 5. 9. 48 ausge- 
hoben. Von der Regel, daß nur Gemeindemitglie- 
der herangezogen werden können, tritt eine Aus- 
nahme da ein, wo die K asten gewohnheitsrecht- 
lich dinglichen Charakter angenommen ha- 
ben. Die Beitragsordnung beruht teils auf Gesetz, 
teils auf Gewohnheitsrecht. Aenderungen des 
Beitragsfußes erfolgen, soweit nicht gesetzliche 
Bestimmungen entgegenstehen, durch Beschluß des 
K Vorstandes unter Genehmigung der zuständigen 
Oberbehörde (Lohmann-Uhlhorn--Chalibäus, K Ge- 
setz * ev. -luth. K in Hannover, 1871 ff 1, 250; 
( . 
II. Provinz Hessen-Nassau. 
In Nassau werden die Bau- und Unter- 
haltungskosten der K= und Pfarrgebäude von der 
Kirchengemeinde bestritten, sofern nicht 
Patrone, Zehntherren und andere statutarisch oder 
vertragsmäßig hierzu verpflichtet sind. Hand- 
und Spanndienste haben die Eingepfarrten 
unentgeltlich zu leisten. Doch fällt diese Pflicht 
fort, wenn das K Vermögen zur Deckung aller 
Ausgaben hinreicht (Otto, HB des KRechts im 
Herzogtum Nassau, 1828, 280; Wilhelmi, KRecht 
im Amtsbezirk des Konsist. Wiesbaden, 1887, 
2, 498). 
Nach kurhefssischem Recht haftet für den 
KBau zunächst der Kirchenkasten mit den 
disponiblen Ueberschüssen, event. die Kirchen- 
gemeinde. Beitragspflichtig sind alle Ein- 
gepfarrten sowie die Besitzer von wohnbaren Ge- 
bäuden innerhalb des Gemeindebezirks, auch wenn 
sie nicht am Orte wohnen. Die Umlage erfolgt 
nach Maßgabe des Vermögens, welches zunächst 
nach der Kontribution (Grundsteuer) beurteilt 
wird. Aer keinen kontributionspflichtigen Grund- 
besitz hat, aber anderweite Steuern zahlt, wird 
nach deren Verhältnis herangezogen. Die Spann- 
dienste liegen den Anspännern, die Handdienste 
den Kötern, Brinksitzern, Hintersiedlern und Bei- 
wohnern ob (Büff, Kurhess. KRecht, 1861, 744 ff). 
III. In der Provinz Schleswig-Hol- 
stein liegen die K Bauten zuerst dem Kirchen- 
ärar ob. Der Patron hat nur im Notfall 
helfend einzutreten. Nähere gesetzliche Bestim- 
mungen fehlen. Ueberall entscheidet das lokale 
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