Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
46 Gemeinde (II. Grundlagen) 
  
neu zusammengesetzten Kommunalbezirk gelten. 
Grundsätzlich wird man daher zu sagen haben, 
daß im Falle der Erweiterung einer StadtGem 
durch Eingemeindung einer Land Gem oder eines 
Gutsbezirkes das örtliche Recht der ersteren in der 
einverleibten Gem oder im Gutsbezirk, ebenso 
in Teilen von solchen ohne weiteres in Kraft tritt 
— wenn nicht ausdrücklich Ausnahmen vorgesehen 
sind oder die Anwendung der Regel zu offenbar 
unpraktischen Konsequenzen führt. Es entsteht 
eine grundsätzlich endgültige Geltung der in der 
eingemeindenden Kommune herrschenden Rechts- 
normen auch für das einverleibte Gebiet, soweit 
nicht gesetzliche Ausnahmen zulässig oder durch 
Rechtstitel, insbesondere rechtswirksame Ein- 
gemeindungsverträge, geschaffen worden sind 
(ogl. auch unten). Die bestehenden Gesetze ver- 
halten sich freilich in keiner Weise darüber, welche 
Wirkung eine Eingemeindung auf die Geltung des 
örtlichen Rechtes ausüben soll. Weder in der 
Literatur, noch in der Rechtsprechung besteht 
Uebereinstimmung. Das Pr. O hat zunächst 
(Entsch v. 18. 3. 80, Bd. 6 S 212) die Ansicht ver- 
treten, daß eine Erweiterung des Gebietes von 
selbst die Erweiterung des darin geltenden Rech- 
tes zur Folge habe. Doch erkennt es eine Aus- 
nahme insofern an, als sich dasjenige örtliche Recht 
nicht ausdehnen soll, das beabsichtigt, ein Sonder- 
recht für einzelne Gebiete einzuführen, oder be- 
sonders geartete Verhältnisse in einer Weise zu 
regeln, daß ihre Ausdehnung auf den Gebiets- 
zuwachs als ausgeschlossen gelten muß. Immerhin 
hat das O seine Ansicht in späteren Urteilen 
zwar festgehalten, sie jedoch nur als Regel erklärt. 
Doch ist auch mit dieser abgeschwächten Formel 
durchaus gut auszukommen. Anders das Kammer- 
gericht: Danach dehnt sich das örtliche Recht nur 
aus, wenn es für das erweiterte Gebiet neu er- 
lassen und verkündet worden ist; denn der gesetz- 
geberische Wille erstrecke sich nur auf dasjenige 
Gebiet, das zur Zeit der Verkündigung des Ge- 
setzes den dem Einfluß dieses Willens unter- 
worfenen Bezirk bildet (Reger, Entsch 25, 373; 
28, 335). Auch das R geht in seinem Urteile 
v. 24. 1. 01 (R###48, 275) auf den Willen des 
Gesetzgebers zurück und will eine Ausdehnung der 
Satzungen nur annehmen, wenn ein dahingehen- 
der Wille bestimmt ersichtlich ist. Das OLG# Mün- 
chen dehnt das örtliche Recht nicht von selbst aus, 
verlangt aber nur die Publikation in dem erwei- 
terten Gebiet (Reger 13, 89; 22, 424; 24, 402; 
25, 480). Das OL--#Dresden hält eine Verkün- 
digung für ausreichend (Entsch v. 21. 12. 91; 
Reger 13, 87). In der übrigens spärlichen Lite- 
ratur besteht keinerlei Uebereinstimmung. Die 
Auffassung des KG ist nicht haltbar. Es ist durch- 
aus keine Verkennung der Rechtsgrundsätze, die 
das moderne öffentliche Leben beherrschen, wenn 
man annimmt, daß mit dem Wogfall der Rechts- 
fähigkeit einer Gem für die Regel auch alles 
von ihr geschaffene Recht untergeht. Daß Satzun- 
gen und Verordnungen, die eine Gem er- 
lassen hat, nur auf dem gesetzlich vorgeschriebenen 
Wege beseitigt werden können, ist zutrefsend, aber 
ein gesetzlicher Weg ist auch der Untergang einer 
Kommune durch Einverleibung, wodurch not- 
wendigerweise ihre sämtlichen Rechtsverhältnisse 
für die Regel untergehen. 
8 4. Folgerungen aus dem hier aufgestellten 
  
  
Grundsatze. a) Die Wirkung der Eingemeindung 
auf das Bürgerrecht zeigt sich darin, daß die die 
Eigenschaften eines Stadtbürgers aufweisenden 
Personen der einverleibten Kommune ohne wei- 
teres Bürger der aufnehmenden Stadt werden. 
Aehnlich wird ein Gutsherr eines selbständigen 
Gutsbezirkes, dessen Kommune mit dem Stadt- 
bezirk vereinigt worden ist, dadurch Bürger der 
Stadt. Eines besonderen Erwerbsaktes bedarf es 
nicht. Infolgedessen kann auch die nach §s 2 des 
Gv. 14. 5. 60 zulässige Erhebung von Bürger- 
rechtsgeldern nicht erfolgen von Bürgern, die es 
durch diese Eingemeindung geworden sind. Um- 
gekehrt darf durch eine Eingemeindung den Bür- 
gern einer Gem ihr Gem Bürgerrecht nicht ge- 
nommen werden, dieses setzt sich in der vergrö- 
ßerten Gem fort, wenn auch nach Maßgabe der 
Normen der inkommunalisierenden Gemeinde. 
b) Hinsichtlich der öffentlichen Armen- 
pflege besteht eine Ausnahme von dem Satze, 
die einen Entschädigungsanspruch zwischen den 
beteiligten Kommunal Gem wegen Erhöhung der 
Lasten versagt (siehe unten zu c). Bei Auf- 
teilung eines Armenverbandes und Zuteilung 
der einzelnen Teile an verschiedene Kommunen 
oder bei Abtretung einzelner Teile eines Armen- 
verbandes und Zuteilung an einen andern haften 
bis zur bewirkten Auseinandersetzung die betei- 
ligten Verbände dritten gegenüber für die Armen- 
last gemeinschaftlich (OV.G 13, 200; 33, 132). Aber 
auch abgesehen von dieser Ausnahme kann es 
notwendig werden, daß die betroffenen Kommu- 
nen sich wegen einer durch die Bezirksveränderung 
entstehenden Rechten- und Pflichtengemeinschaft 
auseinandersetzen, und daß diese Auseinander- 
setzung im Wege der Ausgleichung der öffentlichen 
Interessen der Beteiligten erfolgt. Vorausgesetzt 
ist dabei, daß diese Ausgleichung notwendig nicht 
schon durch die Bezirksveränderung als solche, 
sondern durch besondere Rechtstitel herbeigeführt 
ist (O## 33, 151). Das Bundesamt für das 
Heimatwesen geht in ständiger Rechtsprechung 
davon aus, daß, wenn mehrere Ortsarmenver- 
bände vereinigt werden oder ein Ortsarmenver- 
band einem andern einverleibt wird, sämtliche 
Verpflichtungen der untergegangenen Armen- 
verbände auf den neuen, bezw. vergrößerten 
Ortsarmenverband übergehen, aber auch nur die 
Verbindlichkeiten, die zur Zeit des Inkrafttretens 
der Aenderung schon bestanden, nicht auch die- 
jenigen Verpflichtungen, die erst entstehen wür- 
den, wenn die Zusammenlegung nicht stattgefun- 
den hätte. Personen, die an demselben Orte un- 
unterbrochen ein Jahr lang sich aufgehalten haben, 
erwerben den Unterstützungswohnsitz dort nicht, 
wenn der Ort während dieser Zeit mit einem 
andern Ortsarmenverbande vereinigt, oder einer 
andern Gem einverleibt wird. Diese Personen 
werden landarm. Dagegen setzt sich der bereits 
bestehende Unterstützungswohnsitz in der neuen 
Gem sort (Bundesamt f. d. Heimatwesen Entsch 
2, 49; 7, 74; 14, 16; 21, 5; 26, 1; 28, 1; 36, 1). 
Abweichend das Sächs. Min Inn, welches den 
Verlauf der Frist für Erwerbung des Unter- 
stützungswohnsitzes durch die Vereinigung nicht 
unterbrochen, sondern trotz derselben fortgesetzt 
wissen will. 
c) Die Steuerpflichtt der zugeschla- 
genen Grundstücke und der neuen Bewohner der
	        
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