Koalitionsrecht
Hieraus folgert man mit Recht, daß die Strafe des
z 153 nur zur Anwendung gelangt, wenn die Be-
teiligung an einer bestimmten Lohnbewegung,
nicht der Beitritt zu den Organisationen der Ar-
beiter erzwungen werden soll. (Siehe jedoch
Gewürch 6, 529 und Mli V 1902, 13.) Zweifellos
treffen „Verabredungen und Vereinigungen" der
5§ 152, 153 nicht Tarifgemeinschaften.
Das Gesetz bedroht den Koalitionszwang nach
drei Richtungen hin. Es wird bestraft: 1. wer
andere zur Teilnahme an Verabredungen der im
5*6# 152 genannten Art bestimmt, 2. wer andere
bestimmt, solchen Verabredungen Folge zu leisten,
3. wer andere hindert. von solchen Verabredungen
zurückzutreten. Ueberall wird der Versuch des
Bestimmens oder des Verhinderns der Vollendung
gleichgestellt (Heinemann 216; Gewürch 5, 164).
Die im § 153 festgesetzte Strafart ist Gefängnis bis
zu drei Monaten „sofern nach dem allgemeinen
Strafgesetz nicht eine härtere Strafe eintritt.“
Heinemann (195) hat dargetan, daß diese Rege-
lung in der Praxis zu widersinnigen Ergebnissen
führen kann. Uebrigens lassen alle irgendwie mit
5 153 GewO zusammentreffenden des Ste B —
8 110 (Widerstand gegen die Staatsgewalt); 8 123ff
(Haus- und Landfriedensbruch); §130(Aufhetzung);
8 185 ff (Beleidigung); § 223 (Körperverletzung);
8 240 ff (Nötigung) und 8 253 (Erpressung) —
höhere Strafmaße als drei Monate Gefängnis zu.
Das Reichsgericht hat durch Urteil v. 14. 4. 10,
in welchem der subsidiäre Charakter der Strafnorm.
des §# 153 nachdrücklicher als in früheren Entschei-
dungen betont wird, seinen früheren Standpunkt,
daß zwischen § 153 GewO und den gleichzeitig
in Betracht kommenden Bestimmungen des St GB
Idealkonkurrenz bestehe, verlassen und nimmt an,
daß Gesetzeskonkurrenz zwischen diesen gesetzlichen
Vorschriften vorliege. Dieser Auffassung hat das
Kammergericht sich neuerdings angeschlossen.
z 5. Reformbestrebungen. Wiederholte Ver-
essen der Arbeiter im allgemeinen sowie
auf eränderung der Gesetzgebung:
Erweiterung der Strafe auf rechtswidrige
Verhinderung am gesetzmäßigen Gebrauch des
K. Schon der „erste deutsche Arbeiterkongreß"“
(1903) hat mit dem Antrage Ablaß sich deckende
Wünsche geäußert. Siehe auch den Antrag von
Handlungsgehilfenbeisitzern im Jahrbuch des
Kaufmannsgerichts Berlin Bd. 1, 371, II, 339.
Allseitig wird die Schädlichkeit des § 152 Abs 2,
zumal für die Durchführung der Tarifverträge [1]
hervorgehoben und fast durchweg Beseitigung
des Abs 2 verlangt. Es sei hier ein vermitteln-
der Zusatzantrag zum 8 152 Abs 2 des Dr. Hitze
in der GewOKommission erwähnt: „Durch die
Bestimmungen des Abs 2 werden nicht berührt
suche, die Bestimmungen der §# 152, 153 abzu-
ändern bezw. zu beseitigen, sind bisher gescheitert.
Die einen wünschen volle Koalitionsfreiheit
und Abschaffung der 55 152 und 133, andere drän-
gen auf Beschränkung dieser Freiheit, besonders
auf Verschärfung der Vorschriften des # 153.
Andere wiederum würden mit dem Ausbau der
Koalitionsbestimmungen im freiheitlichen Sinne
zufrieden sein. Zur Frage der Entwicklung der
vollen Koalitionsfreiheit sei auf die einzelnen im
R2 gestellten Anträge und auf die Beschlüsse des
27. und 29. Juristentages verwiesen. Eine Ver-
schärfung der Koalitionsvorschriften sollte der be-
kannte Gesetzentwurf zum Schutze des gewerblichen
Arbeitsverhältnisses bringen, der am 22. Juni 1899
vom RI nach dreitägiger Verhandlung abgelehnt
wurde. Ebenso wie dieser Entwurf wird der „Vor-
entwurf zu einem deutschen Strafgesetzbuch“ be-
kämpft. Die §§# 184, 185, 240 und 241 des Entw
würden, falls sie Gesetz werden sollten, das Ende
der Koalitionsfreiheit bedeuten (Heinemann 220).
Hinsichtlich des Ausbaues der 3& 152, 153 sei endlich.
auf den Antrag, den der Abgeordnete Ablaß (1907)
auf Grund seiner praktischen Erfahrungen stellte,
verwiesen: Anwendung nicht nur auf Erlangung
besserer, sondern auf Erhaltung bestehender Ar-
beits= und Lohnverhältnisse; nicht nur auf die in-
dividuellen Interessen der sich Verabredenden
oder Vereinigenden, sondern auch auf die Inter-
Vereinbarungen zwischen Gewerbetreibenden und
gewerblichen Arbeitern über die Regelung der
Lohn= und Arbeitsbedingungen in bestimmten
Gewerben (Tarifverträge).“ Man vergleiche dazu
den Entwurf eines Antrages des Gewerbege-
richts Berlin betr. Tarifverträge an die gesetzge-
benden Körperschaften, der aber nicht zu deren
Kenntnis gelangt ist (29. Juristentag Bd. II, 336
und dazu die Entsch des Reichsgerichts im Ge-
werbe= und Kaufmannsgericht 15, 181 und in der
DJ3 15, 497 ffl.
Diebeiden unerledigt gebliebenen Gesetzentwürfe
betr. Rechtsfähigkeit der Berufsvereine und betr.
Arbeitskammern waren nicht ausersehen, die Vor-
schriften über die Koalitionsfreiheit zu vervoll-
kommnen bezw. zu beseitigen. Bei den Bera-
tungen des erstgenannten Entwurfes wurde mehr-
fach ausgesprochen, daß ein Gesetz über die Rechts-
fähigkeit der Berufsvereine nur möglich wäre,
wenn in demselben oder vorher zeitgemäße Be-
stimmungen über das K. erlassen würden.
Literatur: Kommentare zur GewO von Berger
und Wilhelmil, v. Landmann, Neukamp, v. Rohrscheidt
und Schenkel. v. Berlepsch, Das K. der Arbeiter.
Vortrag (Soz. Praxis 13 Nr. 28, 29 u. 30); Borchardt,
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ersatzansprüche aus dem Lohnkampf, 1906; Brütt, Das
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treibenden und gewerblichen Arbeiter, 1909; Frey, Streik
und Strafrecht, 1906; Goebel, Zur Handhabung des K.
in Deutschland im Arch für Sozialwissenschaft und Sozial-
politik Bd. 23; Goldschmidt, Das K. der Arbeiter in
Annalen 1901; Heinemann, Zur Behandlung der
Streikvergehen in der deutschen Gesetzgebung und Recht-
sprechung in der „Festgabe für Wilke“ 1900; Herkner,
Die Arbeiterfrage", 1005; Keßler, Die deutschen Ar-
beitgeberverbände, 19071 Koeppe, Der Ardbeitstarif-
vertrag als Gesetzgebungsproblem, 1908; Kollenscher,
Rechtsfähigkeit der Berufsvereine, 1907: Kulemann,
Die Berufsvereine, 1908; Legien, Das K. der deutschen
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schaft und Vereinsfreiheit im künftigen Reichsrecht, 1899,
serner Untersuchungen zum inneren Vereinsrecht, 1904;
Leo, Die wirtschaftliche Organisation der geistigen Arbei-
ter (Vortrag), in der Medizinischen Reform, 1907, Nr. 49
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Erwerbsleben, speziell Boykott und Arbeitersperre, 1897;
Liefmann, Die Allianzen, gemeinsame monopolistische
Bereinigungen der Unternehmer und Arbeiter in England,
1900; Loening, Die Koalitionsfreiheit und das Reichs-