Kolonisation
verlange, durch die einer Zersplitterung des Grund-
besitzes vorgebeugt würde. Um ein Landgut im
Erbfalle sowohl gegen eine reale Teilung als auch
gegen eine übermäßig hohe Belastung durch die
Erbansprüche der Miterben zu schützen, wurden
verschiedene Wege eingeschlagen. In Bayern
(Gv. 22. 2. 55) und in Hessen (Gv. 11. H. 58)
wurden sog. landwirtschaftliche Erbgüter einge-
führt, die als Nachbildungen des Familienfideikom=
misses unveräußerlich und unverschuldbar wa-
ren, eine Einrichtung, die kaum zur praktischen An-
wendung gelangt ist. Mehr Erfolg hatte eine ähnliche
Rechtsform, die in Mecklenburg-Schwerin
für die bäuerlichen Erbpachtgüter durch die Vv. 24.
6. 69 getroffen wurde. Im Königreich Sachsen
(Gv. 30. 11. 43), einigen kleineren mitteldeutschen
Staaten und im badischen Schwarzwald hat man
die Geschlossenheit (Unteilbarkeit) des Stamm-
gutes im Gegensatz zu den sog. walzenden Grund-,
stücken gesetzlich festgelegt. In Preußen,
Oldenburg, Braunschweig, Fürstentum
Lippe, Schaumburg-Lippe, Waldeck,
Altenburg und Bremen wurde dagegen
das eigentliche Anerbenrecht eingehend gesetzlich
geordnet und ausgebaut. Siehe dieserhalb §§8 8
und 9.
Das B#B had die landesgesetzlichen Vorschriften
über das Erbpachtrecht mit Einschluß des Büdner-
rechtes und des Häuslerrechtes sowie die über das
Anerbenrecht unberührt gelassen (a 63 und 64 E#u
zum BG#) und damit dem Ausbau dieser Gesetz-
gebung den weitesten Spielraum gewährt; nur
dürfen die Landesgesetze das Recht des Erblassers
über die dem Anerbenrecht unterliegenden Grund-
stücke von Todes wegen zu verfügen, nicht be-
schränken.
5#2049: „Hat der Erblasser angeordnet, daß einer
der Miterben das Recht haben soll, ein zum Nach-
lasse gehörendes Landgut zu übernehmen, so ist
im Zweifel anzunehmen, daß das Landgut zu dem
Ertragswert angesetzt werden soll. Der Ertrags-
wert bestimmt sich nach dem Reinertrage, den das
Landgut nach seiner bisherigen wirtschaftlichen
Bestimmung bei ordnungsmäßiger Bewirtschaf-
tung nachhaltig gewähren kann.“ Hierdurch ist
ermöglicht, daß bei Erbauseinandersetzungen we-
gen eines Landgutes nicht dessen Verkaufswert
zugrunde gelegt werden muß, der in vielen Fällen,
(Anerbenrecht)
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licht, G 662): für den Kreis Herzogtum Lauenburg v.
21. 2.81 (GE 19); für Westsalen und die benachbarten rhei-
nischen Kreise die Landgüter O v. 30. 4. 82 (G—S 255) und
das G v. 2. 7. 98 (G 139); für Brandenburg v. 10. 7. 83
(GS 111), für Schlesien v. 24. 4. 84 (GES 121):; für Schles-
wig. Holstein mit Ausnahme von Lauenburg v. 2. 1. 36
(GS 117); für den RegBez. Kasjel mit Ausnahme des
Kreises Rinteln v. 1. 7. 37 (GS 315); ferner das G v. 11.
7. 91 (GES 303) und das G betr. Anerbenrecht bei Renten-
und Ansiedlungsgütern v. 2. 7. 98 (GE 139).
b) Olden burg, G v. 24. 4. 73 und 19. 4. 90 für
das Herzogtum Oldenburg und v. 10. 1. 70 und 14. 6. 90
für das Fürstentum Lübeck.
c)h Braunschweig, G v. 20. ö. 53 und 28. 3. 74
d) Fürstentum Lippe, G v. 8. 7. 86.
e) Schaumburg= Lippe, 6 v. 11. 1. 70.
sh) Waldec, G v. 27. 12. 09.
6o) Altenburg, G v. 9. 4. 59 und 16. 12. 67.
h) Bremen, G v. 14. 5. 90 und 18. 7. 99.
Die Bestimmungen der Höfe= und Landgüter-
ordnungen finden auf R-- und Ansiedlungsgüter
keine Anwendung (F40 Gv. 8.6.96); wegen dieser
sowie wegen der in Westfalen geltenden Bestim-
mungen s. weiter unten 33 10 und 11.
Ueberall besteht nur ein Intestat-Anerben-
recht, d. h. es tritt nur ein, soweit es der Erblasser
nicht durch letztwillige Verfügung ausgeschlossen
oder beschränkt hat. Im übrigen ist es entweder
ein mittelbares (fakultatives), d. h. es
greift nur für solche Güter Platz, die auf Antrag
des Eigentümers in ein besonderes Verzeichnis
(Höferolle, Landgüterrolle) einge-
tragen oder als Anerbengüter im Grundbuch be-
zeichnet werden; oder es ist ein unmittel-
bares (obligatorisches), d. h. es gilt kraft Ge-
setzes für alle Güter bestimmter Art oder eines
bestimmten Bezirks. Das letztere System gilt z. B.
in Braunschweig, Schaumburg-Lippe, in Teilen
Westfalens sowie für die R= und Ansiedlungsgüter
in ganz Preußen. Das erstere System setzt zwar
einen freien Entschluß des Erblassers voraus; ist
aber infolgedessen die Eintragung in die Höferolle
wo z. B. Liebhaberwert, Spekulationsinteresse
und dgl. m. mitwirken, den Ertragswert erheblich
übersteigt und dann zur Ueberlastung des Guts-
übernehmers führt; vgl. auch s#§ 2303 und 1515.
#J 8. Das Anerbenrecht. Unter Anerbenrecht
versteht man im allgemeinen dasjenige Sonder-
recht des ländlichen Grundbesitzes, nach welchem
bestimmte ländliche Besitzungen dadurch ungeteilt
im Besitze der Familie erhalten werden, daß ihre
Uebernahme einem der Miterben (dem Anerben)
unter besonders günstigen Bedingungen ermög-
licht wird. Für dieses System, das in mehreren
Provinzen Preußens (Oannover, Westfalen, Bran-
denburg, Schlesien, Schleswig-Holstein und dem
Reg Bezirk Kassel, außerdem hinsichtlich der R= und
Ansiedlungsguter im ganzen Staate), ferner in
einigen anderen Staaten Geltung hat, sind folgende
Landesgesetze ergangen:
a) Preußen, G fur Hannover v. 2. 6. 74 (GS 136),
24. 2. 80 (GS 7), 20. 2. 84 (GS 71) und 28. 7. O0 (GE 651),
(auf Grund des letzten Gesetzes in neuer Fassung veröffent-
oder das Grundbuch erfolgt, so sind bei eintreten-
dem Erbfall die Regeln des Anerbenrechtes so
lange maßgebend, wie jene Eintragung besteht.
Löschung zu verlangen, ist der jeweilige Eigentümer
jederzeit befugt. Der Anerbe erwirbt das Gut
entweder unmittelbar kraft Gesetzes (z. B. in
Hannover und Lauenburg) oder er hat nur das
Recht, von den Miterben die Uebertragung der
ihnen zugefallenen Gutsanteile gegen entsprechen-
de anderweite Abfindung zu fordern. Außerhalb
Preußens sind dem Anerbenrecht nur bäuerliche,
innerhalb Preußens aber auch größere Besitz-
tümer unterworfen; meistens muß ein bestimmter
Mindest-Grundsteuerreinertrag (60, 75 Mk.) vor-
handen sein. Ueber die dem Anerbenrecht unter-
liegenden Güter wird eine Höfe= oder Landgüter-
rolle bei den Amtsgerichten geführt, zum Teil sind
entsprechende Eintragungen im Grundbuch vor-
gesehen. Wer im Einzelfalle Anerbe wird, ist regel-
mäßig der letztwilligen Bestimmung durch den
Erblasser überlassen; für den Fall, daß eine solche
nicht getroffen ist, bestimmen die Gesetze die Reihen-
folge, in welcher die Miterben berufen sind, als
Anerbe einzutreten (Majorat oder auch Mino-
rat). Für die Ermittlung des bei der Ausein-
andersetzung anzunehmenden Wertes ist der
Ertragswert und nicht etwa der Verkaufswert