Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

616 
nur an personae Regi gratee ver- 
liehen werden (a 11). 7. Bei Leitung ihrer Diö- 
zesen dürfen die Kirchenoberen alles tun, wozu 
sie nach dem kanonischen Rechte und der 
vigens ecclesiae disciplina befugt 
sind, insbesondere für die kirchliche Verwaltung 
Gehilfen und Vertreter bestellen, Kandidaten in 
den geistlichen Stand aufnehmen, Eheprozesse und 
andere geistliche Rechtssachen, mit Ausnahme der 
rein bürgerlichen Angelegenheiten von Klerikern, 
entscheiden, gegen letztere im Disziplinarwege 
Zensuren verhängen, mit dem heiligen Stuhle, wie 
mit den ihnen Untergebenen direkt und frei ver- 
kehren (a 12). 8. Gegen die Verbreitung von 
Druckschriften, welche die Bischöfe als gegen 
den Glauben, die Sitten und das Recht der Kirche 
verstoßend bezeichnen, hat die Staatsregierung 
einzuschreiten (a 13). 9. Die Bischöfe und Erz- 
bischöfe sind gehalten, dem Könige den Eid der 
Treue zu leisten (a 15). 10. Für alle kirchlichen 
Angelegenheiten, welche in dem K. nicht besonders 
geregelt sind, entscheidet das kanonische 
Recht und die vigens disciplina 
ecclesiae, vorbehaltlich anderweiter gütlicher 
Vereinbarung (a 17). Ueber die 3B unten F 7. 
Publiziert ist das bayer. K. am 26. 
5. 1818 als Staatsgesetz, aber nur als 
Anhang I zu §5 103 der II. VBeil. (des sog. Reli- 
gionsedikts) und deshalb nur in beschränkter 
Weise. Denn das Religionsedikt, welches dem K. 
vorgeht, steht mit ihm an mehrfachen Punkten in 
Widerspruch; es wahrt überall das oberhoheitliche 
Aufsichtsrecht des Staates und konserviert z. B. 
das staatliche Plazet (JNls, ja sogar den Re- 
cursus ab abusulCl. Inwieweit hierdurch 
den Verabredungen zuwidergehandelt worden, 
darüber besteht ein bis heute noch nicht gelöster 
Streit (v. Sicherer, Staat und Kirche in Bayern, 
1874. Systematische Zusammenstellung der Ver- 
handl. d. bayer. Episkopats m. d. bayer. Staats- 
regierung, 1905). 
5. Das württembergische K. v. 8. 4. 
1857, geschlossen zwischen Papst Pius IX. und König 
Wilhelm I. 
6. Das badische K. v. 28. 6. 59, geschlossen 
zwischen Papst Pius IX. und dem Großherzoge 
Friedrich. 
Diese beiden, nach österreichischem Muster (K. 
v. 18. 8. 55) abgefaßten und unter österreichischem 
Einflusse zustande gekommenen Konuventionen 
wurden zwar durch päpstliche Bullen und landes- 
herrliche Verordnungen genehmigt, sind aber in- 
folge Reklamation der Kammern niemals ausge- 
führt und staatsseitig ganz außer Wirksamkeit ge- 
setzt worden. An ihre Stelle trat für Württem- 
berg das Staats G v. 30. 1. 62 über die Rege- 
lung des Verhältnisses der Staatsgewalt zur katho- 
lischen Kirche, für Baden das Staats#G v. 
9. 10. 60 über die rechtliche Stellung der Kirchen 
und kirchlichen Vereine im Staat (v. Golther, 
Staat und katholische Kirche in Mürttemberg, 
1874; Spohn, Bad. Staatskirchenrecht, 1868; 
Fricdberg, Staat und katholische Kirche in Baden, 
871). 
7. Für die Reichslande stcht das franzö- 
sische K. v. 15. 8. 1801 (26 Messidor de I’an 1X), 
abgeschlossen zwischen Papst Pius VII. und Kaiser 
Napolcon I., noch heute als Staatsgesetz in Gel- 
tung (Dove, 3 f. N R. 9, 91), während es für Frank- 
Konkordate und Zirkumfskriptionsbullen 
  
reich selbst 1906 vom Staate ausgekündigt und 
seit dem 11. 12. 05 durch das französische „Tren- 
nungsgesetz“ ersetzt worden ist (Loi de séparation 
de Pelgise et de I’état v. 9. 12. 05). Es enthält 
folgende Hauptbestimmungen: 1. Die römisch- 
katholische Kirche genießt Bekenntnis= und Kultus- 
freiheit, bleibt aber den polizeilichen An- 
ordnungen im Interesse der öffentlichen Ruhe 
unterworfen (a 1). 2. Dem Staatshaupte gebührt 
das Nominationsrecht für die erzbischöf- 
lichen und bischöflichen Stühle, während die ka- 
nonische Institution durch den Papst erfolgt (a 4, 
5, 17). 3. Alle Erzbischöfe, Bischöfe und Geistliche 
haben dem Staatshaupte den hergebrachten Treu- 
eid zu leisten (a 6, 7). 4. Die Pfarrer werden von 
den Bischöfen ernannt, bedürfen aber einer Ge- 
nehmigung (agrément) seitens der Staatsregie- 
rung (a 10). 5. Den Diözesanoberen steht die Er- 
richtung eines Kapitels sowie eines Semi- 
nars frei, ohne daß die Regierung hierdurch 
zur Dotation verpflichtet ist (a 11). 6. Dagegen 
hat der Staat für ein angemessenes Gehalt 
der Bischöfe und Pfarrgeistlichen 
Sorge zu tragen (a 14). 7. Das Staatshaupt übt 
alle Vorrechte, welche der früheren Landesregie- 
rung gebührten. Ist dasselbe aber akatholisch, 
so bedarf es in dieser Hinsicht sowie wegen des 
Nominationsrechts (a 2) einer anderweitigen Ver- 
einbarung (a 16, 17). — Seine Ergänzung findet 
das frangösische K. in den sog. Artieles 
organiques, einem für die deutschen Reichs- 
lande in Geltung verbliebenen französischen 
Staats G v. 8. 4. 1802 (18 Germ. de I’an X), 
welches durch zahlreiche, im Geiste des Gallikanis- 
mus gehaltene Sätze das Recht des Staates wahrt, 
sich gegen Ausschreitungen der Kirchengewalt im 
Wege der Prävention und Repression zu schützen. 
Insbesondere ist hier, ähnlich wie im bayerischen 
Religionsedikt, das staatliche Plazet (J|8 und der 
recursus ab abusu [M| geregelt (Dursy, Staats- 
kirchenrecht in Elsaß-Lothringen 1876). 
B. Sirhumskriptionsbullen 
5 5. Begriff und Form. ZB. sind einse i- 
tige päpstliche Verordnungen (Bullen), welche 
die Diözesansprengel eines Landes neu abgrenzen 
(cireumscribere). Die deutschen 3Z3. da- 
tieren aus der Zeit nach dem Wiener Kongreß und 
wurden durch die umfangreichen Sakularisationen 
[|1 zu Eingange des 19. Jahrhunderts infolge des 
Reichsdeputationshauptschlusses v. 25. 2. 1803. 
veranlaßt. Erlassen sind sie überall im Ein- 
vernehmen mit der beteiligten Staats- 
regierung. Außer der in erster Linie stehenden 
Zirkumskription setzen sie die Organisation 
und Ausstattung (Dotation) der neuen 
Bistümer I, namentlich wegen der Dom- 
kapitel, der kirchlichen Lehranstalten (Seminare), 
der Emeriten= und Demeritenhäuser u. a. m. fest. 
Auch treffen sie meist Anordnung über die Be- 
setzung der bischöflichen Stühle und Ka- 
nonikate. 
Die Publikation der Z. erfolgt, da es 
sich um Kirchengescetze handelt, wie bei 
allen päpstlichen Konstitutionen, ordnungsmäßig 
in Rom. Daneben werden sie, um ihnen den 
Charakter eines die katholischen Untertanen recht- 
lich bindenden Statuts zu verleihen, auch st aat-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.