Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
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Landesherr (Staatsoberhaupt) 
  
mungen des Staatsrechts. Demgemäfß ent- 
halten auch die meisten deutschen Landesver- 
assungen Vorschriften über die Thronfolge (Preu- 
Hans a 53, Bayern Tit. II § 5, Sachsen §5. 6, 7, 
Württemberg s 7, 8, Baden # 4, Hessen a 5, 
Oldenburg §# 2 usw.). Andererseits aber hat das 
Hausrecht (Satzung und Observanz) der ein- 
elnen landesherrlichen Häuser, ebenso das haupt- 
sichlic, auf dem Lehenrecht [I und dem Stamm- 
gutsrecht beruhende gemeine Fürstenrecht seine 
Geltung für die Thronfolge nicht von selbst ver- 
loren sondern im allgemeinen behalten, jedoch in 
Unterordnung unter das Staats- 
recht. Demgemäß gelten die früheren auf die 
Thronfolge bezüglichen Bestimmungen dieser 
Rechtsquellen fort und sind auch neue hausrecht- 
liche Normen über die Thronfolge statthaft, so- 
weit sie nicht ihrem Inhalt nach mit dem rechtlichen 
Wesen des heutigen Staates unvereinbar sind 
(unten 	JN ) oder einer Bestimmung des betreffen- 
den Landesstaatsrechts widersprechen. Völlig aus- 
geschlossen ist Geltung des Hausrechts für die 
Thronfolge in den Staaten, die über diesen Gegen- 
stand erschöpfende Vorschriften ohne Bezugnahme 
auf das Hausrecht aufgestellt haben (so VuUl in 
Bayern und Württemberg). Die preußische VU. 
ebt die Uebereinstimmung der von ihr über die 
ronfolge gegebenen Bestimmungen mit dem 
bestehenden Hausrecht („den Kgl Hausgesetzen ge- 
mäß“) ausdrücklich hervor; dadurch ist aber die 
Zuständigkeit der Hausgesetzgebung für nicht durch 
die VU geordnete Fragen der Thronfolge, wie 
z. B. das Erfordernis der Ebenbürtigkeit, (JI nicht 
ausgeschlossen (a. M. Anschütz und Schücking). 
Jedenfalls kann in allen deutschen konstitutionellen 
Monarchien die Staatsgesetzgebung die bisherigen 
Rechtssätze über die Thronfolge, auch soweit sie 
auf dem Hausrecht beruhen, ändern, ohne dazu 
einer Mitwirkung der Hausgesetzgebung zu be- 
dürfen. Ebensowenig ist Zustimmung der Agnaten, 
auch wenn man ihre Thronfolgeansprüche (unten 
& 7 II 4) als wohlerworbene Rechte betrachtet, für 
eine staatsgesetzliche Aenderung des Thronfol e- 
rechts erforderlich; denn wohlerworbene Rechte 
bilben überhaupt keine formelle Schranke der 
Staatsgesetzgebung (7 Entschädigung). 
A Im Wesen der Erbmonarchie liegt es, daß 
nicht nur das Recht der Nachfolge in die Herrscher- 
stellung durch die Rechtsordnung an die Abstam- 
mung aus einer bestimmten Familie geknüpft ist 
(5 7), sondern daß auch die Reihenfolge, in welcher 
die sukzessionsfähigen Mitglieder dieser Familie 
im Fall einer Erledigung der Herrscherstellung auf 
den Thron berufen werden, durch die Rechts- 
ordnung im voraus bestimmt ist (§ 8). Ueber die 
außerordentliche Thronfolge vgl. § 9. 
&# 7. Die Thronfolgefähigkeit. 
I. Die Fähigkeit zur Nachfolge in die landes- 
herrliche Stellung beruht zunächst und vor allem 
auf der Abstammung von dem ersten 
Erwerbetr, d. h. von demjenigen Mitglied des 
betreffenden Hauses, das als erstes die Herrschaft 
in dem Kernlande des jetzigen Staates erworben 
hat (in Preußen von Kurfürst Friedrich I., in 
Bayern von Otto von Wittelsbach, in Sachsen 
von Herzog Albrecht dem Beherzten, in Württem- 
berg von Graf Ulrich I.). Die leibliche Ab- 
stammung kann nicht durch Annahme an Kindes- 
statt ersetzt werden. Nachkommen von Seitenver- 
  
  
  
  
  
wandten des ersten Erwerbers sind von der Thron- 
folge ausgeschlossen (so die Mitglieder des fürst- 
lichen Hauses Hohenzollern von der Sukzession. 
in die Krone Preußens). 
. Die Abstammung von dem ersten Erwer- 
ber gibt Thronfolgefähigkeit nur unter folgenden 
näheren Voraussetzungen: 
1. Die Abstammung muß eine eheliche sein, 
d. h. jedes Mitglied der Ahnenlinie bis auf den 
Prätendenten herab muß in einer bürgerlich gül- 
tigen Ehe erzeugt sein. Legitimation, auch 
durch nachfolgende Ehe, gibt keine Thronfolge- 
fabiglein Ehen, durch welche die Th 
. Die Ehen, durch welche die Thronfolgefähig- 
keit fortgepflanzt sein soll, müssen ebenbür- 
tige sein bezw. gewesen sein (K Ebenbürtigkeit)j. 
3. Nach zahlreichen neueren Vu und Hausge- 
setzen ist für die Fortpflanzung der Thronfolge- 
fähigkeit Einwilligung des Landes- 
herrn zu der betreffenden Eheschließung er- 
forderlich: im preußischen Königshause besteht 
dieses Erfordernis observanzmäßig. Nachträgliche 
Einwilligung ist wirkungslos. 
4. Die deutsche Thronfolge ist prinzipiell eine 
agnatische. Im allgemeinen sind nur die 
Agnaten im deutschrechtlichen Sinne, d. h. die 
von dem ersten Erwerber durch Männer abstam- 
menden Männer sukzessionsfähig; der Thron ist 
verblicht im Mannsstamm des betreffenden 
Hauses. Auch nach Erlöschen des Mannsstamms 
steht den Kognaten ein subsidiäres Thron- 
folgerecht nur kraft besonderer Bestimmung des 
Staats- bezw. Hausrechts zu; wo eine solche Be- 
stimmung fehlt, wie insbesondere in Preußen, 
sind sie von der Thronfolge völlig ausgeschlossen. 
Wie aber schon zur Zeit des früheren Deutschen 
Reiches Oesterreich und Braunschweig-Lüneburg 
subsidiäre Weiberlehen waren, so haben nach Un- 
tergang des alten Reiches zahlreiche Landesver- 
fassungen und Hausgesetze von der nunmehr ge- 
wonnenen Freiheit zur Einführung subsidiärer 
kognatischer Thronfolge Gebrauch gemacht. Eine 
solche ist vorgesehen insbesondere in Bayern (Vu 
Tit. II #§ 4 und 5), Sachsen (VUu# §# 7), Württem- 
berg (Vl#7), Baden (5 3 des Haus G v. 4. 10. 17, 
ob. mit Vu #§ 4), Hessen (Vu a 5); jedoch stehen 
nach den Bestimmungen der bayerischen und der 
sächsischen VU die Kognaten hinter den Erbver- 
brüderten (s. unten §& 9 I) zurück. 
III. Abgesehen von dem Erfordernis des männ- 
lichen Geschlechts bei der agnatischen Thronfolge 
(in Baden auch bei der kognatischen) bestehen im 
allgemeinen keine weiteren persönlichen 
Erfordernisse der Thronfolgefähigkeit. Immerhin 
ist anzunehmen, daß Regierungsun- 
fähigkeit wegen eines unheilbaren körper- 
lichen oder geistigen Gebrechens, die zur Zeit des 
Elbesen deutschen Reiches als Grund der Aus- 
chließung von der Thronfolge galt, diese rechtliche 
Wirkung behalten hat, sofern nicht durch eine 
neuere Bestimmung, wie sie in den meisten Lan- 
desverfassungen sich findet, für einen solchen Fall 
nur Eintritt einer Regentschaftl# I angeord- 
net ist (Anwendung des gemeinrechtlichen Grund- 
sates in Baden 1856). Die singuläre Bestimmung 
der württemberg. Vl # 5 („der König bekennt 
sich zu einer der christlichen Kirchen") setzt kein Er- 
fordernis für den Thronanfall und ist auch wohl 
nur eine Sollvorschrift. 
  
 
	        
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