Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Landesherr (Ahronfolge) 
  
IV. Ein Mangel einer rechtlichen Voraussetzung 
der Thronfolgefähigkeit bei einer vom ersten Er- 
werber abstammenden Person kann durch Dis- 
pens gehoben werden. Für einen solchen ist 
aber ein Staats-(Verfassungs= oder gewöhnliches) 
oder ein Haus gesetz erforderlich; ob letzteres 
genügt, entscheidet sich nach den oben # 6 II er- 
örterten Grundsätzen. 
##8. Die Thronfolgeordunug. Hinsichtlich der 
Thronfolgeordnung ist die agnatische und die 
subsidiäre kognatische Sukzession zu unterscheiden. 
1. Für die agnatische Thronfolge hat, 
nach dem Vorbild der Bestimmungen der Goldenen 
Bulle in betreff der weltlichen Kurlande, die 
Hausgesetzgebung in allen deutschen landesherr- 
lichen Häusern die Primogeniturord- 
nung eingeführt und diese ist auch in allen 
einzelstaatlichen Vll, die Bestimmungen über die 
Thronfolgeordnung enthalten, festgesetzt (so in 
der preuß. VU a 63, bayer. Tit. II #2, sächs. § 6, 
württemb. #7, bad. s 4 vb. mit Haus G v. 4. 10. 17, 
hess. # 5). Die Thronfolge nach Primogenitur- 
ordnung ist Individual sukzession nach Erst- 
geburt und Linie: unter mehreren Söhnen 
des letzten Throninhabers, und überhaupt unter 
mehreren Brüdern, findet keine Teilung statt, 
sondern der früher geborene und seine ganze 
Linie schließt die später geborenen und ihre Linien 
aus. Die Nähe des Verwandtschaftsgrades zum 
letzten Throninhaber kommt garnicht in Betracht. 
2. Im Fall der subsidiären kognatischen 
Thronfolge entscheidet die Nähe des Verwandt- 
schaftsverhältnisses zum letzten Herrscher aus 
dem Mannsstamm (ein Vorzug der sog. Regre- 
dienterben ist nirgends anerkannt); die Frage, 
nach welchem System diese Nähe sich bestimmt, ist 
bestritten und wird auch von den Vl, die darüber 
nähere Festsetzungen enthalten (Bayern Tit. II 
z 6, Sachsen § 7, Württemberg §# 7) verschieden 
beantwortet. Bei gleicher Nähe der Verwandt- 
schaft entscheidet das Lebensalter, so daß auch bei 
der kognatischen Thronfolge die Individualsuk- 
zession gesichert ist. Nach Eintritt der kognatischen 
Thronfolge erlangen der Vorzug des 
Mannsstamms und die Primogeniturord- 
nung in dem neuen landesherrlichen Hause sofort 
wieder Geltung. 
59. Anßerordentliche Thronfolge. Ausnahms- 
weise kann eine nicht auf Abstammung von dem 
ersten Erwerber (§ 7 I) und also nicht auf 
Verwandtschaft beruhende Thron- 
folge stattfinden, und eine solche ist sogar not- 
wendig, wenn kein zur Thronfolge befähigter 
Agnat oder (wo subsidiäre kognatische Thronfolge 
vorgesehen ist, §8 8 2) Kognat vorhanden ist und 
trotzdem die erbmonarchische Form des Staates 
erhalten bleiben soll. 
Begründet werden kann eine außerordentliche 
Thronfolge entweder durch ein Spezialgesetz oder 
durch einen aus früherer Zeit fortdauernden 
Rechtstitel. 
1. Aus der Zeit privatrechtlicher Auffassung der 
Landeshoheit stammen Erbverträge und 
Erbverbrüderungen zwischen verschie- 
denen landesherrlichen Häusern, durch welche ein- 
seitige bezw. gegenseitige Rechte der Sukzession 
in die Landeshoheit begründet worden sind. 
Aeltere Erbverbrüderungen sind zum Teil in den 
neueren Vl ausdrücklich bestätigt (sächs. VU 87, 
  
hess. 5 5. Die Bestimmungen in der bayer. VU 
Tit. II #4 und 5 beziehen sich nur auf künftige 
Erbverbrüderungen, vgl. unten); aber aus dem 
Stillschweigen einer Vll (wie insbesondere der 
preußischen) über die fortdauernde Geltung solcher 
Verträge ist nicht der Wille ihrer Aufhebung zu 
folgern (so G. Meyer und Rehm, a. A. Anschütz 
und Bornhak). Andererseits darf ein solcher Ver- 
trag niemals zu einer mit dem rechtlichen Wesen 
des modernen Staates sowie mit den Bestim- 
mungen der meisten deutschen Vl unverträglichen 
Teilung des Staatsgebiets führen (a. A. Rehm). 
Neue derartige Verträge bedürfen der Sanktion 
durch ein Staatsgesetz (s. 3 2); im voraus sind 
neue Erbverbrüderungen mit einem anderen 
deutschen landesherrlichen pLause, zugelassen durch 
die bayer. VU Tit. II #### 4 und 
2. Durch Staatsgesetz ##nn- stets ein 
neues Thronfolgerecht geschaffen werden; formell 
auch mit Aufhebung nach dem bisherigen Recht 
begründeter Sukzessionsansprüche (oben # 6 II 
Ein Bedürfnis für ein solches Gesetz wird aber 
vorzugsweise dann vorliegen, wenn sonst kein zur 
Thronfolge Berufener mehr vorhanden sein würde 
(vgl. die Bestimmung der oldenburg. Vl a 18). 
Auch wo die Vl bisher keine Normen über die 
Thronfolge getroffen hat, wird die gesetzliche Be- 
gründung einer neuen Dynastie naturgemäß der 
Form eines Verfassungsgesetzes bedürfen. 
#10. Thronaufall und Regierungsantritt. 
1. Im Fall einer Erledigung des Throns (§ 11) 
findet der Erwerb der landesherr- 
lichen Stellung von seiten des Nächstbe- 
rufenen (Thronan l%„ II) ipsc iure statt. Wenn- 
aber auch kein Willensakt für den Thronanfall er- 
forderlich ist, so ist doch der Nächstberufene zur 
alsbaldigen Ausschlagung des Thrones berechtigt; 
findet eine solche statt, so gilt der Thronanfall an 
den Ausschlagenden als nicht erfolgt. Hat der 
Nächstberufene schon vor der Thronerledigung auf 
die Thronfolge verzichtet und den Verzicht nicht 
widerrufen, so wird dieser im Augenblick des 
Thronerledigungsfalls von selbst wirksam. 
2. Der Beginn der Ausübung der Herr- 
schaft des neuen L. Regierungsantritt) 
pflegt durch verschiedene äußere Handlungen be- 
zeichnet zu werden. Verpflichtet ist der neue L. 
meist zu einem solennen oder sogar eidlichen Ver- 
sprechen der Beobachtung der Landesverfassung 
(preuß. VU ##.51, bayer. Tit. X § 1, sächs. § 138, 
württemb. § 10, hess. § 106); die Leistung dieses 
Gelöbnisses ist jedoch keine Voraussetzung für die 
Ausübung der Herrscherrechte, wenn nicht das 
Gegenteil ausdrücklich bestimmt ist (so koburg-goth. 
VuU rl 159 und oldenb. a 197 + 3; ähnlich die 
Vu v. Reuß ä. L. 88). Herkömmlich ist außer- 
dem eine Proklamation des neuen L., durch die 
er dem Volke seinen Regierungsantritt mitteilt. 
Die früher übliche „Erbhuldigung" der Untertanen 
ist im Verfassungsstaate abgekommen. 
II. Verlust. + 11. 
1. Ein Verlust der landesherrlichen Stellung für 
den bisherigen Throninhaber tritt ein durch seinen 
Tod oder seinen Verzicht (Abdankung). Die recht- 
liche Zulässigkeit des Thronverzichts, 
wenngleich in keiner deutschen VU ausgesprochen,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.