Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

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Landesherr — Landesherrliches Haus 
  
  
  
ist nach der Natur der Sache und nach zahlreichen 
Präzedenzfällen nicht zu bezweifeln. Der Thron- 
verzicht bewirkt, wie der Tod des bisherigen 
Herrschers, eine Thronerledigung und damit Thron- 
anfall an den Nächstberufenen; er kann daher 
nicht zugunsten eines Dritten erfolgen; ebenso 
wenig kann sich der Verzichtende gewisse Herr- 
schaftsrechte oder späteren Wiedereintritt in die 
Herrscherstellung vorbehalten, dagegen verbleiben 
ihm die Ehrenrechte des L., insbesondere der Titel. 
Die Abdankung ist kein Regierungsakt (a. A. An- 
schütz, v. Sarwey, Göz) und bedarf deshalb keiner 
Gegenzeichnung; jedenfalls aber muß sie aus- 
drücklich erklärt werden. 
2. Eine Absetzung (Entthronung) des L. 
ist nach heutigem Staatsrecht unzulässig. Insbe- 
sondere steht den Agnaten ein früher zuweilen 
von ihnen beanspruchtes und geübtes Absetzungs- 
recht heutzutage jedenfalls nicht mehr zu; ebenso 
wenig kommt ein solches — selbst im Falle eines 
Verfassungsbruches von seiten des L. — der 
Volksvertretung zu. Absetzung eines regierungs- 
unfähigen L. durch ein vom Regenten sanktionier= 
tes Landesgesetz würde dem Wesen der Regent- 
schaft sq] widersprechen (a. A. insbes. Anschütz, 
Dyroff, Rehm). Eine Absetzung von seiten der 
Reichsgewalt kann nicht auf dem Wege der Exe- 
kution (RV a 19) erfolgen und nach der gegen- 
wärtigen verfassungsmäßigen Reichskompetenz 
auch nicht durch ein Reichsgesetz. 
  
Lüteratur: Zu A und B: v. Gerber, Grund- 
züge des deutschen Staatsrechts'", 45 25—33; H. v. Schulze, 
Lehrb. des deutschen Staatsrechts, Bd. 1 d# 81—107; 
Meyer--Anschütz # 84—91; Anschüs in Holtzen- 
dorff. Kohlers Enzukl. d. Rechtsw. 2, 5641—574; Rönne- 
Zorn Bd. 11 12—15; H. v. Schulze, Preuß. Staats- 
rechts, Bd. 1 14#4 40—605; Bornhak', Bd. 1 1f 21, 22, 
25, 27/32; Seydel, St Ri 1, 351 af; Opitz, Staatvrecht 
des Kar. Sachsen 1, 127 ff; O. Mayer, Staatsrecht des 
Kgr. Sachsen, 1# 9, 10; v. Sarwoey, Staatsrecht d. 
Kgr. Württemberg 1, S 42, 55, 77 ff;: Göz, Staatörecht 
des Kgr. Württemberg # 11, 14, 15, 18; Walz, Staats- 
recht d. Großh. Baden, 15 12, 13, 15; Cosack, Staats- 
recht d. Großh. Hessen, S3—4, 8—12; Walther, Das 
Staatshaupt in den Republiken, 1907, bes. S 57 ff. 
Besonders zu B: H. Schulze, Das Recht der Erst- 
geburt in den deutschen Fürstenhäusern, 1851; J. Held, 
Die geschichtl. Entwicklung des deutschen Thronfolgerechts, 
in der 8 f. deutsches Staatsrecht 1, 41 ff; Arndt, Können 
Rechte der Agnaten auf die Thronfolge nur durch Staats- 
gesetz geändert werden? 1900; Bin ding, Das Thron- 
folgerecht der Kognaten im Großherzogtum Luxemburg, 
10900; Schücking, Der Staat und die Agnaten, 1902; 
Rehm, Modernes Fürstenrecht, 1904, bes. 38 1—5 und 
1# 43—52; Lade, Staatsverfassung, Fürstenrecht und Haus- 
vermögen, 1910; G. Jellinek, Ausgewahlte Reden und 
Schriften, 1911, 2, S 153—170. — 
Spcziell Uüber Thronverzicht: Abrahamt, Der 
Thronverzicht nach deutschem Staater., 1006; v. Frisch, 
Der Thronverzicht, 1006z: Schocn born, Studien zur 
Lehre vom Verzicht im öffentl. Recht, 10082; Schubert, 
Der Thronverzicht, 10909 (Breslauer Diss.). 
Landeoherrliches Haus, Cbenbürtigleit, Civilliste — 
Depossedierte, Mediatisierte. 
Brie. 
  
—. — — — 
Landesherrliches Haus 
5 1. Allgemeines. 1 2. Mitgliedschaft und Organisation. 
3. Sonderrechte der Mitglieder. 3 4. Beschränkungen durch 
die Hausgewalt des Landesherrn. # 5. Das Ministerium des 
landesherrlichen Hauscs. 
5 1. Allgemeines. Alle deutschen monarchischen 
Einzelstaaten sind gegenwärtig Erbmonar- 
ien. In der Natur der Erbmonarchie liegt es, 
daß die Mitglieder der Familie, an welche das 
Thronfolgerecht geknüpft ist (der sog. regierenden 
Familie oder Dynastie). eine auch rechtlich beson- 
ders ausgezeichnete Stellung einnehmen. In 
Deutschland erlangte diese Sonderstellung der 
Mitglieder der l. H. zur Zeit des früheren Deutschen 
Reiches eine um so stärkere Ausprägung, als den 
einzelnen hochadeligen (landesherrlichen und zu- 
gleich reichsständischen) Familien Autonomie IP] 
zukam und als die Mitglieder der landesherrlichen 
Familien nicht der Landeshoheit des Familien- 
hauptes sondern nur der Reichsgewalt unterworfen 
(reichsunmittelbar) waren (die Mitglie- 
der des preußischen Königshauses wenigstens inner- 
halb des Reichsgebietes). In letzterer Beziehung 
ist mit dem Untergang des alten Reiches eine tief- 
greifende Veränderung eingetreten: die Mitglieder 
derjenigen landesherrlichen Familien, deren Häup- 
ter zur Sonveränität aufstiegen, wurden Un- 
tertanen des betreffenden Landesherrn. Zu- 
gleich trat innerhalb des Kreises der Familien, 
welche zum hohen deutschen Adel [Jlim Sinne des 
früheren Reichsrechts gehören, eine prinzipielle 
Scheidung ein: die Mitglieder der Familien, deren 
Häupter sich im erblichen Besitz einer souverän ge- 
wordenen Staatsherrschaft behaupteten, bildeten 
fortan eine höhere Klasse gegenüber den sog. media- 
tisierten (] Familien, und diese Entwicklung ist 
auch durch die den letzteren in a 14 der Deutschen 
Bundesakte zugesicherte „Ebenbürtigkeit“ (I nicht 
rückgängig gemacht worden. Als Angehörige des 
betreffenden Einzelstaates nehmen aber die Mit- 
glieder des l. H. an dem allgemeinen Rechtszu- 
stande der Landesuntertanen teil, soweit nicht für 
ihre Verhältnisse durch das Hausrecht bezw. durch 
das gemeine deutsche Fürstenrecht (sog. deutsche 
Privatfürstenrecht) oder durch das Landesrecht 
oder endlich durch das neue Reichsrecht ab- 
weichende Bestimmungen festgesetzt sind. 
Ein korporativer Charakter der hochadeligen 
Familien war zur Zeit des alten Reiches nur in 
unvollkommenem Maße ausgebildet (and. Ans. 
insbes. Beseler und Gierke); im Laufe des 19. 
Jahrhunderts aber hat er in den l. H. ebenso wie 
in den standesherrlichen Häusern eine deutlichere 
und festere Ausprägung erhalten und muß nun- 
mehr als gemeinrechtlich anerkannt werden (gl. M. 
Rehm, während insbesondere Gerber, Mejer, 
Stobbe die Persönlichkeit der hochadeligen Häuser 
überhaupt bestreiten). 
82. Mitgliedschaft und Organisation. 1. Die 
Bezeichnung „landesherrliches Haus“ oder 
„landesherrliche Familie“ wird in verschiedenen 
Bedeutungen gebraucht. Zum l. H. im wei- 
teren Sinne gehört auch der Landesherr /41 
selbst so das königl. sächs. Haus G v. 30. 12. 37 #1, 
das Haus G für das großherzogl. oldenburg. Haus
	        
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